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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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erster Abschnitt.
die Geschichte des Menschen läßt nicht zweifeln, daß
Macht (b) und Würde nicht gar frühzeitig darauf
bedacht gewesen seyn sollten, ihr Gefolge immer mehr
aus edlern Theilen zu besetzen. Noth und Umstände
erforderten aber auch oftmals mindere Zärtlichkeit;
und nicht alle Zunftmäßige Krieger waren von edler
Geburt. (c) Mit dem Wort Adel verknüpfte man
lange Zeit den Begrif der Durchleuchtigkeit; (d) und
versagte daher einem, so lange er im Dienste oder von
einem Haupte beschattet war, den Tittel eines Edlen.
Dieses setzte sie in die Verlegenheit sich Edel-gebohrn
zu schreiben; um sich von andern im Gefolge, die
nicht Edel-gebohrn waren, zu unterscheiden. Jn-
zwischen und da eigentlich nur ein Adel möglich ist;
und dieser so bald er die Decke oder den Dienst ver-
läßt, in seinen angebohrnen Stand zurück tritt, wel-
ches aber nicht anders als durch die Erwerbung einer
Allode geschehen kann; scheinet es nicht, daß der
Dienst eine beständige Ungleichheit des Standes (e) wirken sollte.

(a) Zuerst wohl nur in ordine militari; so wie die Garde
oder la maison du Roy einen Vorzug vor andern Regi-
mentern hat. S. ESTOR de min. §. 289.
(b) Es heißt zwar: Liberti non multum supra servos sunt;
raro aliquod momentum in domo, nunquam in civitate ex-
ceptis dumtaxat iis gentibus quae regnantur.
Ibi enim &
super ingenuos & super nobiles ascendunt. TAC. G. c.
25.
Und die Wahrheit wird durch unsre Zeiten bestätiget.
Jnzwischen hat Montesquiou wohl gefühlt, daß der Adel
die Stütze der Monarchie sey, ob er gleich den Grund
davon nicht entdeckt; welcher darinn liegt, daß der Adel
sich ins Gefolge locken lassen, und die Wehren
unterdrücken helfen. Ein König der sein Gefolge also
E 3

erſter Abſchnitt.
die Geſchichte des Menſchen laͤßt nicht zweifeln, daß
Macht (b) und Wuͤrde nicht gar fruͤhzeitig darauf
bedacht geweſen ſeyn ſollten, ihr Gefolge immer mehr
aus edlern Theilen zu beſetzen. Noth und Umſtaͤnde
erforderten aber auch oftmals mindere Zaͤrtlichkeit;
und nicht alle Zunftmaͤßige Krieger waren von edler
Geburt. (c) Mit dem Wort Adel verknuͤpfte man
lange Zeit den Begrif der Durchleuchtigkeit; (d) und
verſagte daher einem, ſo lange er im Dienſte oder von
einem Haupte beſchattet war, den Tittel eines Edlen.
Dieſes ſetzte ſie in die Verlegenheit ſich Edel-gebohrn
zu ſchreiben; um ſich von andern im Gefolge, die
nicht Edel-gebohrn waren, zu unterſcheiden. Jn-
zwiſchen und da eigentlich nur ein Adel moͤglich iſt;
und dieſer ſo bald er die Decke oder den Dienſt ver-
laͤßt, in ſeinen angebohrnen Stand zuruͤck tritt, wel-
ches aber nicht anders als durch die Erwerbung einer
Allode geſchehen kann; ſcheinet es nicht, daß der
Dienſt eine beſtaͤndige Ungleichheit des Standes (e) wirken ſollte.

(a) Zuerſt wohl nur in ordine militari; ſo wie die Garde
oder la maiſon du Roy einen Vorzug vor andern Regi-
mentern hat. S. ESTOR de min. §. 289.
(b) Es heißt zwar: Liberti non multum ſupra ſervos ſunt;
raro aliquod momentum in domo, nunquam in civitate ex-
ceptis dumtaxat iis gentibus quæ regnantur.
Ibi enim &
ſuper ingenuos & ſuper nobiles aſcendunt. TAC. G. c.
25.
Und die Wahrheit wird durch unſre Zeiten beſtaͤtiget.
Jnzwiſchen hat Monteſquiou wohl gefuͤhlt, daß der Adel
die Stuͤtze der Monarchie ſey, ob er gleich den Grund
davon nicht entdeckt; welcher darinn liegt, daß der Adel
ſich ins Gefolge locken laſſen, und die Wehren
unterdruͤcken helfen. Ein Koͤnig der ſein Gefolge alſo
E 3
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[69/0099] erſter Abſchnitt. die Geſchichte des Menſchen laͤßt nicht zweifeln, daß Macht ⁽b⁾ und Wuͤrde nicht gar fruͤhzeitig darauf bedacht geweſen ſeyn ſollten, ihr Gefolge immer mehr aus edlern Theilen zu beſetzen. Noth und Umſtaͤnde erforderten aber auch oftmals mindere Zaͤrtlichkeit; und nicht alle Zunftmaͤßige Krieger waren von edler Geburt. ⁽c⁾ Mit dem Wort Adel verknuͤpfte man lange Zeit den Begrif der Durchleuchtigkeit; ⁽d⁾ und verſagte daher einem, ſo lange er im Dienſte oder von einem Haupte beſchattet war, den Tittel eines Edlen. Dieſes ſetzte ſie in die Verlegenheit ſich Edel-gebohrn zu ſchreiben; um ſich von andern im Gefolge, die nicht Edel-gebohrn waren, zu unterſcheiden. Jn- zwiſchen und da eigentlich nur ein Adel moͤglich iſt; und dieſer ſo bald er die Decke oder den Dienſt ver- laͤßt, in ſeinen angebohrnen Stand zuruͤck tritt, wel- ches aber nicht anders als durch die Erwerbung einer Allode geſchehen kann; ſcheinet es nicht, daß der Dienſt eine beſtaͤndige Ungleichheit des Standes ⁽e⁾ wirken ſollte. ⁽a⁾ Zuerſt wohl nur in ordine militari; ſo wie die Garde oder la maiſon du Roy einen Vorzug vor andern Regi- mentern hat. S. ESTOR de min. §. 289. ⁽b⁾ Es heißt zwar: Liberti non multum ſupra ſervos ſunt; raro aliquod momentum in domo, nunquam in civitate ex- ceptis dumtaxat iis gentibus quæ regnantur. Ibi enim & ſuper ingenuos & ſuper nobiles aſcendunt. TAC. G. c. 25. Und die Wahrheit wird durch unſre Zeiten beſtaͤtiget. Jnzwiſchen hat Monteſquiou wohl gefuͤhlt, daß der Adel die Stuͤtze der Monarchie ſey, ob er gleich den Grund davon nicht entdeckt; welcher darinn liegt, daß der Adel ſich ins Gefolge locken laſſen, und die Wehren unterdruͤcken helfen. Ein Koͤnig der ſein Gefolge alſo nicht E 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/99>, abgerufen am 21.11.2024.