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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die Frage: Ist es gut, daß die Unterthan.

Damals hielte man es also dem Lande so gar nachtheilig, daß
die Leute, welche nach Friesland, (worunter das jetzige West-
Friesland und Holland verstanden ist) giengen, des Winters
zurücke kamen, und das Korn, über dessen Wohlfeiligkeit
doch geklagt wird, für ihr erworbenes Geld, verzehren hal-
fen. Man suchte durch Erschwerung der Heyrathen; durch
Verminderung der Anbauer und durch Einschränkung des Er-
werbs wohlfeiles Gesinde zu erhalten. Jetzt aber wünscht
man viele Mitesser zum Korn, um gute Preise; viele Heuer-
leute, um theures Land, und viele Menschen, um desto leich-
ter Gesinde zu haben. Schade vor beyde Grundsätze, daß
das Land kein Sack ist, worinn man die unangesessene
Heuerleute nach seinen Gefallen schütteln kann. Wie wei-
land Ihro Churfürstl. Durchl. Ernst August der Erste das
Hollandsgehen zum Vortheil der Werbung einschränkten,
beschwerten sich unterm 19 Febr. 1671. die Stiftsstände:

Daß wegen der Hollandsgänger, so vor diesem viel Geld
ins Stift geholet, itzt dem Lande viele tausend abgiengen,
indem selbige sich erst bey den Amthäusern melden müßten,
weil die Leute bey vorgehenden Zwang zur Werbung sich
befürchteten, daß sie beym Kopf genommen würden.

Hier war der Sack zugeknüpft; und man war auch nicht zu-
frieden. Die Klage in den alten Zeiten war indes noch ge-
gründeter als jezt. Damals gieng es dem Land-Eigenthümer,
wie jetzt dem Menschen überhaupt. Dieser glaubt alle Sterne
und Thiere seyn blos um seinetwillen erschaffen; und der
Land-Eigenthümer behauptete, vielleicht gar nicht mit Un-
recht, er sey der Mann um dessentwillen ein Regent und
Staat zuerst entrichtet worden. Jetzt sind alle Menschen
um des Regenten willen in der Welt, und wann diesem die
Menge von Köpfen zu seiner Größe dienlich ist: so ist es bes-

ser,
Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthan.

Damals hielte man es alſo dem Lande ſo gar nachtheilig, daß
die Leute, welche nach Friesland, (worunter das jetzige Weſt-
Friesland und Holland verſtanden iſt) giengen, des Winters
zuruͤcke kamen, und das Korn, uͤber deſſen Wohlfeiligkeit
doch geklagt wird, fuͤr ihr erworbenes Geld, verzehren hal-
fen. Man ſuchte durch Erſchwerung der Heyrathen; durch
Verminderung der Anbauer und durch Einſchraͤnkung des Er-
werbs wohlfeiles Geſinde zu erhalten. Jetzt aber wuͤnſcht
man viele Miteſſer zum Korn, um gute Preiſe; viele Heuer-
leute, um theures Land, und viele Menſchen, um deſto leich-
ter Geſinde zu haben. Schade vor beyde Grundſaͤtze, daß
das Land kein Sack iſt, worinn man die unangeſeſſene
Heuerleute nach ſeinen Gefallen ſchuͤtteln kann. Wie wei-
land Ihro Churfuͤrſtl. Durchl. Ernſt Auguſt der Erſte das
Hollandsgehen zum Vortheil der Werbung einſchraͤnkten,
beſchwerten ſich unterm 19 Febr. 1671. die Stiftsſtaͤnde:

Daß wegen der Hollandsgaͤnger, ſo vor dieſem viel Geld
ins Stift geholet, itzt dem Lande viele tauſend abgiengen,
indem ſelbige ſich erſt bey den Amthaͤuſern melden muͤßten,
weil die Leute bey vorgehenden Zwang zur Werbung ſich
befuͤrchteten, daß ſie beym Kopf genommen wuͤrden.

Hier war der Sack zugeknuͤpft; und man war auch nicht zu-
frieden. Die Klage in den alten Zeiten war indes noch ge-
gruͤndeter als jezt. Damals gieng es dem Land-Eigenthuͤmer,
wie jetzt dem Menſchen uͤberhaupt. Dieſer glaubt alle Sterne
und Thiere ſeyn blos um ſeinetwillen erſchaffen; und der
Land-Eigenthuͤmer behauptete, vielleicht gar nicht mit Un-
recht, er ſey der Mann um deſſentwillen ein Regent und
Staat zuerſt entrichtet worden. Jetzt ſind alle Menſchen
um des Regenten willen in der Welt, und wann dieſem die
Menge von Koͤpfen zu ſeiner Groͤße dienlich iſt: ſo iſt es beſ-

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[102/0120] Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthan. Damals hielte man es alſo dem Lande ſo gar nachtheilig, daß die Leute, welche nach Friesland, (worunter das jetzige Weſt- Friesland und Holland verſtanden iſt) giengen, des Winters zuruͤcke kamen, und das Korn, uͤber deſſen Wohlfeiligkeit doch geklagt wird, fuͤr ihr erworbenes Geld, verzehren hal- fen. Man ſuchte durch Erſchwerung der Heyrathen; durch Verminderung der Anbauer und durch Einſchraͤnkung des Er- werbs wohlfeiles Geſinde zu erhalten. Jetzt aber wuͤnſcht man viele Miteſſer zum Korn, um gute Preiſe; viele Heuer- leute, um theures Land, und viele Menſchen, um deſto leich- ter Geſinde zu haben. Schade vor beyde Grundſaͤtze, daß das Land kein Sack iſt, worinn man die unangeſeſſene Heuerleute nach ſeinen Gefallen ſchuͤtteln kann. Wie wei- land Ihro Churfuͤrſtl. Durchl. Ernſt Auguſt der Erſte das Hollandsgehen zum Vortheil der Werbung einſchraͤnkten, beſchwerten ſich unterm 19 Febr. 1671. die Stiftsſtaͤnde: Daß wegen der Hollandsgaͤnger, ſo vor dieſem viel Geld ins Stift geholet, itzt dem Lande viele tauſend abgiengen, indem ſelbige ſich erſt bey den Amthaͤuſern melden muͤßten, weil die Leute bey vorgehenden Zwang zur Werbung ſich befuͤrchteten, daß ſie beym Kopf genommen wuͤrden. Hier war der Sack zugeknuͤpft; und man war auch nicht zu- frieden. Die Klage in den alten Zeiten war indes noch ge- gruͤndeter als jezt. Damals gieng es dem Land-Eigenthuͤmer, wie jetzt dem Menſchen uͤberhaupt. Dieſer glaubt alle Sterne und Thiere ſeyn blos um ſeinetwillen erſchaffen; und der Land-Eigenthuͤmer behauptete, vielleicht gar nicht mit Un- recht, er ſey der Mann um deſſentwillen ein Regent und Staat zuerſt entrichtet worden. Jetzt ſind alle Menſchen um des Regenten willen in der Welt, und wann dieſem die Menge von Koͤpfen zu ſeiner Groͤße dienlich iſt: ſo iſt es beſ- ſer,

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/120>, abgerufen am 24.11.2024.