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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Bey dem Anfange der Osnabrück. Lotterie.
findet; und wenn es aufs bezahlen geht, so hat die letztere ih-
ren Beutel allezeit geschwinder offen als die erste.

Beynahe möchte ich sagen, es sey die Schuldigkeit einer
Obrigkeit, dafür zu sorgen, daß eine einheimische Lotterie be-
ständig im Gange sey. Denn ist es einmal durch die Erfah-
rung bewährt, daß das heutige Menschengeschlecht durchaus
Glücksspiele haben wolle: so ist es besser, daß die ein-
heimische Obrigkeit für ein redliches Spiel sorge, als daß die
Unterthanen den Schlingen fremder Lotteriepächter blosge-
stellet werden. Sorget doch die Policey in großen Städten
dafür, daß gewisse nun einmal herrschende Laster mit der min-
desten Unordnung und Unsicherheit ausgeübet werden können;
und fordert man nicht von einem Vater, daß er seinen Sohn
ins Spielhaus begleiten solle, damit er nicht in unsichere
Hände gerathen möge?

Ich weis wohl, vordem war es nicht also. Vordem
reichte der Fluch einer Mutter und die Macht einiger andern
dunklen Ideen hin, die Jugend in mancher Versuchung zu be-
wahren. Das Mädgen zitterte wie Espenlaub, und wußte
oft nicht eigentlich warum, wenn es auch nur in aller Unschuld
einen verbotenen Weg betreten wollte. Allein seitdem wir
die Jugend mit lauter deutlichen Wahrheiten und klaren Ideen
erziehen wollen, müssen wir um die Reinigkeit ihrer Sitten
und die Gesundheit ihres Körpers zu erhalten, ganz andre
Vertheidigungsanstalten machen; und seitdem die Kunst ohne
Mühe reich zu werden, der Wunsch aller Menschen ist, müssen
Obrigkeiten ebenfalls neue Wege versuchen, diesen Wunsch
mit der unschädlichsten Nahrung zu unterhalten.

Sie sehen hieraus mein lieber Crito, daß es noch ei-
nige höhere und wichtigere Ursachen giebt als diejenigen sind,
welche sie nicht gelten lassen wollen, warum man billig eine
Lotterie im Lande haben müsse. Sie sehen es mit ihren

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L 3

Bey dem Anfange der Oſnabruͤck. Lotterie.
findet; und wenn es aufs bezahlen geht, ſo hat die letztere ih-
ren Beutel allezeit geſchwinder offen als die erſte.

Beynahe moͤchte ich ſagen, es ſey die Schuldigkeit einer
Obrigkeit, dafuͤr zu ſorgen, daß eine einheimiſche Lotterie be-
ſtaͤndig im Gange ſey. Denn iſt es einmal durch die Erfah-
rung bewaͤhrt, daß das heutige Menſchengeſchlecht durchaus
Gluͤcksſpiele haben wolle: ſo iſt es beſſer, daß die ein-
heimiſche Obrigkeit fuͤr ein redliches Spiel ſorge, als daß die
Unterthanen den Schlingen fremder Lotteriepaͤchter blosge-
ſtellet werden. Sorget doch die Policey in großen Staͤdten
dafuͤr, daß gewiſſe nun einmal herrſchende Laſter mit der min-
deſten Unordnung und Unſicherheit ausgeuͤbet werden koͤnnen;
und fordert man nicht von einem Vater, daß er ſeinen Sohn
ins Spielhaus begleiten ſolle, damit er nicht in unſichere
Haͤnde gerathen moͤge?

Ich weis wohl, vordem war es nicht alſo. Vordem
reichte der Fluch einer Mutter und die Macht einiger andern
dunklen Ideen hin, die Jugend in mancher Verſuchung zu be-
wahren. Das Maͤdgen zitterte wie Eſpenlaub, und wußte
oft nicht eigentlich warum, wenn es auch nur in aller Unſchuld
einen verbotenen Weg betreten wollte. Allein ſeitdem wir
die Jugend mit lauter deutlichen Wahrheiten und klaren Ideen
erziehen wollen, muͤſſen wir um die Reinigkeit ihrer Sitten
und die Geſundheit ihres Koͤrpers zu erhalten, ganz andre
Vertheidigungsanſtalten machen; und ſeitdem die Kunſt ohne
Muͤhe reich zu werden, der Wunſch aller Menſchen iſt, muͤſſen
Obrigkeiten ebenfalls neue Wege verſuchen, dieſen Wunſch
mit der unſchaͤdlichſten Nahrung zu unterhalten.

Sie ſehen hieraus mein lieber Crito, daß es noch ei-
nige hoͤhere und wichtigere Urſachen giebt als diejenigen ſind,
welche ſie nicht gelten laſſen wollen, warum man billig eine
Lotterie im Lande haben muͤſſe. Sie ſehen es mit ihren

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[165/0183] Bey dem Anfange der Oſnabruͤck. Lotterie. findet; und wenn es aufs bezahlen geht, ſo hat die letztere ih- ren Beutel allezeit geſchwinder offen als die erſte. Beynahe moͤchte ich ſagen, es ſey die Schuldigkeit einer Obrigkeit, dafuͤr zu ſorgen, daß eine einheimiſche Lotterie be- ſtaͤndig im Gange ſey. Denn iſt es einmal durch die Erfah- rung bewaͤhrt, daß das heutige Menſchengeſchlecht durchaus Gluͤcksſpiele haben wolle: ſo iſt es beſſer, daß die ein- heimiſche Obrigkeit fuͤr ein redliches Spiel ſorge, als daß die Unterthanen den Schlingen fremder Lotteriepaͤchter blosge- ſtellet werden. Sorget doch die Policey in großen Staͤdten dafuͤr, daß gewiſſe nun einmal herrſchende Laſter mit der min- deſten Unordnung und Unſicherheit ausgeuͤbet werden koͤnnen; und fordert man nicht von einem Vater, daß er ſeinen Sohn ins Spielhaus begleiten ſolle, damit er nicht in unſichere Haͤnde gerathen moͤge? Ich weis wohl, vordem war es nicht alſo. Vordem reichte der Fluch einer Mutter und die Macht einiger andern dunklen Ideen hin, die Jugend in mancher Verſuchung zu be- wahren. Das Maͤdgen zitterte wie Eſpenlaub, und wußte oft nicht eigentlich warum, wenn es auch nur in aller Unſchuld einen verbotenen Weg betreten wollte. Allein ſeitdem wir die Jugend mit lauter deutlichen Wahrheiten und klaren Ideen erziehen wollen, muͤſſen wir um die Reinigkeit ihrer Sitten und die Geſundheit ihres Koͤrpers zu erhalten, ganz andre Vertheidigungsanſtalten machen; und ſeitdem die Kunſt ohne Muͤhe reich zu werden, der Wunſch aller Menſchen iſt, muͤſſen Obrigkeiten ebenfalls neue Wege verſuchen, dieſen Wunſch mit der unſchaͤdlichſten Nahrung zu unterhalten. Sie ſehen hieraus mein lieber Crito, daß es noch ei- nige hoͤhere und wichtigere Urſachen giebt als diejenigen ſind, welche ſie nicht gelten laſſen wollen, warum man billig eine Lotterie im Lande haben muͤſſe. Sie ſehen es mit ihren ſterb- L 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/183>, abgerufen am 21.11.2024.