Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Gedanken über die vielen Lotterien. würde seinem Gutsherrn gern diese oder jene Gefälligkeiterweisen; wie mancher freyer Mann würde mit Vergnü- gen zu dieser oder jener gemeinen Unternehmung einen Beytrag thun: wie mancher Edelmann würde den Kirch- weg zu seiner Kirche in den vortreflichsten Stand setzen lassen, wenn er nicht befürchten müßte, dazu in der Folge als zu ei- ner Schuldigkeit angehalten zu werden? Der Richter frägt in einem zweifelten Falle gleich, wer den Weg das letzte- mal gebessert habe, und so verdammet er ihn sofort mit Vor- behalt seines Rechtes, ihn auch für dasmal zu bessern; und dieser Vorbehalt nützt ihm zu nichts, weil die Hauptsache sel- ten zu Ende kommt. Dergleichen Unbequemlichkeiten kann durch Lotterien fin-
Gedanken uͤber die vielen Lotterien. wuͤrde ſeinem Gutsherrn gern dieſe oder jene Gefaͤlligkeiterweiſen; wie mancher freyer Mann wuͤrde mit Vergnuͤ- gen zu dieſer oder jener gemeinen Unternehmung einen Beytrag thun: wie mancher Edelmann wuͤrde den Kirch- weg zu ſeiner Kirche in den vortreflichſten Stand ſetzen laſſen, wenn er nicht befuͤrchten muͤßte, dazu in der Folge als zu ei- ner Schuldigkeit angehalten zu werden? Der Richter fraͤgt in einem zweifelten Falle gleich, wer den Weg das letzte- mal gebeſſert habe, und ſo verdammet er ihn ſofort mit Vor- behalt ſeines Rechtes, ihn auch fuͤr dasmal zu beſſern; und dieſer Vorbehalt nuͤtzt ihm zu nichts, weil die Hauptſache ſel- ten zu Ende kommt. Dergleichen Unbequemlichkeiten kann durch Lotterien fin-
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Gedanken uͤber die vielen Lotterien.
wuͤrde ſeinem Gutsherrn gern dieſe oder jene Gefaͤlligkeit
erweiſen; wie mancher freyer Mann wuͤrde mit Vergnuͤ-
gen zu dieſer oder jener gemeinen Unternehmung einen
Beytrag thun: wie mancher Edelmann wuͤrde den Kirch-
weg zu ſeiner Kirche in den vortreflichſten Stand ſetzen laſſen,
wenn er nicht befuͤrchten muͤßte, dazu in der Folge als zu ei-
ner Schuldigkeit angehalten zu werden? Der Richter fraͤgt
in einem zweifelten Falle gleich, wer den Weg das letzte-
mal gebeſſert habe, und ſo verdammet er ihn ſofort mit Vor-
behalt ſeines Rechtes, ihn auch fuͤr dasmal zu beſſern; und
dieſer Vorbehalt nuͤtzt ihm zu nichts, weil die Hauptſache ſel-
ten zu Ende kommt.
Dergleichen Unbequemlichkeiten kann durch Lotterien
vorgebogen werden, ſo lange dieſer Name ein redendes Zeug-
niß bleibt, daß dasjenige, was einer darinn ſetzt, ſein frey-
williger Beytrag ſey. Man oͤfnet alſo durch dieſelbe allen
freyen Perſonen einen Weg, ihre Großmuth und ihren Eyfer
fuͤr das gemeine Beſte ohne alle Gefahr fuͤr ihre Freyheit, zu
zeigen. Man oͤfnet ihnen durch dieſelbe einen Weg unge-
zwungen, ungeſchaͤtzt und nach eignen Gefallen dem gemeinen
Weſen zu Huͤlfe zu kommen. Man gelangt durch dieſelbe an
den Geldbeutel, welcher ſich ſonſt noch bis hiezu der Steuer-
anlage einigermaßen entzogen hat; und da die Begierde, ploͤtz-
lich reich zu werden, wuͤrklich alle Menſchen mehr oder weni-
ger in Verſuchung fuͤhret: ſo lockt man ſie dadurch gerade auf
den Heerd, wo ſie ſich am liebſten zum gemeinen Beſten fan-
gen laſſen. Was jene roͤmiſche Rechtsgelahrſamkeit dadurch
verdorben, daß ſie das Wohlthun, das Mitleid, die Gaſt-
freyheit und andre Tugenden furchtſam und zuruͤckhaltend ge-
macht hat, das kann durch dieſen Weg einigermaßen wieder
erſetzt und verguͤtet werden. Die Tugend hat keine eifrigere
Verehrerin als die Thorheit, wenn dieſe ihre Rechnung dabey
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