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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die Frage: Ist es gut, daß die Unterthan.
ihrem Stande unangesessene freye Leute zu geben: so anstän-
dig ist es doch in den neuern Zeiten geworden; und wenn die
Gutsherrn, so wie der Eingang gemacht ist, fortfahren den
Stand des Leibeigenthums immermehr einzuschränken, zu er-
niedrigen und zu beschimpfen: so dürfte sich bald der freye
Heuersmann zu vornehm halten, sich oder sein Kind auf ein
Erbe zu bringen. Was ist aber der erste Grund des Ver-
mögens der Heuerleute? Sicher das Hollandsgehen, als
wodurch sie zur Einsicht, Unternehmung und Handlung ge-
langen. Wie manches Vermögen, wie manche Erbschfat ist
nicht überdem aus Holland und Ostindien in hiesiges Stift
gekommen? Und wie mancher, der sich in Holland glücklich
niedergelassen, hat von dorther seine arme Verwandte unter-
stützt, oder ihnen Mittel und Wege zum Erwerb geöfnet?

Daß in hiesigem Stifte überhaupt der Ackerbau ver-
nachläßiget werde, glaube ich nicht, und daß das Hollands-
gehen daran Schuld sey, noch weniger. Fremde geben den
hiesigen Einwohnern, welche gute Wirthe sind, das Zeugniß
einer guten Acker-Bestellung; und da die Länderey im höchsten
Preise stehet: so darf man eine bessere Vermuthung fassen.
Ich habe 56 Quadrat-Ruthen, worauf noch erst einige hun-
dert Fuder Plaggen gebracht werden mußten, ehe sie urbar
gemacht werden konnten, und welche die Markgenossen nicht
an den Meistbietenden, sondern an die unter ihnen wohnende
geringe Kötter aus der Gemeinheit überliessen, mit hundert
Thaler freudig bezahlen sehen; und fasse daher gute Gedanken
von ihrem Fleiße, ohne mich durch die schlechte Wirthschaft
einiger der Faulheit, und der Ueppigkeit ergebenen andern
irren zu lassen. Wenn der Landbauer selbst nach Holland
gienge: so würde es zum Schaden des Ackerbaues gereichen.
Dies aber geschiehet hier im Stifte nicht, außer wenn der
Landbauer, um sich aus seinen Schulden zu retten, sein Erbe

Meist-

Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthan.
ihrem Stande unangeſeſſene freye Leute zu geben: ſo anſtaͤn-
dig iſt es doch in den neuern Zeiten geworden; und wenn die
Gutsherrn, ſo wie der Eingang gemacht iſt, fortfahren den
Stand des Leibeigenthums immermehr einzuſchraͤnken, zu er-
niedrigen und zu beſchimpfen: ſo duͤrfte ſich bald der freye
Heuersmann zu vornehm halten, ſich oder ſein Kind auf ein
Erbe zu bringen. Was iſt aber der erſte Grund des Ver-
moͤgens der Heuerleute? Sicher das Hollandsgehen, als
wodurch ſie zur Einſicht, Unternehmung und Handlung ge-
langen. Wie manches Vermoͤgen, wie manche Erbſchfat iſt
nicht uͤberdem aus Holland und Oſtindien in hieſiges Stift
gekommen? Und wie mancher, der ſich in Holland gluͤcklich
niedergelaſſen, hat von dorther ſeine arme Verwandte unter-
ſtuͤtzt, oder ihnen Mittel und Wege zum Erwerb geoͤfnet?

Daß in hieſigem Stifte uͤberhaupt der Ackerbau ver-
nachlaͤßiget werde, glaube ich nicht, und daß das Hollands-
gehen daran Schuld ſey, noch weniger. Fremde geben den
hieſigen Einwohnern, welche gute Wirthe ſind, das Zeugniß
einer guten Acker-Beſtellung; und da die Laͤnderey im hoͤchſten
Preiſe ſtehet: ſo darf man eine beſſere Vermuthung faſſen.
Ich habe 56 Quadrat-Ruthen, worauf noch erſt einige hun-
dert Fuder Plaggen gebracht werden mußten, ehe ſie urbar
gemacht werden konnten, und welche die Markgenoſſen nicht
an den Meiſtbietenden, ſondern an die unter ihnen wohnende
geringe Koͤtter aus der Gemeinheit uͤberlieſſen, mit hundert
Thaler freudig bezahlen ſehen; und faſſe daher gute Gedanken
von ihrem Fleiße, ohne mich durch die ſchlechte Wirthſchaft
einiger der Faulheit, und der Ueppigkeit ergebenen andern
irren zu laſſen. Wenn der Landbauer ſelbſt nach Holland
gienge: ſo wuͤrde es zum Schaden des Ackerbaues gereichen.
Dies aber geſchiehet hier im Stifte nicht, außer wenn der
Landbauer, um ſich aus ſeinen Schulden zu retten, ſein Erbe

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[106/0124] Die Frage: Iſt es gut, daß die Unterthan. ihrem Stande unangeſeſſene freye Leute zu geben: ſo anſtaͤn- dig iſt es doch in den neuern Zeiten geworden; und wenn die Gutsherrn, ſo wie der Eingang gemacht iſt, fortfahren den Stand des Leibeigenthums immermehr einzuſchraͤnken, zu er- niedrigen und zu beſchimpfen: ſo duͤrfte ſich bald der freye Heuersmann zu vornehm halten, ſich oder ſein Kind auf ein Erbe zu bringen. Was iſt aber der erſte Grund des Ver- moͤgens der Heuerleute? Sicher das Hollandsgehen, als wodurch ſie zur Einſicht, Unternehmung und Handlung ge- langen. Wie manches Vermoͤgen, wie manche Erbſchfat iſt nicht uͤberdem aus Holland und Oſtindien in hieſiges Stift gekommen? Und wie mancher, der ſich in Holland gluͤcklich niedergelaſſen, hat von dorther ſeine arme Verwandte unter- ſtuͤtzt, oder ihnen Mittel und Wege zum Erwerb geoͤfnet? Daß in hieſigem Stifte uͤberhaupt der Ackerbau ver- nachlaͤßiget werde, glaube ich nicht, und daß das Hollands- gehen daran Schuld ſey, noch weniger. Fremde geben den hieſigen Einwohnern, welche gute Wirthe ſind, das Zeugniß einer guten Acker-Beſtellung; und da die Laͤnderey im hoͤchſten Preiſe ſtehet: ſo darf man eine beſſere Vermuthung faſſen. Ich habe 56 Quadrat-Ruthen, worauf noch erſt einige hun- dert Fuder Plaggen gebracht werden mußten, ehe ſie urbar gemacht werden konnten, und welche die Markgenoſſen nicht an den Meiſtbietenden, ſondern an die unter ihnen wohnende geringe Koͤtter aus der Gemeinheit uͤberlieſſen, mit hundert Thaler freudig bezahlen ſehen; und faſſe daher gute Gedanken von ihrem Fleiße, ohne mich durch die ſchlechte Wirthſchaft einiger der Faulheit, und der Ueppigkeit ergebenen andern irren zu laſſen. Wenn der Landbauer ſelbſt nach Holland gienge: ſo wuͤrde es zum Schaden des Ackerbaues gereichen. Dies aber geſchiehet hier im Stifte nicht, außer wenn der Landbauer, um ſich aus ſeinen Schulden zu retten, ſein Erbe Meiſt-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/124>, abgerufen am 24.11.2024.