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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die allerliebste Braut.
gen. Einsmal ist ihm eingefallen mit ihnen von Kartoffeln
mit Senf zu reden; er hat sich aber dadurch dergestalt lächer-
lich gemacht, daß man mit ihm eine geschlagene Stunde von
nichts als dem Belisaire des Marmontels gesprochen. Die
Farbe der Nachtmütze, womit Voltaire zu Fernex bisweilen
aufs Theater springt, wenn der Kutscher den Orosmann nicht
recht spielt, ist keiner unbekannt gewesen. Allein, kaum eine
hat einen Tissot auch nur den Namen nach gekannt, oder ihm
zu sagen gewußt, wie lange ein Rockenbrey kochen müste, ehe
er gar würde. Seine Beschreibung von ihrem Auszuge ist
vollends eine ausserordentliche Karikatur. Die Worte haben
ihm hier schlechterdings gefehlt, und seine Absicht ist, sie zur
Warnung aller Freyer mit Anmerkungen in Kupfer stechen zu
lassen. Am Ende sagt er blos, daß eine Cammerjungfer mit
einem Cacadoue en Colere auf dem Kopfe, ihm die Thüre
gewiesen habe, nachdem er sich bey ihr erkundiget, ob ihre
Jungfer im vorigen Sommer auch Kohlsaamen aufgenommen
habe.

Die Vollkommenheit in der französischen Sprache muß
ihm besonders anstößig gewesen seyn, denn er thut auf die-
selbe einen recht ernsthaften Ausfall. Ist, sagt er, wenn es
uns erlaubt ist, seine Gründe recht zu verdeutschen, der aller-
mindeste Gebrauch in der Haushaltung in Küchen und Kellern
davon zu machen. Ist irgend ein Nutzen anzugeben, welcher
unsre Kinder für den Zeitverlust schadlos hält, den sie in ihren
lehrbegierigen Alter darauf verwenden müssen? Zugegeben,
daß sie ihre Erkenntnisse dadurch erweitern, die Sphäre ihrer
Zeitkürzungen dadurch ausdehnen und in allen Gesellschaften
erscheinen können, sind darum diese Erkenntnisse nützlich?
Haben wir bey einer guten Haushaltung nöthig unsre Zeitkür-
zungen aus französischen Romans zu betteln? Und ist die
Kunst in allen Gesellschaften erscheinen zu können, nicht die

ab-

Die allerliebſte Braut.
gen. Einsmal iſt ihm eingefallen mit ihnen von Kartoffeln
mit Senf zu reden; er hat ſich aber dadurch dergeſtalt laͤcher-
lich gemacht, daß man mit ihm eine geſchlagene Stunde von
nichts als dem Beliſaire des Marmontels geſprochen. Die
Farbe der Nachtmuͤtze, womit Voltaire zu Fernex bisweilen
aufs Theater ſpringt, wenn der Kutſcher den Orosmann nicht
recht ſpielt, iſt keiner unbekannt geweſen. Allein, kaum eine
hat einen Tiſſot auch nur den Namen nach gekannt, oder ihm
zu ſagen gewußt, wie lange ein Rockenbrey kochen muͤſte, ehe
er gar wuͤrde. Seine Beſchreibung von ihrem Auszuge iſt
vollends eine auſſerordentliche Karikatur. Die Worte haben
ihm hier ſchlechterdings gefehlt, und ſeine Abſicht iſt, ſie zur
Warnung aller Freyer mit Anmerkungen in Kupfer ſtechen zu
laſſen. Am Ende ſagt er blos, daß eine Cammerjungfer mit
einem Cacadoue en Colere auf dem Kopfe, ihm die Thuͤre
gewieſen habe, nachdem er ſich bey ihr erkundiget, ob ihre
Jungfer im vorigen Sommer auch Kohlſaamen aufgenommen
habe.

Die Vollkommenheit in der franzoͤſiſchen Sprache muß
ihm beſonders anſtoͤßig geweſen ſeyn, denn er thut auf die-
ſelbe einen recht ernſthaften Ausfall. Iſt, ſagt er, wenn es
uns erlaubt iſt, ſeine Gruͤnde recht zu verdeutſchen, der aller-
mindeſte Gebrauch in der Haushaltung in Kuͤchen und Kellern
davon zu machen. Iſt irgend ein Nutzen anzugeben, welcher
unſre Kinder fuͤr den Zeitverluſt ſchadlos haͤlt, den ſie in ihren
lehrbegierigen Alter darauf verwenden muͤſſen? Zugegeben,
daß ſie ihre Erkenntniſſe dadurch erweitern, die Sphaͤre ihrer
Zeitkuͤrzungen dadurch ausdehnen und in allen Geſellſchaften
erſcheinen koͤnnen, ſind darum dieſe Erkenntniſſe nuͤtzlich?
Haben wir bey einer guten Haushaltung noͤthig unſre Zeitkuͤr-
zungen aus franzoͤſiſchen Romans zu betteln? Und iſt die
Kunſt in allen Geſellſchaften erſcheinen zu koͤnnen, nicht die

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[126/0144] Die allerliebſte Braut. gen. Einsmal iſt ihm eingefallen mit ihnen von Kartoffeln mit Senf zu reden; er hat ſich aber dadurch dergeſtalt laͤcher- lich gemacht, daß man mit ihm eine geſchlagene Stunde von nichts als dem Beliſaire des Marmontels geſprochen. Die Farbe der Nachtmuͤtze, womit Voltaire zu Fernex bisweilen aufs Theater ſpringt, wenn der Kutſcher den Orosmann nicht recht ſpielt, iſt keiner unbekannt geweſen. Allein, kaum eine hat einen Tiſſot auch nur den Namen nach gekannt, oder ihm zu ſagen gewußt, wie lange ein Rockenbrey kochen muͤſte, ehe er gar wuͤrde. Seine Beſchreibung von ihrem Auszuge iſt vollends eine auſſerordentliche Karikatur. Die Worte haben ihm hier ſchlechterdings gefehlt, und ſeine Abſicht iſt, ſie zur Warnung aller Freyer mit Anmerkungen in Kupfer ſtechen zu laſſen. Am Ende ſagt er blos, daß eine Cammerjungfer mit einem Cacadoue en Colere auf dem Kopfe, ihm die Thuͤre gewieſen habe, nachdem er ſich bey ihr erkundiget, ob ihre Jungfer im vorigen Sommer auch Kohlſaamen aufgenommen habe. Die Vollkommenheit in der franzoͤſiſchen Sprache muß ihm beſonders anſtoͤßig geweſen ſeyn, denn er thut auf die- ſelbe einen recht ernſthaften Ausfall. Iſt, ſagt er, wenn es uns erlaubt iſt, ſeine Gruͤnde recht zu verdeutſchen, der aller- mindeſte Gebrauch in der Haushaltung in Kuͤchen und Kellern davon zu machen. Iſt irgend ein Nutzen anzugeben, welcher unſre Kinder fuͤr den Zeitverluſt ſchadlos haͤlt, den ſie in ihren lehrbegierigen Alter darauf verwenden muͤſſen? Zugegeben, daß ſie ihre Erkenntniſſe dadurch erweitern, die Sphaͤre ihrer Zeitkuͤrzungen dadurch ausdehnen und in allen Geſellſchaften erſcheinen koͤnnen, ſind darum dieſe Erkenntniſſe nuͤtzlich? Haben wir bey einer guten Haushaltung noͤthig unſre Zeitkuͤr- zungen aus franzoͤſiſchen Romans zu betteln? Und iſt die Kunſt in allen Geſellſchaften erſcheinen zu koͤnnen, nicht die ab-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/144>, abgerufen am 21.11.2024.