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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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vierte Abtheilunge.
und der Wehr ein Gesetz für Leute gemacht; oder daß
eine Sache dem einen und nicht auch zugleich dem an-
dern Stande (a) verboten worden. Alles ward mit
Gelde bestraft; und der einzige Unterschied war in der
Summe; wo der Edle sechzig Schillinge (b) gab, be-
zahlte der Wehr dreyßig und der Leut funfzehn. Blos
Armen, Fremden und Knechten, wurden ohne ihre
Einwilligung Gesetze fürgeschrieben. Carl veränderte
hierunter zwar nichts; da er aber dem Handel und sei-
ner Cammer zum Vortheil die Armen zu sehr begün-
stigte, und aus ihnen Städte (c) und Dörfer bevölker-
te; da der Fränkische- oder Reichs-Münz-fuß allmäh-
lig das sächsische Geld-ideal (d) verdrang, und der Fall
dieses Münz-fusses jene Strafen unkräftig machte;
und überhaupt das Vermögen eines Menschen nicht
mehr nach seinen Besitzungen geschätzt werden konnte:
so muste auch dieses feine System der Sachsen, wel-
ches billig noch unsre Bewundrung verdient, der Zeit
und den Umständen weichen. Man ermächtigte sich
bald, dasjenige einem geringen Land-eigenthümer zu
verbieten, was man den geldreichsten Manne nach
Gefallen verbieten konnte.

(a) Man sollte glauben in einem Gesetze gegen Diebe wäre
dieses wenigstens überflüssig gewesen. Aber nein. Es
heißt in LL. FRIS. Si nobilis furtum dicitur perpetrasse --
Si liber furti arguatur -- Si litus - Si servus
-- Und die
Strafe wird mit jedem Stande in Verhältnis gesetzt.
Wem würde heut zu Tage eine solche feine Unterschei-
dung einfallen? Wem würde sie nöthig scheinen? Wie
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vierte Abtheilunge.
und der Wehr ein Geſetz fuͤr Leute gemacht; oder daß
eine Sache dem einen und nicht auch zugleich dem an-
dern Stande (a) verboten worden. Alles ward mit
Gelde beſtraft; und der einzige Unterſchied war in der
Summe; wo der Edle ſechzig Schillinge (b) gab, be-
zahlte der Wehr dreyßig und der Leut funfzehn. Blos
Armen, Fremden und Knechten, wurden ohne ihre
Einwilligung Geſetze fuͤrgeſchrieben. Carl veraͤnderte
hierunter zwar nichts; da er aber dem Handel und ſei-
ner Cammer zum Vortheil die Armen zu ſehr beguͤn-
ſtigte, und aus ihnen Staͤdte (c) und Doͤrfer bevoͤlker-
te; da der Fraͤnkiſche- oder Reichs-Muͤnz-fuß allmaͤh-
lig das ſaͤchſiſche Geld-ideal (d) verdrang, und der Fall
dieſes Muͤnz-fuſſes jene Strafen unkraͤftig machte;
und uͤberhaupt das Vermoͤgen eines Menſchen nicht
mehr nach ſeinen Beſitzungen geſchaͤtzt werden konnte:
ſo muſte auch dieſes feine Syſtem der Sachſen, wel-
ches billig noch unſre Bewundrung verdient, der Zeit
und den Umſtaͤnden weichen. Man ermaͤchtigte ſich
bald, dasjenige einem geringen Land-eigenthuͤmer zu
verbieten, was man den geldreichſten Manne nach
Gefallen verbieten konnte.

(a) Man ſollte glauben in einem Geſetze gegen Diebe waͤre
dieſes wenigſtens uͤberfluͤſſig geweſen. Aber nein. Es
heißt in LL. FRIS. Si nobilis furtum dicitur perpetraſſe --
Si liber furti arguatur -- Si litus - Si ſervus
-- Und die
Strafe wird mit jedem Stande in Verhaͤltnis geſetzt.
Wem wuͤrde heut zu Tage eine ſolche feine Unterſchei-
dung einfallen? Wem wuͤrde ſie noͤthig ſcheinen? Wie
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[309/0339] vierte Abtheilunge. und der Wehr ein Geſetz fuͤr Leute gemacht; oder daß eine Sache dem einen und nicht auch zugleich dem an- dern Stande ⁽a⁾ verboten worden. Alles ward mit Gelde beſtraft; und der einzige Unterſchied war in der Summe; wo der Edle ſechzig Schillinge ⁽b⁾ gab, be- zahlte der Wehr dreyßig und der Leut funfzehn. Blos Armen, Fremden und Knechten, wurden ohne ihre Einwilligung Geſetze fuͤrgeſchrieben. Carl veraͤnderte hierunter zwar nichts; da er aber dem Handel und ſei- ner Cammer zum Vortheil die Armen zu ſehr beguͤn- ſtigte, und aus ihnen Staͤdte ⁽c⁾ und Doͤrfer bevoͤlker- te; da der Fraͤnkiſche- oder Reichs-Muͤnz-fuß allmaͤh- lig das ſaͤchſiſche Geld-ideal ⁽d⁾ verdrang, und der Fall dieſes Muͤnz-fuſſes jene Strafen unkraͤftig machte; und uͤberhaupt das Vermoͤgen eines Menſchen nicht mehr nach ſeinen Beſitzungen geſchaͤtzt werden konnte: ſo muſte auch dieſes feine Syſtem der Sachſen, wel- ches billig noch unſre Bewundrung verdient, der Zeit und den Umſtaͤnden weichen. Man ermaͤchtigte ſich bald, dasjenige einem geringen Land-eigenthuͤmer zu verbieten, was man den geldreichſten Manne nach Gefallen verbieten konnte. ⁽a⁾ Man ſollte glauben in einem Geſetze gegen Diebe waͤre dieſes wenigſtens uͤberfluͤſſig geweſen. Aber nein. Es heißt in LL. FRIS. Si nobilis furtum dicitur perpetraſſe -- Si liber furti arguatur -- Si litus - Si ſervus -- Und die Strafe wird mit jedem Stande in Verhaͤltnis geſetzt. Wem wuͤrde heut zu Tage eine ſolche feine Unterſchei- dung einfallen? Wem wuͤrde ſie noͤthig ſcheinen? Wie oft U 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/339>, abgerufen am 21.11.2024.