Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Schulden der Unterthanen zu wehren.
an Vorschuß empfangen, von ihrer Erndte wieder erstatten
mußten. Da das siebende Jahr den jezt befreyeten Knech-
ten den Armen und Fremdlingen zu statten kommen sollte:
so säeten und erndteten diese in denselben umsonst. Der Ei-
genthümer durfte sich nicht unterstehen einen Apfel von seinem
Baume, oder eine Traube von seinem Weinstocke, zu nehmen,
auch selbst nicht einmal um allen Chicanen vorzubeugen, als-
dann wann kein Knecht es nehmen wollte. Denn in diesem
Falle sollte es den wilden Thieren Preis gegeben seyn. Al-
les Ackergeräthe, Wagen, Pflug und Zugvieh stand seinen
Eigenthümern im siebenden Jahre lahm, und folglich den
Knechten gern zu Dienst. Der Dünger würde jenen nur
zur Last gefallen seyn: sie mußten ihn also nur verschenken.
Scheuren und Tennen waren natürlicher Weise leer und of-
fen. Und auf diese Weise gab das siebende Jahr, welches
vermuthlich auch zugleich nur das letztere in der gewöhnlichen
Bestellzeit war, den neuen Bürgern nicht allein die Bequem-
lichkeit, sondern auch die Mittel sich ungefehr so viel zu er-
werben, als sie gebrauchten, um sich als freye Leute und An-
fänger selbst fertig zu machen, und um nicht nöthig zu haben
noch ferner mit ihrer streitbaren Hand knechtische Dienste zu
verrichten.

So bald es einer hiernächst so weit gebracht hätte, daß
seine Gläubiger sich zu einen solchen Erlaßjahr nicht vereini-
gen könnten und wollten, müßte der bloße Mangel dieser Ver-
einigung als ein hinlänglicher Grund zur Abmeyerung oder Ab-
äusserung angesehen werden.

Ueberhaupt sollte jedes Unvermögen dem Hofe vor-
zustehen
die Entsetzung oder Abäusserung nach sich führen. Der
Hof ist eine Pfründe oder Vicarey des Staats, wovon dem
Gutsherrn die Besetzung nebst gewissen hergebrachten Dien-
sten und Pächten zusteht. Der Gutsherr vergiebt die Pfründe

unbe-
Mösers patr. Phantas. I. Th. K

Schulden der Unterthanen zu wehren.
an Vorſchuß empfangen, von ihrer Erndte wieder erſtatten
mußten. Da das ſiebende Jahr den jezt befreyeten Knech-
ten den Armen und Fremdlingen zu ſtatten kommen ſollte:
ſo ſaͤeten und erndteten dieſe in denſelben umſonſt. Der Ei-
genthuͤmer durfte ſich nicht unterſtehen einen Apfel von ſeinem
Baume, oder eine Traube von ſeinem Weinſtocke, zu nehmen,
auch ſelbſt nicht einmal um allen Chicanen vorzubeugen, als-
dann wann kein Knecht es nehmen wollte. Denn in dieſem
Falle ſollte es den wilden Thieren Preis gegeben ſeyn. Al-
les Ackergeraͤthe, Wagen, Pflug und Zugvieh ſtand ſeinen
Eigenthuͤmern im ſiebenden Jahre lahm, und folglich den
Knechten gern zu Dienſt. Der Duͤnger wuͤrde jenen nur
zur Laſt gefallen ſeyn: ſie mußten ihn alſo nur verſchenken.
Scheuren und Tennen waren natuͤrlicher Weiſe leer und of-
fen. Und auf dieſe Weiſe gab das ſiebende Jahr, welches
vermuthlich auch zugleich nur das letztere in der gewoͤhnlichen
Beſtellzeit war, den neuen Buͤrgern nicht allein die Bequem-
lichkeit, ſondern auch die Mittel ſich ungefehr ſo viel zu er-
werben, als ſie gebrauchten, um ſich als freye Leute und An-
faͤnger ſelbſt fertig zu machen, und um nicht noͤthig zu haben
noch ferner mit ihrer ſtreitbaren Hand knechtiſche Dienſte zu
verrichten.

So bald es einer hiernaͤchſt ſo weit gebracht haͤtte, daß
ſeine Glaͤubiger ſich zu einen ſolchen Erlaßjahr nicht vereini-
gen koͤnnten und wollten, muͤßte der bloße Mangel dieſer Ver-
einigung als ein hinlaͤnglicher Grund zur Abmeyerung oder Ab-
aͤuſſerung angeſehen werden.

Ueberhaupt ſollte jedes Unvermögen dem Hofe vor-
zuſtehen
die Entſetzung oder Abaͤuſſerung nach ſich fuͤhren. Der
Hof iſt eine Pfruͤnde oder Vicarey des Staats, wovon dem
Gutsherrn die Beſetzung nebſt gewiſſen hergebrachten Dien-
ſten und Paͤchten zuſteht. Der Gutsherr vergiebt die Pfruͤnde

unbe-
Möſers patr. Phantaſ. I. Th. K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="145"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schulden der Unterthanen zu wehren.</hi></fw><lb/>
an Vor&#x017F;chuß empfangen, von ihrer Erndte wieder er&#x017F;tatten<lb/>
mußten. Da das &#x017F;iebende Jahr den jezt befreyeten Knech-<lb/>
ten den Armen und Fremdlingen zu &#x017F;tatten kommen &#x017F;ollte:<lb/>
&#x017F;o &#x017F;a&#x0364;eten und erndteten die&#x017F;e in den&#x017F;elben um&#x017F;on&#x017F;t. Der Ei-<lb/>
genthu&#x0364;mer durfte &#x017F;ich nicht unter&#x017F;tehen einen Apfel von &#x017F;einem<lb/>
Baume, oder eine Traube von &#x017F;einem Wein&#x017F;tocke, zu nehmen,<lb/>
auch &#x017F;elb&#x017F;t nicht einmal um allen Chicanen vorzubeugen, als-<lb/>
dann wann kein Knecht es nehmen wollte. Denn in die&#x017F;em<lb/>
Falle &#x017F;ollte es den wilden Thieren Preis gegeben &#x017F;eyn. Al-<lb/>
les Ackergera&#x0364;the, Wagen, Pflug und Zugvieh &#x017F;tand &#x017F;einen<lb/>
Eigenthu&#x0364;mern im &#x017F;iebenden Jahre lahm, und folglich den<lb/>
Knechten gern zu Dien&#x017F;t. Der Du&#x0364;nger wu&#x0364;rde jenen nur<lb/>
zur La&#x017F;t gefallen &#x017F;eyn: &#x017F;ie mußten ihn al&#x017F;o nur ver&#x017F;chenken.<lb/>
Scheuren und Tennen waren natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e leer und of-<lb/>
fen. Und auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e gab das &#x017F;iebende Jahr, welches<lb/>
vermuthlich auch zugleich nur das letztere in der gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Be&#x017F;tellzeit war, den neuen Bu&#x0364;rgern nicht allein die Bequem-<lb/>
lichkeit, &#x017F;ondern auch die Mittel &#x017F;ich ungefehr &#x017F;o viel zu er-<lb/>
werben, als &#x017F;ie gebrauchten, um &#x017F;ich als freye Leute und An-<lb/>
fa&#x0364;nger &#x017F;elb&#x017F;t fertig zu machen, und um nicht no&#x0364;thig zu haben<lb/>
noch ferner mit ihrer &#x017F;treitbaren Hand knechti&#x017F;che Dien&#x017F;te zu<lb/>
verrichten.</p><lb/>
        <p>So bald es einer hierna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;o weit gebracht ha&#x0364;tte, daß<lb/>
&#x017F;eine Gla&#x0364;ubiger &#x017F;ich zu einen &#x017F;olchen Erlaßjahr nicht vereini-<lb/>
gen ko&#x0364;nnten und wollten, mu&#x0364;ßte der bloße Mangel die&#x017F;er Ver-<lb/>
einigung als ein hinla&#x0364;nglicher Grund zur Abmeyerung oder Ab-<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erung ange&#x017F;ehen werden.</p><lb/>
        <p>Ueberhaupt &#x017F;ollte <hi rendition="#fr">jedes Unvermögen dem Hofe vor-<lb/>
zu&#x017F;tehen</hi> die Ent&#x017F;etzung oder Aba&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erung nach &#x017F;ich fu&#x0364;hren. Der<lb/>
Hof i&#x017F;t eine Pfru&#x0364;nde oder Vicarey des Staats, wovon dem<lb/>
Gutsherrn die Be&#x017F;etzung neb&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;en hergebrachten Dien-<lb/>
&#x017F;ten und Pa&#x0364;chten zu&#x017F;teht. Der Gutsherr vergiebt die Pfru&#x0364;nde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">&#x017F;ers patr. Phanta&#x017F;.</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> K</fw><fw place="bottom" type="catch">unbe-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0163] Schulden der Unterthanen zu wehren. an Vorſchuß empfangen, von ihrer Erndte wieder erſtatten mußten. Da das ſiebende Jahr den jezt befreyeten Knech- ten den Armen und Fremdlingen zu ſtatten kommen ſollte: ſo ſaͤeten und erndteten dieſe in denſelben umſonſt. Der Ei- genthuͤmer durfte ſich nicht unterſtehen einen Apfel von ſeinem Baume, oder eine Traube von ſeinem Weinſtocke, zu nehmen, auch ſelbſt nicht einmal um allen Chicanen vorzubeugen, als- dann wann kein Knecht es nehmen wollte. Denn in dieſem Falle ſollte es den wilden Thieren Preis gegeben ſeyn. Al- les Ackergeraͤthe, Wagen, Pflug und Zugvieh ſtand ſeinen Eigenthuͤmern im ſiebenden Jahre lahm, und folglich den Knechten gern zu Dienſt. Der Duͤnger wuͤrde jenen nur zur Laſt gefallen ſeyn: ſie mußten ihn alſo nur verſchenken. Scheuren und Tennen waren natuͤrlicher Weiſe leer und of- fen. Und auf dieſe Weiſe gab das ſiebende Jahr, welches vermuthlich auch zugleich nur das letztere in der gewoͤhnlichen Beſtellzeit war, den neuen Buͤrgern nicht allein die Bequem- lichkeit, ſondern auch die Mittel ſich ungefehr ſo viel zu er- werben, als ſie gebrauchten, um ſich als freye Leute und An- faͤnger ſelbſt fertig zu machen, und um nicht noͤthig zu haben noch ferner mit ihrer ſtreitbaren Hand knechtiſche Dienſte zu verrichten. So bald es einer hiernaͤchſt ſo weit gebracht haͤtte, daß ſeine Glaͤubiger ſich zu einen ſolchen Erlaßjahr nicht vereini- gen koͤnnten und wollten, muͤßte der bloße Mangel dieſer Ver- einigung als ein hinlaͤnglicher Grund zur Abmeyerung oder Ab- aͤuſſerung angeſehen werden. Ueberhaupt ſollte jedes Unvermögen dem Hofe vor- zuſtehen die Entſetzung oder Abaͤuſſerung nach ſich fuͤhren. Der Hof iſt eine Pfruͤnde oder Vicarey des Staats, wovon dem Gutsherrn die Beſetzung nebſt gewiſſen hergebrachten Dien- ſten und Paͤchten zuſteht. Der Gutsherr vergiebt die Pfruͤnde unbe- Möſers patr. Phantaſ. I. Th. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/163
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/163>, abgerufen am 21.11.2024.