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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Gedanken über die Mittel, den übermäßigen
steuer seyn. Jene vertheydigten ihr Eigenthum; diese blos
die Ehre ihres Geschlechts. Das Recht vom Saamen Abra-
hams zu seyn, war der Grund ihrer Kriegesrolle, und das
Geschlechtsregister, woraus man sogleich ersehen mochte, wel-
che Knaben die streitbaren Jahre erreicht und welche Väter
ihre Dienstjahre überlebt hatten, ihr erstes Kataster.

Nach dieser Einrichtung konnte kein Israelire, so lange
er die Ehre seines Geschlechts oder sein Bürgerrecht behalten
wollte, sich für Knecht verkaufen, weil er sich dadurch der
Kriegesrolle entzogen haben würde. Ein Israelite hatte also
kein Eigenthum an seiner Person.

Allein auf der andern Seite hatte nun auch ein Mann,
der ausser seinen gesunden Gliedern nichts eigenes besaß, gar
keinen Credit für irgend ein Kapital. Um den üblen Folgen,
welche daher entstehen konnten, vorzubeugen, erlaubte Moses
jedem Israeliten, sich ohne Nachtheil seiner bürgerlichen Ehre,
auf 6 Jahr verkaufen, oder welches einerley ist, so viel Geld
auf seine Person borgen zu können, als er in 6 Jahren wie-
der abverdienen konnte. Damit aber hievon kein Misbrauch
gemacht, und kein Israelit sich durch Verschwendung, Träg-
heit oder Feigheit auf mehrere Jahre dem Kataster entziehen
möchte: so verordnete er zugleich, daß man demjenigen, wel-
cher länger in der Knechtschaft bleiben würde, öffentlich und
feyerlich ein Loch durch die Ohren bohren und ihn ewig für einen
Knecht halten sollte; ohne Zweifel verlohr ein solcher dadurch
zugleich sein Erbrecht und sein Name ward im Geschlechtsre-
gister getilgt. Mächtige Bewegungsgründe für eine empfind-
liche Nation, um sie auf der einen Seite von einer muth-
willigen Verschwendung ihres persönlichen Eigenthums abzu-
halten, und auf der andern Seite der Trägheit und Nieder-
trächtigkeit zu steuren, womit mancher eine ruhige Dienstbar-
keit den öffentlichen Kriegeslasten vorgezogen haben würde.

So

Gedanken uͤber die Mittel, den uͤbermaͤßigen
ſteuer ſeyn. Jene vertheydigten ihr Eigenthum; dieſe blos
die Ehre ihres Geſchlechts. Das Recht vom Saamen Abra-
hams zu ſeyn, war der Grund ihrer Kriegesrolle, und das
Geſchlechtsregiſter, woraus man ſogleich erſehen mochte, wel-
che Knaben die ſtreitbaren Jahre erreicht und welche Vaͤter
ihre Dienſtjahre uͤberlebt hatten, ihr erſtes Kataſter.

Nach dieſer Einrichtung konnte kein Iſraelire, ſo lange
er die Ehre ſeines Geſchlechts oder ſein Buͤrgerrecht behalten
wollte, ſich fuͤr Knecht verkaufen, weil er ſich dadurch der
Kriegesrolle entzogen haben wuͤrde. Ein Iſraelite hatte alſo
kein Eigenthum an ſeiner Perſon.

Allein auf der andern Seite hatte nun auch ein Mann,
der auſſer ſeinen geſunden Gliedern nichts eigenes beſaß, gar
keinen Credit fuͤr irgend ein Kapital. Um den uͤblen Folgen,
welche daher entſtehen konnten, vorzubeugen, erlaubte Moſes
jedem Iſraeliten, ſich ohne Nachtheil ſeiner buͤrgerlichen Ehre,
auf 6 Jahr verkaufen, oder welches einerley iſt, ſo viel Geld
auf ſeine Perſon borgen zu koͤnnen, als er in 6 Jahren wie-
der abverdienen konnte. Damit aber hievon kein Misbrauch
gemacht, und kein Iſraelit ſich durch Verſchwendung, Traͤg-
heit oder Feigheit auf mehrere Jahre dem Kataſter entziehen
moͤchte: ſo verordnete er zugleich, daß man demjenigen, wel-
cher laͤnger in der Knechtſchaft bleiben wuͤrde, oͤffentlich und
feyerlich ein Loch durch die Ohren bohren und ihn ewig fuͤr einen
Knecht halten ſollte; ohne Zweifel verlohr ein ſolcher dadurch
zugleich ſein Erbrecht und ſein Name ward im Geſchlechtsre-
giſter getilgt. Maͤchtige Bewegungsgruͤnde fuͤr eine empfind-
liche Nation, um ſie auf der einen Seite von einer muth-
willigen Verſchwendung ihres perſoͤnlichen Eigenthums abzu-
halten, und auf der andern Seite der Traͤgheit und Nieder-
traͤchtigkeit zu ſteuren, womit mancher eine ruhige Dienſtbar-
keit den oͤffentlichen Kriegeslaſten vorgezogen haben wuͤrde.

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[138/0156] Gedanken uͤber die Mittel, den uͤbermaͤßigen ſteuer ſeyn. Jene vertheydigten ihr Eigenthum; dieſe blos die Ehre ihres Geſchlechts. Das Recht vom Saamen Abra- hams zu ſeyn, war der Grund ihrer Kriegesrolle, und das Geſchlechtsregiſter, woraus man ſogleich erſehen mochte, wel- che Knaben die ſtreitbaren Jahre erreicht und welche Vaͤter ihre Dienſtjahre uͤberlebt hatten, ihr erſtes Kataſter. Nach dieſer Einrichtung konnte kein Iſraelire, ſo lange er die Ehre ſeines Geſchlechts oder ſein Buͤrgerrecht behalten wollte, ſich fuͤr Knecht verkaufen, weil er ſich dadurch der Kriegesrolle entzogen haben wuͤrde. Ein Iſraelite hatte alſo kein Eigenthum an ſeiner Perſon. Allein auf der andern Seite hatte nun auch ein Mann, der auſſer ſeinen geſunden Gliedern nichts eigenes beſaß, gar keinen Credit fuͤr irgend ein Kapital. Um den uͤblen Folgen, welche daher entſtehen konnten, vorzubeugen, erlaubte Moſes jedem Iſraeliten, ſich ohne Nachtheil ſeiner buͤrgerlichen Ehre, auf 6 Jahr verkaufen, oder welches einerley iſt, ſo viel Geld auf ſeine Perſon borgen zu koͤnnen, als er in 6 Jahren wie- der abverdienen konnte. Damit aber hievon kein Misbrauch gemacht, und kein Iſraelit ſich durch Verſchwendung, Traͤg- heit oder Feigheit auf mehrere Jahre dem Kataſter entziehen moͤchte: ſo verordnete er zugleich, daß man demjenigen, wel- cher laͤnger in der Knechtſchaft bleiben wuͤrde, oͤffentlich und feyerlich ein Loch durch die Ohren bohren und ihn ewig fuͤr einen Knecht halten ſollte; ohne Zweifel verlohr ein ſolcher dadurch zugleich ſein Erbrecht und ſein Name ward im Geſchlechtsre- giſter getilgt. Maͤchtige Bewegungsgruͤnde fuͤr eine empfind- liche Nation, um ſie auf der einen Seite von einer muth- willigen Verſchwendung ihres perſoͤnlichen Eigenthums abzu- halten, und auf der andern Seite der Traͤgheit und Nieder- traͤchtigkeit zu ſteuren, womit mancher eine ruhige Dienſtbar- keit den oͤffentlichen Kriegeslaſten vorgezogen haben wuͤrde. So

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/156>, abgerufen am 21.11.2024.