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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Von dem Verfall des Handwerks
den solle. Was werden die Eingesessene dieses Dorfs dage-
gen vorstellen?

"Ach gnädigster Herr! werden sie unterthänigst sagen,
"verschonen sie uns doch mit dieser Gnade. Unser sind fünf
"hundert geringe Marckötter, die nichts als eine Hausstätte
"und ein klein Gärtgen dabey besitzen. Wir haben bis hie-
"zu als arme geringe Leute, die keinen Acker bauen und keine
"Pferde halten, unsre Fuß- und Handdienste so oft wir zur
"gemeinen Vertheidigung aufgeboten worden, schuldigst ver-
"richtet; unsre Wachen am Hause alle 6 Wochen willig ge-
"than, unsern Rauchschatz bezahlt, und unser Pfund Wachs
"dem Kirchspielsheiligen reichlich abgeführet. Womit ha-
"ben wir es denn in aller Welt verbrochen, daß wir jetzt
"Wall und Graben anlegen, Thore bauen, und unsre Mist-
"grube vor der Hausthür, wo unser einziger bester Raum
"ist, kostbarlich zufüllen, und mit Steinen bepflastern sollen?
"Womit haben wir es verbrochen, daß wir unsere geringe
"Marckotten, wobey wir kaum eine Austrift für unser Vieh
"haben, ewig mit der Last, alle diese kostbaren Anlagen zu
"unterhalten, beschweren sollen? Es gehen fünf Wege durch
"unsern kleinen Ort; wir werden also auch fünf Thore und
"fünf Brücken anlegen; und um den dritten Tag auf die
"Wache ziehen müssen, um solche zu bewachen. Wir wer-
"den uns Kanonen und Doppelhaken, und Gott weis, was
"alles zur Vertheidigung dieser Wälle, anschaffen; mit un-
"sern Söhnen und Knechten auf dem Musterplatze liegen;
"und wenn ein großer Herr durch unsre Mauern zieht, ihm
"zu Ehren mehr Pulver verschiessen müssen, als wir mit
"demjenigen, was wir in einem Monat erübrigen, bezah-
"len können. Kommt ein Feind, dem wir nicht widerstehen
"können: so wird er sich in unsern Mauren festsetzen, und
"Geld, Quartier, Essen und Trinken satt fordern. Kom-

"men

Von dem Verfall des Handwerks
den ſolle. Was werden die Eingeſeſſene dieſes Dorfs dage-
gen vorſtellen?

„Ach gnaͤdigſter Herr! werden ſie unterthaͤnigſt ſagen,
〟verſchonen ſie uns doch mit dieſer Gnade. Unſer ſind fuͤnf
〟hundert geringe Marckoͤtter, die nichts als eine Hausſtaͤtte
〟und ein klein Gaͤrtgen dabey beſitzen. Wir haben bis hie-
〟zu als arme geringe Leute, die keinen Acker bauen und keine
〟Pferde halten, unſre Fuß- und Handdienſte ſo oft wir zur
〟gemeinen Vertheidigung aufgeboten worden, ſchuldigſt ver-
〟richtet; unſre Wachen am Hauſe alle 6 Wochen willig ge-
〟than, unſern Rauchſchatz bezahlt, und unſer Pfund Wachs
〟dem Kirchſpielsheiligen reichlich abgefuͤhret. Womit ha-
〟ben wir es denn in aller Welt verbrochen, daß wir jetzt
〟Wall und Graben anlegen, Thore bauen, und unſre Miſt-
〟grube vor der Hausthuͤr, wo unſer einziger beſter Raum
〟iſt, koſtbarlich zufuͤllen, und mit Steinen bepflaſtern ſollen?
〟Womit haben wir es verbrochen, daß wir unſere geringe
〟Marckotten, wobey wir kaum eine Austrift fuͤr unſer Vieh
〟haben, ewig mit der Laſt, alle dieſe koſtbaren Anlagen zu
〟unterhalten, beſchweren ſollen? Es gehen fuͤnf Wege durch
〟unſern kleinen Ort; wir werden alſo auch fuͤnf Thore und
〟fuͤnf Bruͤcken anlegen; und um den dritten Tag auf die
〟Wache ziehen muͤſſen, um ſolche zu bewachen. Wir wer-
〟den uns Kanonen und Doppelhaken, und Gott weis, was
〟alles zur Vertheidigung dieſer Waͤlle, anſchaffen; mit un-
〟ſern Soͤhnen und Knechten auf dem Muſterplatze liegen;
〟und wenn ein großer Herr durch unſre Mauern zieht, ihm
〟zu Ehren mehr Pulver verſchieſſen muͤſſen, als wir mit
〟demjenigen, was wir in einem Monat eruͤbrigen, bezah-
〟len koͤnnen. Kommt ein Feind, dem wir nicht widerſtehen
〟koͤnnen: ſo wird er ſich in unſern Mauren feſtſetzen, und
〟Geld, Quartier, Eſſen und Trinken ſatt fordern. Kom-

〟men
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[188/0206] Von dem Verfall des Handwerks den ſolle. Was werden die Eingeſeſſene dieſes Dorfs dage- gen vorſtellen? „Ach gnaͤdigſter Herr! werden ſie unterthaͤnigſt ſagen, 〟verſchonen ſie uns doch mit dieſer Gnade. Unſer ſind fuͤnf 〟hundert geringe Marckoͤtter, die nichts als eine Hausſtaͤtte 〟und ein klein Gaͤrtgen dabey beſitzen. Wir haben bis hie- 〟zu als arme geringe Leute, die keinen Acker bauen und keine 〟Pferde halten, unſre Fuß- und Handdienſte ſo oft wir zur 〟gemeinen Vertheidigung aufgeboten worden, ſchuldigſt ver- 〟richtet; unſre Wachen am Hauſe alle 6 Wochen willig ge- 〟than, unſern Rauchſchatz bezahlt, und unſer Pfund Wachs 〟dem Kirchſpielsheiligen reichlich abgefuͤhret. Womit ha- 〟ben wir es denn in aller Welt verbrochen, daß wir jetzt 〟Wall und Graben anlegen, Thore bauen, und unſre Miſt- 〟grube vor der Hausthuͤr, wo unſer einziger beſter Raum 〟iſt, koſtbarlich zufuͤllen, und mit Steinen bepflaſtern ſollen? 〟Womit haben wir es verbrochen, daß wir unſere geringe 〟Marckotten, wobey wir kaum eine Austrift fuͤr unſer Vieh 〟haben, ewig mit der Laſt, alle dieſe koſtbaren Anlagen zu 〟unterhalten, beſchweren ſollen? Es gehen fuͤnf Wege durch 〟unſern kleinen Ort; wir werden alſo auch fuͤnf Thore und 〟fuͤnf Bruͤcken anlegen; und um den dritten Tag auf die 〟Wache ziehen muͤſſen, um ſolche zu bewachen. Wir wer- 〟den uns Kanonen und Doppelhaken, und Gott weis, was 〟alles zur Vertheidigung dieſer Waͤlle, anſchaffen; mit un- 〟ſern Soͤhnen und Knechten auf dem Muſterplatze liegen; 〟und wenn ein großer Herr durch unſre Mauern zieht, ihm 〟zu Ehren mehr Pulver verſchieſſen muͤſſen, als wir mit 〟demjenigen, was wir in einem Monat eruͤbrigen, bezah- 〟len koͤnnen. Kommt ein Feind, dem wir nicht widerſtehen 〟koͤnnen: ſo wird er ſich in unſern Mauren feſtſetzen, und 〟Geld, Quartier, Eſſen und Trinken ſatt fordern. Kom- 〟men

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/206>, abgerufen am 21.11.2024.