Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Von dem Verfall des Handwerks müsse. Man wird leicht einsehen, daß die Krämer, welchebessere und wohlfeilere Waare aus jenen großen Orten anschaf- fen können, sich in der Geschwindigkeit vernehmen und den Handwerker platt niederdrücken müssen. Man wird endlich bemerken, daß ein Ort, der einmal auf diese Art zu sinken anfängt, seine edelsten Bürger verlieren, und da für jede zehn Thaler, die der Krämer gewinnt, hundert zum Lande hinaus gehen, seinen sichern Untergang befürchten müsse, wofern er nicht einen übermäßigen Reichthum von rohen Materialien zur Ausfuhr besitzt. Von dem großen Vortheil, welchen die Handwerker in Ge-
Von dem Verfall des Handwerks muͤſſe. Man wird leicht einſehen, daß die Kraͤmer, welchebeſſere und wohlfeilere Waare aus jenen großen Orten anſchaf- fen koͤnnen, ſich in der Geſchwindigkeit vernehmen und den Handwerker platt niederdruͤcken muͤſſen. Man wird endlich bemerken, daß ein Ort, der einmal auf dieſe Art zu ſinken anfaͤngt, ſeine edelſten Buͤrger verlieren, und da fuͤr jede zehn Thaler, die der Kraͤmer gewinnt, hundert zum Lande hinaus gehen, ſeinen ſichern Untergang befuͤrchten muͤſſe, wofern er nicht einen uͤbermaͤßigen Reichthum von rohen Materialien zur Ausfuhr beſitzt. Von dem großen Vortheil, welchen die Handwerker in Ge-
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Von dem Verfall des Handwerks
muͤſſe. Man wird leicht einſehen, daß die Kraͤmer, welche
beſſere und wohlfeilere Waare aus jenen großen Orten anſchaf-
fen koͤnnen, ſich in der Geſchwindigkeit vernehmen und den
Handwerker platt niederdruͤcken muͤſſen. Man wird endlich
bemerken, daß ein Ort, der einmal auf dieſe Art zu ſinken
anfaͤngt, ſeine edelſten Buͤrger verlieren, und da fuͤr jede zehn
Thaler, die der Kraͤmer gewinnt, hundert zum Lande hinaus
gehen, ſeinen ſichern Untergang befuͤrchten muͤſſe, wofern er
nicht einen uͤbermaͤßigen Reichthum von rohen Materialien
zur Ausfuhr beſitzt.
Von dem großen Vortheil, welchen die Handwerker in
großen Staͤdten dadurch erlangen, daß ſie gleichſam eine taͤg-
liche Meſſe vor der Thuͤr haben, will ich nichts erwehnen,
weil er eigentlich nur den Virtuoſen und Marktſchreyern zu
ſtatten kommt. Indeſſen iſt er doch zum Vortheil neuer Er-
findungen von ungemeinem Werthe. Churchil konnte zu Lon-
don binnen acht Tagen leicht funfzig tauſend Stuͤck von ſeinen
Satyren abſetzen; Deon de Beaumont mit ſeinen Briefen
alle ſeine Schulden bezahlen, und noch ein ziemliches eruͤbri-
gen. Ein Mann, der die Mondfinſterniß vom 1 April 1764.
in Kupfer ſtechen ließ, und ſolche nebſt einem kleinen Glaſe
verkaufte, fand gewiß gleich hunderttauſend Kaͤufer. Einer
der lederne Dinteflaſchen von beſondrer Art; ein andrer der
einen neuen Korkzieher, welcher den Kork heraushebt indem
man ihn einſchraubt; und noch ein andrer der ein Federmeſ-
ſer, das auf einer Seite rund geſchliffen war, erfand; ver-
diente in der Geſchwindigkeit mehr als alle Handwerker in ei-
ner kleinen Stadt das Jahr durch zuſammen verdienen.
Und wem ſind die Lectures on Heads oder die Vorleſungen
uͤber 51 Stuͤck von Papp verfertigte Koͤpfe unbekannt, wo-
mit der Erfinder, Herr Steevens in Londen, in den 298 ma-
len, daß er ſeine Vorleſungen daruͤber vor einer zahlreichen
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