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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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erster Abschnitt.
richtsbarkeit hat. Die Wehren konnten bey den
Verfall des Heerbanns ihre Personen der Rolle;
aber nicht dem Obersten oder Gografen (e) seine
Gerichtsbarkeit und Sporteln entziehen. Und so lan-
ge er die behielt, verhinderte er das Verlaufen oder
den Leibeigenthum nicht.

(a) Dies ist kein Wiederspruch. Gödings-Freyheit
ist nur ein beständiger Urlaubs-Paß von dem jährlichen
Muster Platze oder den ordentlichen Auszügen, wor-
unter auch die Halsgerichts-folge gehöret. Ein Gödings-
freyer ist im übrigen dem Schrey-Göding (S. §. 28.)
und daher auch jetzt dem Gow-gericht noch unterworfen
und von der Werbung zur Landes-Vertheidigung, den
Krieges-Fuhren und dergleichen ausserordentlichen Vor-
fällen nicht befreyet, wie man wol bisweilen behaupten
wollen. Der Gödings-pflichtige muß noch jetzt
am Gödinge jährlich erscheinen, oder sich mit 3 pf. oder
einer andern Erkenntlichkeit entschuldigen. Sonst fällt
er in den Grafen Bann-Bruch von 20 ß.
(b) De B. G. VI. Plerique ex plebe cum aut aere alieno, aut
magnitudine tributorum aut injuria potentiorum premuntur
sese in servitutem dicant nobilibus. In has eadem omnia
sunt jura quae dominis in servos.
Es ist zu bewundern,
daß man diese handgreifliche Ursache der Knechtschaft
habe verfehlen können; besonders da Cäsar den Zustand
in Gallien, und wie dort alles in drey oder vier Par-
theyen, quae plebem per laeta per adversa afflictabant, ge-
theilet war, so deutlich abmahlet. Die Freyheit in
Gallien lebte aber wieder auf, wie mächtige Könige eine
Zeitlang die Gemeinen gegen den Adel brauchten.
(c) Wenn ein freyer Bauer sich jetzt verschuldet hätte: so
würden ihn seine Gläubiger vom Erbe jagen. Um nun
wenigstens die Feste daran zu behalten, sucht er einen
Gutsherrn, der seine Gläubiger bezahlt, und ihn mit
seinem Hofe zusammen übernimmt. Er verliert seine
F 5

erſter Abſchnitt.
richtsbarkeit hat. Die Wehren konnten bey den
Verfall des Heerbanns ihre Perſonen der Rolle;
aber nicht dem Oberſten oder Gografen (e) ſeine
Gerichtsbarkeit und Sporteln entziehen. Und ſo lan-
ge er die behielt, verhinderte er das Verlaufen oder
den Leibeigenthum nicht.

(a) Dies iſt kein Wiederſpruch. Goͤdings-Freyheit
iſt nur ein beſtaͤndiger Urlaubs-Paß von dem jaͤhrlichen
Muſter Platze oder den ordentlichen Auszuͤgen, wor-
unter auch die Halsgerichts-folge gehoͤret. Ein Goͤdings-
freyer iſt im uͤbrigen dem Schrey-Goͤding (S. §. 28.)
und daher auch jetzt dem Gow-gericht noch unterworfen
und von der Werbung zur Landes-Vertheidigung, den
Krieges-Fuhren und dergleichen auſſerordentlichen Vor-
faͤllen nicht befreyet, wie man wol bisweilen behaupten
wollen. Der Goͤdings-pflichtige muß noch jetzt
am Goͤdinge jaͤhrlich erſcheinen, oder ſich mit 3 pf. oder
einer andern Erkenntlichkeit entſchuldigen. Sonſt faͤllt
er in den Grafen Bann-Bruch von 20 ß.
(b) De B. G. VI. Plerique ex plebe cum aut ære alieno, aut
magnitudine tributorum aut injuria potentiorum premuntur
ſeſe in ſervitutem dicant nobilibus. In has eadem omnia
ſunt jura quæ dominis in ſervos.
Es iſt zu bewundern,
daß man dieſe handgreifliche Urſache der Knechtſchaft
habe verfehlen koͤnnen; beſonders da Caͤſar den Zuſtand
in Gallien, und wie dort alles in drey oder vier Par-
theyen, quæ plebem per læta per adverſa afflictabant, ge-
theilet war, ſo deutlich abmahlet. Die Freyheit in
Gallien lebte aber wieder auf, wie maͤchtige Koͤnige eine
Zeitlang die Gemeinen gegen den Adel brauchten.
(c) Wenn ein freyer Bauer ſich jetzt verſchuldet haͤtte: ſo
wuͤrden ihn ſeine Glaͤubiger vom Erbe jagen. Um nun
wenigſtens die Feſte daran zu behalten, ſucht er einen
Gutsherrn, der ſeine Glaͤubiger bezahlt, und ihn mit
ſeinem Hofe zuſammen uͤbernimmt. Er verliert ſeine
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[89/0119] erſter Abſchnitt. richtsbarkeit hat. Die Wehren konnten bey den Verfall des Heerbanns ihre Perſonen der Rolle; aber nicht dem Oberſten oder Gografen ⁽e⁾ ſeine Gerichtsbarkeit und Sporteln entziehen. Und ſo lan- ge er die behielt, verhinderte er das Verlaufen oder den Leibeigenthum nicht. ⁽a⁾ Dies iſt kein Wiederſpruch. Goͤdings-Freyheit iſt nur ein beſtaͤndiger Urlaubs-Paß von dem jaͤhrlichen Muſter Platze oder den ordentlichen Auszuͤgen, wor- unter auch die Halsgerichts-folge gehoͤret. Ein Goͤdings- freyer iſt im uͤbrigen dem Schrey-Goͤding (S. §. 28.) und daher auch jetzt dem Gow-gericht noch unterworfen und von der Werbung zur Landes-Vertheidigung, den Krieges-Fuhren und dergleichen auſſerordentlichen Vor- faͤllen nicht befreyet, wie man wol bisweilen behaupten wollen. Der Goͤdings-pflichtige muß noch jetzt am Goͤdinge jaͤhrlich erſcheinen, oder ſich mit 3 pf. oder einer andern Erkenntlichkeit entſchuldigen. Sonſt faͤllt er in den Grafen Bann-Bruch von 20 ß. ⁽b⁾ De B. G. VI. Plerique ex plebe cum aut ære alieno, aut magnitudine tributorum aut injuria potentiorum premuntur ſeſe in ſervitutem dicant nobilibus. In has eadem omnia ſunt jura quæ dominis in ſervos. Es iſt zu bewundern, daß man dieſe handgreifliche Urſache der Knechtſchaft habe verfehlen koͤnnen; beſonders da Caͤſar den Zuſtand in Gallien, und wie dort alles in drey oder vier Par- theyen, quæ plebem per læta per adverſa afflictabant, ge- theilet war, ſo deutlich abmahlet. Die Freyheit in Gallien lebte aber wieder auf, wie maͤchtige Koͤnige eine Zeitlang die Gemeinen gegen den Adel brauchten. ⁽c⁾ Wenn ein freyer Bauer ſich jetzt verſchuldet haͤtte: ſo wuͤrden ihn ſeine Glaͤubiger vom Erbe jagen. Um nun wenigſtens die Feſte daran zu behalten, ſucht er einen Gutsherrn, der ſeine Glaͤubiger bezahlt, und ihn mit ſeinem Hofe zuſammen uͤbernimmt. Er verliert ſeine Frey- F 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/119>, abgerufen am 23.11.2024.