Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.vierte Abtheilunge. (f) Der Herr von Montesquiou dans l'esprit des Loix XXVIII. 2. macht sich sonderbare Vorstellungen von den Gesetzen der Barbaren, und nennt sie Personal-gesetze, weil in dem fränkischen Reiche, die Franken andre Gesetze als die Römer, die Römer andre als die Burgundier, und die Burgundier andre als die Deutschen hatten; und die- ses in dem nemlichen Bezirke. Er hätte aber gerade um- gekehrt schliessen sollen. Denn gesetzt wie es augenschein- lich ist, es wären tausend Höfe in einem Bezirke; und die Eigenthümer dieser tausend Höfe, welche gemeine Ehre und Wehre haben, machten den Cörper der Nation aus; sollten diese einigen Ueberwundenen (dedititiis) oder Schutzgenossen (receptitiis) ihre Ehre und ihre Rechte mittheilen? Konnten sie Heuerleuten, Hintersassen, Handwerkern, Krämern, Dörflingen (villains) und Bür- gern diese starke Ehre anmuthen seyn? Konnte ein Rö- mer, Burgundier oder Deutscher unter den Franken et- was anders als einen receptitium oder dedititium vor- stellen? und wenn ein Römer durch Heyrath oder Erb- schaft zum Hofe gelangte, ward er alsdenn nicht ein Franke, ein Mitglied der Nation? Muste nicht das onus defensionis erst aus einer Natural-pflicht in eine Geld-pflicht, und aus einer Bürger-pflicht in eine Men- schen-pflicht verwandelt werden, ehe der Geld besitzer mit dem Land-besitzer in eine Reihe gebracht werden konnte? Gründete sich nicht auf dieser Ausgleichung die spätere Ausdehnung des römischen Bürger-rechts? Wie kann der Herr von Montesquiou also behaupten, daß die Ge- setze der Barbaren personal gewesen, da sie sich doch ge- rade nach eines jeden Wehr-gute, und Eigenthume rich- teten? Ein Franke hatte mehr Ehre aber ein Römer unter ihnen mehrern Vortheil; kein Wunder, daß alle Bürger nach römischen Rechten lebten. Von einer Haus- stätte zieht einer nicht so zu Felde, wie von einem Acker- hofe. Montesquiou wundert sich, daß die Franken sich nicht die Mühe gegeben die überwundenen ihren eig- nen Gesetzen zu unterwerfen. Dies heißt so viel gesagt, als: Die Vollmeyer sollten allen ihren Heuerleuten und Hintersassen Meyer-recht geben. Wie wollten aber letz- U 2
vierte Abtheilunge. (f) Der Herr von Monteſquiou dans l’eſprit des Loix XXVIII. 2. macht ſich ſonderbare Vorſtellungen von den Geſetzen der Barbaren, und nennt ſie Perſonal-geſetze, weil in dem fraͤnkiſchen Reiche, die Franken andre Geſetze als die Roͤmer, die Roͤmer andre als die Burgundier, und die Burgundier andre als die Deutſchen hatten; und die- ſes in dem nemlichen Bezirke. Er haͤtte aber gerade um- gekehrt ſchlieſſen ſollen. Denn geſetzt wie es augenſchein- lich iſt, es waͤren tauſend Hoͤfe in einem Bezirke; und die Eigenthuͤmer dieſer tauſend Hoͤfe, welche gemeine Ehre und Wehre haben, machten den Coͤrper der Nation aus; ſollten dieſe einigen Ueberwundenen (dedititiis) oder Schutzgenoſſen (receptitiis) ihre Ehre und ihre Rechte mittheilen? Konnten ſie Heuerleuten, Hinterſaſſen, Handwerkern, Kraͤmern, Doͤrflingen (villains) und Buͤr- gern dieſe ſtarke Ehre anmuthen ſeyn? Konnte ein Roͤ- mer, Burgundier oder Deutſcher unter den Franken et- was anders als einen receptitium oder dedititium vor- ſtellen? und wenn ein Roͤmer durch Heyrath oder Erb- ſchaft zum Hofe gelangte, ward er alsdenn nicht ein Franke, ein Mitglied der Nation? Muſte nicht das onus defenſionis erſt aus einer Natural-pflicht in eine Geld-pflicht, und aus einer Buͤrger-pflicht in eine Men- ſchen-pflicht verwandelt werden, ehe der Geld beſitzer mit dem Land-beſitzer in eine Reihe gebracht werden konnte? Gruͤndete ſich nicht auf dieſer Ausgleichung die ſpaͤtere Ausdehnung des roͤmiſchen Buͤrger-rechts? Wie kann der Herr von Monteſquiou alſo behaupten, daß die Ge- ſetze der Barbaren perſonal geweſen, da ſie ſich doch ge- rade nach eines jeden Wehr-gute, und Eigenthume rich- teten? Ein Franke hatte mehr Ehre aber ein Roͤmer unter ihnen mehrern Vortheil; kein Wunder, daß alle Buͤrger nach roͤmiſchen Rechten lebten. Von einer Haus- ſtaͤtte zieht einer nicht ſo zu Felde, wie von einem Acker- hofe. Monteſquiou wundert ſich, daß die Franken ſich nicht die Muͤhe gegeben die uͤberwundenen ihren eig- nen Geſetzen zu unterwerfen. Dies heißt ſo viel geſagt, als: Die Vollmeyer ſollten allen ihren Heuerleuten und Hinterſaſſen Meyer-recht geben. Wie wollten aber letz- U 2
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vierte Abtheilunge.
⁽f⁾ Der Herr von Monteſquiou dans l’eſprit des Loix XXVIII.
2. macht ſich ſonderbare Vorſtellungen von den Geſetzen
der Barbaren, und nennt ſie Perſonal-geſetze, weil in
dem fraͤnkiſchen Reiche, die Franken andre Geſetze als
die Roͤmer, die Roͤmer andre als die Burgundier, und
die Burgundier andre als die Deutſchen hatten; und die-
ſes in dem nemlichen Bezirke. Er haͤtte aber gerade um-
gekehrt ſchlieſſen ſollen. Denn geſetzt wie es augenſchein-
lich iſt, es waͤren tauſend Hoͤfe in einem Bezirke; und
die Eigenthuͤmer dieſer tauſend Hoͤfe, welche gemeine
Ehre und Wehre haben, machten den Coͤrper der Nation
aus; ſollten dieſe einigen Ueberwundenen (dedititiis) oder
Schutzgenoſſen (receptitiis) ihre Ehre und ihre Rechte
mittheilen? Konnten ſie Heuerleuten, Hinterſaſſen,
Handwerkern, Kraͤmern, Doͤrflingen (villains) und Buͤr-
gern dieſe ſtarke Ehre anmuthen ſeyn? Konnte ein Roͤ-
mer, Burgundier oder Deutſcher unter den Franken et-
was anders als einen receptitium oder dedititium vor-
ſtellen? und wenn ein Roͤmer durch Heyrath oder Erb-
ſchaft zum Hofe gelangte, ward er alsdenn nicht ein
Franke, ein Mitglied der Nation? Muſte nicht das
onus defenſionis erſt aus einer Natural-pflicht in eine
Geld-pflicht, und aus einer Buͤrger-pflicht in eine Men-
ſchen-pflicht verwandelt werden, ehe der Geld beſitzer mit
dem Land-beſitzer in eine Reihe gebracht werden konnte?
Gruͤndete ſich nicht auf dieſer Ausgleichung die ſpaͤtere
Ausdehnung des roͤmiſchen Buͤrger-rechts? Wie kann
der Herr von Monteſquiou alſo behaupten, daß die Ge-
ſetze der Barbaren perſonal geweſen, da ſie ſich doch ge-
rade nach eines jeden Wehr-gute, und Eigenthume rich-
teten? Ein Franke hatte mehr Ehre aber ein Roͤmer
unter ihnen mehrern Vortheil; kein Wunder, daß alle
Buͤrger nach roͤmiſchen Rechten lebten. Von einer Haus-
ſtaͤtte zieht einer nicht ſo zu Felde, wie von einem Acker-
hofe. Monteſquiou wundert ſich, daß die Franken ſich
nicht die Muͤhe gegeben die uͤberwundenen ihren eig-
nen Geſetzen zu unterwerfen. Dies heißt ſo viel geſagt,
als: Die Vollmeyer ſollten allen ihren Heuerleuten und
Hinterſaſſen Meyer-recht geben. Wie wollten aber letz-
tere
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Zitationshilfe: | Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/337>, abgerufen am 16.07.2024. |