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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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in kleinen Städten.
Gesellschaft wiederholte, sich mehr erwarb, als alle Comö-
dianten und Operisten in ganz Deutschland? Ich schweige
von den Coffee- und Theeconversations des Herrn Foote.
Dergleichen Unternehmungen werden dem besten Genie in
einer mäßigen Stadt kaum Beyfall vielweniger einen Tha-
ler einbringen. Er eilt also heraus in den großen Ort, wo
er sich für besser Geld zeigen kann, wenn er anders Lunge
genug hat, den großen Markt zu überschreyen. Und so ver-
lieret die kleine Stadt ein Genie nach dem andern, weil sie
demselben nicht alle Tage einige tausend Zuschauer, Bewun-
derer und Käufer verschaffen kann.

Doch es ist hohe Zeit, daß wir die kleinen Städte auch
einmal ohne Hinsicht auf die großen betrachten, und die Ur-
kunden, warum in ihnen das Handwerk immer mehr und
mehr abnimmt, in ihrem eignen Archive aufsuchen.

Es finden sich hier wichtige Stücke; nur schade, daß
man sie nicht recht beurtheilen kann, ohne die ganze städtische
Anlage und Verfassung zu kennen. Und diese ist bey man-
chen so verdunkelt; man hat die wahren Begriffe davon der-
gestalt vernachläßiget und verlohren, daß es Mühe hat sich
einem jeden, dessen Sache es eben nicht ist, sogleich einige
Folianten nachzuschlagen, verständlich zu machen. Doch ich
weis noch einen Rath, und den wollen wir befolgen, bis
man mir einen bessern angiebt.

Wir wollen hier um die Anlage und Verfassung der
Städte mit hinlänglicher Deutlichkeit zu übersehen, eine na-
gelneue Stadt auf dem Papier anlegen. Hier sey das Dorf,
und dort der Landesherr, der ihm in einem gnädigen Briefe
bekannt macht, daß er nach reiflicher Ueberlegung in eine
Stadt verwandelt und mit Wall und Mauren umgeben wer-

den

in kleinen Staͤdten.
Geſellſchaft wiederholte, ſich mehr erwarb, als alle Comoͤ-
dianten und Operiſten in ganz Deutſchland? Ich ſchweige
von den Coffee- und Theeconverſations des Herrn Foote.
Dergleichen Unternehmungen werden dem beſten Genie in
einer maͤßigen Stadt kaum Beyfall vielweniger einen Tha-
ler einbringen. Er eilt alſo heraus in den großen Ort, wo
er ſich fuͤr beſſer Geld zeigen kann, wenn er anders Lunge
genug hat, den großen Markt zu uͤberſchreyen. Und ſo ver-
lieret die kleine Stadt ein Genie nach dem andern, weil ſie
demſelben nicht alle Tage einige tauſend Zuſchauer, Bewun-
derer und Kaͤufer verſchaffen kann.

Doch es iſt hohe Zeit, daß wir die kleinen Staͤdte auch
einmal ohne Hinſicht auf die großen betrachten, und die Ur-
kunden, warum in ihnen das Handwerk immer mehr und
mehr abnimmt, in ihrem eignen Archive aufſuchen.

Es finden ſich hier wichtige Stuͤcke; nur ſchade, daß
man ſie nicht recht beurtheilen kann, ohne die ganze ſtaͤdtiſche
Anlage und Verfaſſung zu kennen. Und dieſe iſt bey man-
chen ſo verdunkelt; man hat die wahren Begriffe davon der-
geſtalt vernachlaͤßiget und verlohren, daß es Muͤhe hat ſich
einem jeden, deſſen Sache es eben nicht iſt, ſogleich einige
Folianten nachzuſchlagen, verſtaͤndlich zu machen. Doch ich
weis noch einen Rath, und den wollen wir befolgen, bis
man mir einen beſſern angiebt.

Wir wollen hier um die Anlage und Verfaſſung der
Staͤdte mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit zu uͤberſehen, eine na-
gelneue Stadt auf dem Papier anlegen. Hier ſey das Dorf,
und dort der Landesherr, der ihm in einem gnaͤdigen Briefe
bekannt macht, daß er nach reiflicher Ueberlegung in eine
Stadt verwandelt und mit Wall und Mauren umgeben wer-

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[187/0205] in kleinen Staͤdten. Geſellſchaft wiederholte, ſich mehr erwarb, als alle Comoͤ- dianten und Operiſten in ganz Deutſchland? Ich ſchweige von den Coffee- und Theeconverſations des Herrn Foote. Dergleichen Unternehmungen werden dem beſten Genie in einer maͤßigen Stadt kaum Beyfall vielweniger einen Tha- ler einbringen. Er eilt alſo heraus in den großen Ort, wo er ſich fuͤr beſſer Geld zeigen kann, wenn er anders Lunge genug hat, den großen Markt zu uͤberſchreyen. Und ſo ver- lieret die kleine Stadt ein Genie nach dem andern, weil ſie demſelben nicht alle Tage einige tauſend Zuſchauer, Bewun- derer und Kaͤufer verſchaffen kann. Doch es iſt hohe Zeit, daß wir die kleinen Staͤdte auch einmal ohne Hinſicht auf die großen betrachten, und die Ur- kunden, warum in ihnen das Handwerk immer mehr und mehr abnimmt, in ihrem eignen Archive aufſuchen. Es finden ſich hier wichtige Stuͤcke; nur ſchade, daß man ſie nicht recht beurtheilen kann, ohne die ganze ſtaͤdtiſche Anlage und Verfaſſung zu kennen. Und dieſe iſt bey man- chen ſo verdunkelt; man hat die wahren Begriffe davon der- geſtalt vernachlaͤßiget und verlohren, daß es Muͤhe hat ſich einem jeden, deſſen Sache es eben nicht iſt, ſogleich einige Folianten nachzuſchlagen, verſtaͤndlich zu machen. Doch ich weis noch einen Rath, und den wollen wir befolgen, bis man mir einen beſſern angiebt. Wir wollen hier um die Anlage und Verfaſſung der Staͤdte mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit zu uͤberſehen, eine na- gelneue Stadt auf dem Papier anlegen. Hier ſey das Dorf, und dort der Landesherr, der ihm in einem gnaͤdigen Briefe bekannt macht, daß er nach reiflicher Ueberlegung in eine Stadt verwandelt und mit Wall und Mauren umgeben wer- den

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/205>, abgerufen am 21.11.2024.