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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die allerliebste Braut.

Jezt will ich Ihnen sagen, wie es mir damalen mit
meiner allerliebsten Braut gehet.



XXI.
Die allerliebste Braut.

Wir haben zwar in unserm letztern versprochen, die Ab-
bildung der allerliebsten Braut, welche dem Wittwer
von allen Menschen empfohlen worden, von seiner Hand zu
geben. Allein er ist so unerfahren in der feinen Sprache und
der zarten Manier, worinn dergleichen Abbildungen gezeich-
net werden müssen; er hat so wenig Empfindung und Kennt-
niß von dem jetzt üblichen Schönen; und die Art, womit er
das Ding angreift, ist so unbehülfsam, daß wir Bedenken tra-
gen, unsre Leser mit seiner extra curiösen Relation zu unterhal-
ten. Die jetzigen Schönheiten sind ohnehin so fein, so zart
und so geistig sie verfliegen, so leicht; und sind so changeant,
daß man es fast nicht wagen kann mit dem Pinsel oder der
Feder daran zu kommen, ohne etwas davon zu zerstören.
Was dem guten Manne am seltsamsten vorgekommen ist, ist
dieses, daß er keine einzige gesund angetroffen hat. Alle ha-
ben sich über eine Schwäche der Nerven, und einige über
Migraine und Wallungen beklagt. Zwey haben ihre Sinnen
dergestalt verfeinert gehabt, daß die eine von dem Schnurren
eines Rades, und die andre von dem Geruch eines kurzen
Kohls in Ohnmacht gefallen sind. Die mehrsten haben fran-
zösisch und immer die Worte tant pis und tant mieux über-
aus zierlich gesprochen. Alles ist Empfindung an ihnen ge-
wesen. Weswegen auch keine das Herz gehabt, sich zum
Säen und Pflanzen in die Merzen- und Aprillenluft zu wa-

gen.
Die allerliebſte Braut.

Jezt will ich Ihnen ſagen, wie es mir damalen mit
meiner allerliebſten Braut gehet.



XXI.
Die allerliebſte Braut.

Wir haben zwar in unſerm letztern verſprochen, die Ab-
bildung der allerliebſten Braut, welche dem Wittwer
von allen Menſchen empfohlen worden, von ſeiner Hand zu
geben. Allein er iſt ſo unerfahren in der feinen Sprache und
der zarten Manier, worinn dergleichen Abbildungen gezeich-
net werden muͤſſen; er hat ſo wenig Empfindung und Kennt-
niß von dem jetzt uͤblichen Schoͤnen; und die Art, womit er
das Ding angreift, iſt ſo unbehuͤlfſam, daß wir Bedenken tra-
gen, unſre Leſer mit ſeiner extra curioͤſen Relation zu unterhal-
ten. Die jetzigen Schoͤnheiten ſind ohnehin ſo fein, ſo zart
und ſo geiſtig ſie verfliegen, ſo leicht; und ſind ſo changeant,
daß man es faſt nicht wagen kann mit dem Pinſel oder der
Feder daran zu kommen, ohne etwas davon zu zerſtoͤren.
Was dem guten Manne am ſeltſamſten vorgekommen iſt, iſt
dieſes, daß er keine einzige geſund angetroffen hat. Alle ha-
ben ſich uͤber eine Schwaͤche der Nerven, und einige uͤber
Migraine und Wallungen beklagt. Zwey haben ihre Sinnen
dergeſtalt verfeinert gehabt, daß die eine von dem Schnurren
eines Rades, und die andre von dem Geruch eines kurzen
Kohls in Ohnmacht gefallen ſind. Die mehrſten haben fran-
zoͤſiſch und immer die Worte tant pis und tant mieux uͤber-
aus zierlich geſprochen. Alles iſt Empfindung an ihnen ge-
weſen. Weswegen auch keine das Herz gehabt, ſich zum
Saͤen und Pflanzen in die Merzen- und Aprillenluft zu wa-

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[125/0143] Die allerliebſte Braut. Jezt will ich Ihnen ſagen, wie es mir damalen mit meiner allerliebſten Braut gehet. XXI. Die allerliebſte Braut. Wir haben zwar in unſerm letztern verſprochen, die Ab- bildung der allerliebſten Braut, welche dem Wittwer von allen Menſchen empfohlen worden, von ſeiner Hand zu geben. Allein er iſt ſo unerfahren in der feinen Sprache und der zarten Manier, worinn dergleichen Abbildungen gezeich- net werden muͤſſen; er hat ſo wenig Empfindung und Kennt- niß von dem jetzt uͤblichen Schoͤnen; und die Art, womit er das Ding angreift, iſt ſo unbehuͤlfſam, daß wir Bedenken tra- gen, unſre Leſer mit ſeiner extra curioͤſen Relation zu unterhal- ten. Die jetzigen Schoͤnheiten ſind ohnehin ſo fein, ſo zart und ſo geiſtig ſie verfliegen, ſo leicht; und ſind ſo changeant, daß man es faſt nicht wagen kann mit dem Pinſel oder der Feder daran zu kommen, ohne etwas davon zu zerſtoͤren. Was dem guten Manne am ſeltſamſten vorgekommen iſt, iſt dieſes, daß er keine einzige geſund angetroffen hat. Alle ha- ben ſich uͤber eine Schwaͤche der Nerven, und einige uͤber Migraine und Wallungen beklagt. Zwey haben ihre Sinnen dergeſtalt verfeinert gehabt, daß die eine von dem Schnurren eines Rades, und die andre von dem Geruch eines kurzen Kohls in Ohnmacht gefallen ſind. Die mehrſten haben fran- zoͤſiſch und immer die Worte tant pis und tant mieux uͤber- aus zierlich geſprochen. Alles iſt Empfindung an ihnen ge- weſen. Weswegen auch keine das Herz gehabt, ſich zum Saͤen und Pflanzen in die Merzen- und Aprillenluft zu wa- gen.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/143>, abgerufen am 21.11.2024.