Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Verfall des Handwerks
stehet, und das neue Silber immer glänzend genug findet,
wird indeß betrogen; und denkt, der Markt, worauf er ein
Loth Silber für 12 mgr. kaufen kann, sey ungleich schöner,
als ein ander, der es zu 24. mgr. ausbietet. Sollte aber
einem solchen Unwesen nicht durch Kreisschlüsse abgeholfen,
einerley Silberprobe eingeführt, und der Preis desselben auf
dem Kreistage so gesetzt werden, wie es die auswärtige Cor-
respondenz mit sich brächte?

Der westphälische Kreis muß sich schämen, wenn er an
die Art und Weise gedenkt, wie er sich von einigen Frankfur-
ter Kaufleuten mit dem Zinn behandeln läßt. Die Wilden
in Amerika werden nicht so arg mit gläsernen Corallen, Spie-
geln und Puppenzeug als wir init dem Zinne um unser gutes
Geld betrogen. Die Italiäner, Tyroler, Bayern, Schwa-
ben und Franken, welche unsre Gegenden mit allerhand un-
geprobten Waaren belaufen, versorgen sich alle in Frankfurt,
und dort arbeitet man für das platte Land in westphälischen
Kreise wie für die Hottentotten. Das Pfund Zinn, was die
Tyroler den Landleuten aufhängen, hält über drey Viertel
Bley; und da ist es kein Wunder, daß die Zinngießer in den
Städten, die Gewissen und Ehre haben, gegen eine solche
Waare keinen Markt halten können. Der Engländer ist noch
großmüthig mit uns umgegangen, da er uns die englische Zinn-
arbeit entzogen. Er hat das rohe feine Zinn fast so hoch im
Preise als das verarbeitete gehalten, und uns dadurch ausser
Stand gesetzt, es so wohlfeil zu verarbeiten, als er es uns
durch die allzeit fertigen Bremer zuschickt. Allein die Frank-
furter -- -- doch warum sind wir so sorglos; oder viel-
mehr so uneinig im westphälischen Kreise, daß wir uns der-
gleichen Handlungen nicht gemeinschaftlich widersetzen?

Wie schwach sind unsre Maasregeln, die wir gegen
solche Mißbräuche ergreifen? Wir sehen mit den einheimi-

schen

Von dem Verfall des Handwerks
ſtehet, und das neue Silber immer glaͤnzend genug findet,
wird indeß betrogen; und denkt, der Markt, worauf er ein
Loth Silber fuͤr 12 mgr. kaufen kann, ſey ungleich ſchoͤner,
als ein ander, der es zu 24. mgr. ausbietet. Sollte aber
einem ſolchen Unweſen nicht durch Kreisſchluͤſſe abgeholfen,
einerley Silberprobe eingefuͤhrt, und der Preis deſſelben auf
dem Kreistage ſo geſetzt werden, wie es die auswaͤrtige Cor-
reſpondenz mit ſich braͤchte?

Der weſtphaͤliſche Kreis muß ſich ſchaͤmen, wenn er an
die Art und Weiſe gedenkt, wie er ſich von einigen Frankfur-
ter Kaufleuten mit dem Zinn behandeln laͤßt. Die Wilden
in Amerika werden nicht ſo arg mit glaͤſernen Corallen, Spie-
geln und Puppenzeug als wir init dem Zinne um unſer gutes
Geld betrogen. Die Italiaͤner, Tyroler, Bayern, Schwa-
ben und Franken, welche unſre Gegenden mit allerhand un-
geprobten Waaren belaufen, verſorgen ſich alle in Frankfurt,
und dort arbeitet man fuͤr das platte Land in weſtphaͤliſchen
Kreiſe wie fuͤr die Hottentotten. Das Pfund Zinn, was die
Tyroler den Landleuten aufhaͤngen, haͤlt uͤber drey Viertel
Bley; und da iſt es kein Wunder, daß die Zinngießer in den
Staͤdten, die Gewiſſen und Ehre haben, gegen eine ſolche
Waare keinen Markt halten koͤnnen. Der Englaͤnder iſt noch
großmuͤthig mit uns umgegangen, da er uns die engliſche Zinn-
arbeit entzogen. Er hat das rohe feine Zinn faſt ſo hoch im
Preiſe als das verarbeitete gehalten, und uns dadurch auſſer
Stand geſetzt, es ſo wohlfeil zu verarbeiten, als er es uns
durch die allzeit fertigen Bremer zuſchickt. Allein die Frank-
furter — — doch warum ſind wir ſo ſorglos; oder viel-
mehr ſo uneinig im weſtphaͤliſchen Kreiſe, daß wir uns der-
gleichen Handlungen nicht gemeinſchaftlich widerſetzen?

Wie ſchwach ſind unſre Maasregeln, die wir gegen
ſolche Mißbraͤuche ergreifen? Wir ſehen mit den einheimi-

ſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0222" n="204"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Verfall des Handwerks</hi></fw><lb/>
&#x017F;tehet, und das neue Silber immer gla&#x0364;nzend genug findet,<lb/>
wird indeß betrogen; und denkt, der Markt, worauf er ein<lb/>
Loth Silber fu&#x0364;r 12 mgr. kaufen kann, &#x017F;ey ungleich &#x017F;cho&#x0364;ner,<lb/>
als ein ander, der es zu 24. mgr. ausbietet. Sollte aber<lb/>
einem &#x017F;olchen Unwe&#x017F;en nicht durch Kreis&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e abgeholfen,<lb/>
einerley Silberprobe eingefu&#x0364;hrt, und der Preis de&#x017F;&#x017F;elben auf<lb/>
dem Kreistage &#x017F;o ge&#x017F;etzt werden, wie es die auswa&#x0364;rtige Cor-<lb/>
re&#x017F;pondenz mit &#x017F;ich bra&#x0364;chte?</p><lb/>
        <p>Der we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;che Kreis muß &#x017F;ich &#x017F;cha&#x0364;men, wenn er an<lb/>
die Art und Wei&#x017F;e gedenkt, wie er &#x017F;ich von einigen Frankfur-<lb/>
ter Kaufleuten mit dem Zinn behandeln la&#x0364;ßt. Die Wilden<lb/>
in Amerika werden nicht &#x017F;o arg mit gla&#x0364;&#x017F;ernen Corallen, Spie-<lb/>
geln und Puppenzeug als wir init dem Zinne um un&#x017F;er gutes<lb/>
Geld betrogen. Die Italia&#x0364;ner, Tyroler, Bayern, Schwa-<lb/>
ben und Franken, welche un&#x017F;re Gegenden mit allerhand un-<lb/>
geprobten Waaren belaufen, ver&#x017F;orgen &#x017F;ich alle in Frankfurt,<lb/>
und dort arbeitet man fu&#x0364;r das platte Land in we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen<lb/>
Krei&#x017F;e wie fu&#x0364;r die Hottentotten. Das Pfund Zinn, was die<lb/>
Tyroler den Landleuten aufha&#x0364;ngen, ha&#x0364;lt u&#x0364;ber drey Viertel<lb/>
Bley; und da i&#x017F;t es kein Wunder, daß die Zinngießer in den<lb/>
Sta&#x0364;dten, die Gewi&#x017F;&#x017F;en und Ehre haben, gegen eine &#x017F;olche<lb/>
Waare keinen Markt halten ko&#x0364;nnen. Der Engla&#x0364;nder i&#x017F;t noch<lb/>
großmu&#x0364;thig mit uns umgegangen, da er uns die engli&#x017F;che Zinn-<lb/>
arbeit entzogen. Er hat das rohe feine Zinn fa&#x017F;t &#x017F;o hoch im<lb/>
Prei&#x017F;e als das verarbeitete gehalten, und uns dadurch au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Stand ge&#x017F;etzt, es &#x017F;o wohlfeil zu verarbeiten, als er es uns<lb/>
durch die allzeit fertigen Bremer zu&#x017F;chickt. Allein die Frank-<lb/>
furter &#x2014; &#x2014; doch warum &#x017F;ind wir &#x017F;o &#x017F;orglos; oder viel-<lb/>
mehr &#x017F;o uneinig im we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Krei&#x017F;e, daß wir uns der-<lb/>
gleichen Handlungen nicht gemein&#x017F;chaftlich wider&#x017F;etzen?</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;chwach &#x017F;ind un&#x017F;re Maasregeln, die wir gegen<lb/>
&#x017F;olche Mißbra&#x0364;uche ergreifen? Wir &#x017F;ehen mit den einheimi-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0222] Von dem Verfall des Handwerks ſtehet, und das neue Silber immer glaͤnzend genug findet, wird indeß betrogen; und denkt, der Markt, worauf er ein Loth Silber fuͤr 12 mgr. kaufen kann, ſey ungleich ſchoͤner, als ein ander, der es zu 24. mgr. ausbietet. Sollte aber einem ſolchen Unweſen nicht durch Kreisſchluͤſſe abgeholfen, einerley Silberprobe eingefuͤhrt, und der Preis deſſelben auf dem Kreistage ſo geſetzt werden, wie es die auswaͤrtige Cor- reſpondenz mit ſich braͤchte? Der weſtphaͤliſche Kreis muß ſich ſchaͤmen, wenn er an die Art und Weiſe gedenkt, wie er ſich von einigen Frankfur- ter Kaufleuten mit dem Zinn behandeln laͤßt. Die Wilden in Amerika werden nicht ſo arg mit glaͤſernen Corallen, Spie- geln und Puppenzeug als wir init dem Zinne um unſer gutes Geld betrogen. Die Italiaͤner, Tyroler, Bayern, Schwa- ben und Franken, welche unſre Gegenden mit allerhand un- geprobten Waaren belaufen, verſorgen ſich alle in Frankfurt, und dort arbeitet man fuͤr das platte Land in weſtphaͤliſchen Kreiſe wie fuͤr die Hottentotten. Das Pfund Zinn, was die Tyroler den Landleuten aufhaͤngen, haͤlt uͤber drey Viertel Bley; und da iſt es kein Wunder, daß die Zinngießer in den Staͤdten, die Gewiſſen und Ehre haben, gegen eine ſolche Waare keinen Markt halten koͤnnen. Der Englaͤnder iſt noch großmuͤthig mit uns umgegangen, da er uns die engliſche Zinn- arbeit entzogen. Er hat das rohe feine Zinn faſt ſo hoch im Preiſe als das verarbeitete gehalten, und uns dadurch auſſer Stand geſetzt, es ſo wohlfeil zu verarbeiten, als er es uns durch die allzeit fertigen Bremer zuſchickt. Allein die Frank- furter — — doch warum ſind wir ſo ſorglos; oder viel- mehr ſo uneinig im weſtphaͤliſchen Kreiſe, daß wir uns der- gleichen Handlungen nicht gemeinſchaftlich widerſetzen? Wie ſchwach ſind unſre Maasregeln, die wir gegen ſolche Mißbraͤuche ergreifen? Wir ſehen mit den einheimi- ſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/222
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/222>, abgerufen am 24.11.2024.