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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Der selige Vogt.
stens sehen wir nicht ab, was uns verhindern solte, das Lob
eines Vogtes in hiesigen Landen mitzutheilen, welcher zwar
für vielen Jahren bereits verstorben, aber doch auch bey den
ältesten Männern in seiner Vogtey in so guten und lebhaften
Andenken steht, daß man ihn aus ihrer Erzählung mit allen
Zügen aufs genaueste beschreiben kann. Der Ort, wo er ge-
standen, thut nichts zur Sache. Diejenigen, so ihn gekannt
haben, werden seinen Namen leicht errathen; und die ihn
nicht gekannt haben, doch allezeit wünschen, daß er der ihrige
gewesen seyn möchte.

Wir brauchen nicht anzuführen, daß er ein christlicher,
redlicher und gewissenhafter Mann gewesen. Dergleichen
allgemeine Tugenden gehören nicht hieher. Seine Amtstreue
und die Art und Weise, wie er sich in den ihm obliegenden
fürnehmsten Pflichten verhalten, ist dasjenige, was wir aus
der Abschilderung, die man uns von ihm gemacht, mit wenigen
bemerken wollen.

Wenn eine neue Landesordnung erlassen, und von ei-
nigen übertreten wurde, setzte er solche nicht so gleich zur
Strafe. Er ließ erst die Uebertreter zu sich kommen, erklärete
ihnen den Inhalt und die Absicht der Verordnung, ermahnte
sie solche in Zukunft zu beachten, und übersahe für dasmal
ihren Ungehorsam, in dem richtigen Vertrauen, es sey dem
Landesherrn mehr an einem gebesserten Unterthan als an ei-
nigen Thalern Strafgeldern gelegen. Hörte er von ihnen
Gründe, welche die Verordnung beschwerlich machten, oder
eine Einlenkung und Abänderung zu erfordern scheinen: so
untersuchte er die Sache gründlich, berichtete darüber an die
höhere Obrigkeit vollständig, und zeigte die Mittel an, wo-
durch die löbliche Absicht der Landesobrigkeit mit der mindesten
Beschwerde der Unterthanen füglicher erreichet werden
könnte.

Hat-

Der ſelige Vogt.
ſtens ſehen wir nicht ab, was uns verhindern ſolte, das Lob
eines Vogtes in hieſigen Landen mitzutheilen, welcher zwar
fuͤr vielen Jahren bereits verſtorben, aber doch auch bey den
aͤlteſten Maͤnnern in ſeiner Vogtey in ſo guten und lebhaften
Andenken ſteht, daß man ihn aus ihrer Erzaͤhlung mit allen
Zuͤgen aufs genaueſte beſchreiben kann. Der Ort, wo er ge-
ſtanden, thut nichts zur Sache. Diejenigen, ſo ihn gekannt
haben, werden ſeinen Namen leicht errathen; und die ihn
nicht gekannt haben, doch allezeit wuͤnſchen, daß er der ihrige
geweſen ſeyn moͤchte.

Wir brauchen nicht anzufuͤhren, daß er ein chriſtlicher,
redlicher und gewiſſenhafter Mann geweſen. Dergleichen
allgemeine Tugenden gehoͤren nicht hieher. Seine Amtstreue
und die Art und Weiſe, wie er ſich in den ihm obliegenden
fuͤrnehmſten Pflichten verhalten, iſt dasjenige, was wir aus
der Abſchilderung, die man uns von ihm gemacht, mit wenigen
bemerken wollen.

Wenn eine neue Landesordnung erlaſſen, und von ei-
nigen uͤbertreten wurde, ſetzte er ſolche nicht ſo gleich zur
Strafe. Er ließ erſt die Uebertreter zu ſich kommen, erklaͤrete
ihnen den Inhalt und die Abſicht der Verordnung, ermahnte
ſie ſolche in Zukunft zu beachten, und uͤberſahe fuͤr dasmal
ihren Ungehorſam, in dem richtigen Vertrauen, es ſey dem
Landesherrn mehr an einem gebeſſerten Unterthan als an ei-
nigen Thalern Strafgeldern gelegen. Hoͤrte er von ihnen
Gruͤnde, welche die Verordnung beſchwerlich machten, oder
eine Einlenkung und Abaͤnderung zu erfordern ſcheinen: ſo
unterſuchte er die Sache gruͤndlich, berichtete daruͤber an die
hoͤhere Obrigkeit vollſtaͤndig, und zeigte die Mittel an, wo-
durch die loͤbliche Abſicht der Landesobrigkeit mit der mindeſten
Beſchwerde der Unterthanen fuͤglicher erreichet werden
koͤnnte.

Hat-
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[154/0172] Der ſelige Vogt. ſtens ſehen wir nicht ab, was uns verhindern ſolte, das Lob eines Vogtes in hieſigen Landen mitzutheilen, welcher zwar fuͤr vielen Jahren bereits verſtorben, aber doch auch bey den aͤlteſten Maͤnnern in ſeiner Vogtey in ſo guten und lebhaften Andenken ſteht, daß man ihn aus ihrer Erzaͤhlung mit allen Zuͤgen aufs genaueſte beſchreiben kann. Der Ort, wo er ge- ſtanden, thut nichts zur Sache. Diejenigen, ſo ihn gekannt haben, werden ſeinen Namen leicht errathen; und die ihn nicht gekannt haben, doch allezeit wuͤnſchen, daß er der ihrige geweſen ſeyn moͤchte. Wir brauchen nicht anzufuͤhren, daß er ein chriſtlicher, redlicher und gewiſſenhafter Mann geweſen. Dergleichen allgemeine Tugenden gehoͤren nicht hieher. Seine Amtstreue und die Art und Weiſe, wie er ſich in den ihm obliegenden fuͤrnehmſten Pflichten verhalten, iſt dasjenige, was wir aus der Abſchilderung, die man uns von ihm gemacht, mit wenigen bemerken wollen. Wenn eine neue Landesordnung erlaſſen, und von ei- nigen uͤbertreten wurde, ſetzte er ſolche nicht ſo gleich zur Strafe. Er ließ erſt die Uebertreter zu ſich kommen, erklaͤrete ihnen den Inhalt und die Abſicht der Verordnung, ermahnte ſie ſolche in Zukunft zu beachten, und uͤberſahe fuͤr dasmal ihren Ungehorſam, in dem richtigen Vertrauen, es ſey dem Landesherrn mehr an einem gebeſſerten Unterthan als an ei- nigen Thalern Strafgeldern gelegen. Hoͤrte er von ihnen Gruͤnde, welche die Verordnung beſchwerlich machten, oder eine Einlenkung und Abaͤnderung zu erfordern ſcheinen: ſo unterſuchte er die Sache gruͤndlich, berichtete daruͤber an die hoͤhere Obrigkeit vollſtaͤndig, und zeigte die Mittel an, wo- durch die loͤbliche Abſicht der Landesobrigkeit mit der mindeſten Beſchwerde der Unterthanen fuͤglicher erreichet werden koͤnnte. Hat-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/172>, abgerufen am 21.11.2024.