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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Osnabrücksche Geschichte
duldeten keine geschriebene Gesetze, und überall wo
dergleichen eingeführet wurden, geschahe es von O-
brigkeiten welche die Gesetzgebende Macht des Volks
untergraben wollten. (d) Denn so bald ein Richter
die Gesetze und nachwärts die Rechtweisungen und
Auslegungen in einem Buche hatte: so fragte er nicht
das Volk, sondern sein Buch und zuletzt fremde
Ausleger und Rechte. Das Archiv der Gesetze war
in dem Gedächtnis aller Männer. (e) Die Markge-
nossen haben sich allein bey diesem Rechte erhalten;
weil das Märker-Recht nie beschrieben und durch das
Römische nicht ist ersetzet worden.

(a) Die ganze alte Rechtsgelehrsamkeit schien keinen wichti-
gern Gegenstaud zu haben. Si pollex abscindatur XX Sol.
Si pollicis unguis abscindatur III Solidis emendetur. Si quis
indicem digitum VIII Sol. &c. LL. Aethelst.
beym WILK.
p.
5. Und man findet dergleichen fast in jeder alten
Dorf-Ordnung. S. LL. Burg. tit. XI. §. 48. LL. Baj.
tit. 3. c. I. LL. Rip. tit. 1. 2. LL. Fris. tit. 22. L. Sal.
tit. 19. &c.
Man lacht jetzt über dergleichen alte Gesetze;
und läßt sich dafür von jeder Obrigkeit als ein Knecht
nach Willkühr strafen. Es wird aber kein Land seyn,
worinn sich nicht noch eine gewisse Brüchten-Taxe fin-
det; so daß z. E. eine Ohrfeige, ein Schlag etc. seine
gewisse feststehende Geldstrafe hat; welche ein Beamter
nicht verhöhen soll. S. von ungewöhnlichen
Brüchten in den Bischofl. Osn. Capit. beym KRESS. in
app. p. 3. Ss.
Das Geschichtgen von der Ohrfeigen-
Taxe zu Rom, da einer für 25 Asses allen Leuten ins
Gesichte schlug, beweiset das Alterthum dieser Taxe;
und auch wiederum dieses, daß dasjenige was bey ein-
zelnen Wohnern gut ist, sich in der bürgerlichen Gesell-
schaft nicht schickt.
(b) Der Schatten des damaligen Richterlichen Amts zeigt

Oſnabruͤckſche Geſchichte
duldeten keine geſchriebene Geſetze, und uͤberall wo
dergleichen eingefuͤhret wurden, geſchahe es von O-
brigkeiten welche die Geſetzgebende Macht des Volks
untergraben wollten. (d) Denn ſo bald ein Richter
die Geſetze und nachwaͤrts die Rechtweiſungen und
Auslegungen in einem Buche hatte: ſo fragte er nicht
das Volk, ſondern ſein Buch und zuletzt fremde
Ausleger und Rechte. Das Archiv der Geſetze war
in dem Gedaͤchtnis aller Maͤnner. (e) Die Markge-
noſſen haben ſich allein bey dieſem Rechte erhalten;
weil das Maͤrker-Recht nie beſchrieben und durch das
Roͤmiſche nicht iſt erſetzet worden.

(a) Die ganze alte Rechtsgelehrſamkeit ſchien keinen wichti-
gern Gegenſtaud zu haben. Si pollex abſcindatur XX Sol.
Si pollicis unguis abſcindatur III Solidis emendetur. Si quis
indicem digitum VIII Sol. &c. LL. Aethelſt.
beym WILK.
p.
5. Und man findet dergleichen faſt in jeder alten
Dorf-Ordnung. S. LL. Burg. tit. XI. §. 48. LL. Baj.
tit. 3. c. I. LL. Rip. tit. 1. 2. LL. Friſ. tit. 22. L. Sal.
tit. 19. &c.
Man lacht jetzt uͤber dergleichen alte Geſetze;
und laͤßt ſich dafuͤr von jeder Obrigkeit als ein Knecht
nach Willkuͤhr ſtrafen. Es wird aber kein Land ſeyn,
worinn ſich nicht noch eine gewiſſe Bruͤchten-Taxe fin-
det; ſo daß z. E. eine Ohrfeige, ein Schlag ꝛc. ſeine
gewiſſe feſtſtehende Geldſtrafe hat; welche ein Beamter
nicht verhoͤhen ſoll. S. von ungewoͤhnlichen
Bruͤchten in den Biſchofl. Oſn. Capit. beym KRESS. in
app. p. 3. Ss.
Das Geſchichtgen von der Ohrfeigen-
Taxe zu Rom, da einer fuͤr 25 Aſſes allen Leuten ins
Geſichte ſchlug, beweiſet das Alterthum dieſer Taxe;
und auch wiederum dieſes, daß dasjenige was bey ein-
zelnen Wohnern gut iſt, ſich in der buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft nicht ſchickt.
(b) Der Schatten des damaligen Richterlichen Amts zeigt
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[42/0072] Oſnabruͤckſche Geſchichte duldeten keine geſchriebene Geſetze, und uͤberall wo dergleichen eingefuͤhret wurden, geſchahe es von O- brigkeiten welche die Geſetzgebende Macht des Volks untergraben wollten. ⁽d⁾ Denn ſo bald ein Richter die Geſetze und nachwaͤrts die Rechtweiſungen und Auslegungen in einem Buche hatte: ſo fragte er nicht das Volk, ſondern ſein Buch und zuletzt fremde Ausleger und Rechte. Das Archiv der Geſetze war in dem Gedaͤchtnis aller Maͤnner. ⁽e⁾ Die Markge- noſſen haben ſich allein bey dieſem Rechte erhalten; weil das Maͤrker-Recht nie beſchrieben und durch das Roͤmiſche nicht iſt erſetzet worden. ⁽a⁾ Die ganze alte Rechtsgelehrſamkeit ſchien keinen wichti- gern Gegenſtaud zu haben. Si pollex abſcindatur XX Sol. Si pollicis unguis abſcindatur III Solidis emendetur. Si quis indicem digitum VIII Sol. &c. LL. Aethelſt. beym WILK. p. 5. Und man findet dergleichen faſt in jeder alten Dorf-Ordnung. S. LL. Burg. tit. XI. §. 48. LL. Baj. tit. 3. c. I. LL. Rip. tit. 1. 2. LL. Friſ. tit. 22. L. Sal. tit. 19. &c. Man lacht jetzt uͤber dergleichen alte Geſetze; und laͤßt ſich dafuͤr von jeder Obrigkeit als ein Knecht nach Willkuͤhr ſtrafen. Es wird aber kein Land ſeyn, worinn ſich nicht noch eine gewiſſe Bruͤchten-Taxe fin- det; ſo daß z. E. eine Ohrfeige, ein Schlag ꝛc. ſeine gewiſſe feſtſtehende Geldſtrafe hat; welche ein Beamter nicht verhoͤhen ſoll. S. von ungewoͤhnlichen Bruͤchten in den Biſchofl. Oſn. Capit. beym KRESS. in app. p. 3. Ss. Das Geſchichtgen von der Ohrfeigen- Taxe zu Rom, da einer fuͤr 25 Aſſes allen Leuten ins Geſichte ſchlug, beweiſet das Alterthum dieſer Taxe; und auch wiederum dieſes, daß dasjenige was bey ein- zelnen Wohnern gut iſt, ſich in der buͤrgerlichen Geſell- ſchaft nicht ſchickt. ⁽b⁾ Der Schatten des damaligen Richterlichen Amts zeigt ſich

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/72>, abgerufen am 21.11.2024.