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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die Frage: Ist es gut, daß die Unterthan.
thig hat; seitdem die Landesherrn ihre Naturalgefälle in
Geld verwandelt haben, und der Edelmann diesem Exempel
gefolget ist; seitdem endlich tausend vorhin entbehrte Reitzun-
gen der Wollust und Bequemlichkeit den Fremden baar bezah-
let werden müssen, haben sich die Grundsätze in diesem Stücke
so geändert, daß man jene Verordnung lächerlich findet. Jezt
wohnen nicht eine, sondern vier Partheyen in Nebenhäusern,
welche in die quer durchgesetzt sind, und wovon jede Parthey
eine Seite hat. Man mag immerhin sagen: Die Heuerleute
beschweren nur die gemeinen Weiden, bestehlen die Holzun-
gen, und zeugen Bettler oder Diebe. So lange die Theu-
rung der Landpreise im Ganzen ein Vortheil vor Zeiten ist,
worinn alles auf Geld ankömmt: so sind jene Zufälle nur
Flecken, die von der prächtigen Höhe kaum gesehen werden
müssen, und durch gute Verordnungen gehoben werden
können.

Jedoch die wichtigste Betrachtung verdienet Garn und
Linnen. Schwerlich kann ein Mensch sich mit Spinnen er-
nähren. Spinnen ist die armseligste Beschäftigung; und
kann nur in so weit vortheilhaft seyn, als es zur Ausfüllung
der in einem Haushalt überschiessenden Stunden gebraucht
wird. Hätten wir nun keine Leute die im Sommer nach Hol-
land giengen; so würden diese auch den Winter nicht spinnen
können. Wir würden auch ihre Weiber und Kinder nicht
beym Rade haben. Es würde also vielleicht nicht die Hälfte
des Linnens im Stifte gemacht werden, was aus demselben
jetzt verführet wird.

Der scheinbarste Einwurf unter allen, welcher gegen
das Hollandsgehen gemacht wird, ist die Theurung des Ge-
sindes. Ich will diesen Einwurf mit den Worten vortragen,
womit er in der Landtags-Proposition vom Jahr 1608. vor-
getragen ist, um dabey zu erinnern, daß unsre Vorfahren

sich

Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthan.
thig hat; ſeitdem die Landesherrn ihre Naturalgefaͤlle in
Geld verwandelt haben, und der Edelmann dieſem Exempel
gefolget iſt; ſeitdem endlich tauſend vorhin entbehrte Reitzun-
gen der Wolluſt und Bequemlichkeit den Fremden baar bezah-
let werden muͤſſen, haben ſich die Grundſaͤtze in dieſem Stuͤcke
ſo geaͤndert, daß man jene Verordnung laͤcherlich findet. Jezt
wohnen nicht eine, ſondern vier Partheyen in Nebenhaͤuſern,
welche in die quer durchgeſetzt ſind, und wovon jede Parthey
eine Seite hat. Man mag immerhin ſagen: Die Heuerleute
beſchweren nur die gemeinen Weiden, beſtehlen die Holzun-
gen, und zeugen Bettler oder Diebe. So lange die Theu-
rung der Landpreiſe im Ganzen ein Vortheil vor Zeiten iſt,
worinn alles auf Geld ankoͤmmt: ſo ſind jene Zufaͤlle nur
Flecken, die von der praͤchtigen Hoͤhe kaum geſehen werden
muͤſſen, und durch gute Verordnungen gehoben werden
koͤnnen.

Jedoch die wichtigſte Betrachtung verdienet Garn und
Linnen. Schwerlich kann ein Menſch ſich mit Spinnen er-
naͤhren. Spinnen iſt die armſeligſte Beſchaͤftigung; und
kann nur in ſo weit vortheilhaft ſeyn, als es zur Ausfuͤllung
der in einem Haushalt uͤberſchieſſenden Stunden gebraucht
wird. Haͤtten wir nun keine Leute die im Sommer nach Hol-
land giengen; ſo wuͤrden dieſe auch den Winter nicht ſpinnen
koͤnnen. Wir wuͤrden auch ihre Weiber und Kinder nicht
beym Rade haben. Es wuͤrde alſo vielleicht nicht die Haͤlfte
des Linnens im Stifte gemacht werden, was aus demſelben
jetzt verfuͤhret wird.

Der ſcheinbarſte Einwurf unter allen, welcher gegen
das Hollandsgehen gemacht wird, iſt die Theurung des Ge-
ſindes. Ich will dieſen Einwurf mit den Worten vortragen,
womit er in der Landtags-Propoſition vom Jahr 1608. vor-
getragen iſt, um dabey zu erinnern, daß unſre Vorfahren

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[100/0118] Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthan. thig hat; ſeitdem die Landesherrn ihre Naturalgefaͤlle in Geld verwandelt haben, und der Edelmann dieſem Exempel gefolget iſt; ſeitdem endlich tauſend vorhin entbehrte Reitzun- gen der Wolluſt und Bequemlichkeit den Fremden baar bezah- let werden muͤſſen, haben ſich die Grundſaͤtze in dieſem Stuͤcke ſo geaͤndert, daß man jene Verordnung laͤcherlich findet. Jezt wohnen nicht eine, ſondern vier Partheyen in Nebenhaͤuſern, welche in die quer durchgeſetzt ſind, und wovon jede Parthey eine Seite hat. Man mag immerhin ſagen: Die Heuerleute beſchweren nur die gemeinen Weiden, beſtehlen die Holzun- gen, und zeugen Bettler oder Diebe. So lange die Theu- rung der Landpreiſe im Ganzen ein Vortheil vor Zeiten iſt, worinn alles auf Geld ankoͤmmt: ſo ſind jene Zufaͤlle nur Flecken, die von der praͤchtigen Hoͤhe kaum geſehen werden muͤſſen, und durch gute Verordnungen gehoben werden koͤnnen. Jedoch die wichtigſte Betrachtung verdienet Garn und Linnen. Schwerlich kann ein Menſch ſich mit Spinnen er- naͤhren. Spinnen iſt die armſeligſte Beſchaͤftigung; und kann nur in ſo weit vortheilhaft ſeyn, als es zur Ausfuͤllung der in einem Haushalt uͤberſchieſſenden Stunden gebraucht wird. Haͤtten wir nun keine Leute die im Sommer nach Hol- land giengen; ſo wuͤrden dieſe auch den Winter nicht ſpinnen koͤnnen. Wir wuͤrden auch ihre Weiber und Kinder nicht beym Rade haben. Es wuͤrde alſo vielleicht nicht die Haͤlfte des Linnens im Stifte gemacht werden, was aus demſelben jetzt verfuͤhret wird. Der ſcheinbarſte Einwurf unter allen, welcher gegen das Hollandsgehen gemacht wird, iſt die Theurung des Ge- ſindes. Ich will dieſen Einwurf mit den Worten vortragen, womit er in der Landtags-Propoſition vom Jahr 1608. vor- getragen iſt, um dabey zu erinnern, daß unſre Vorfahren ſich

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/118>, abgerufen am 21.11.2024.