ceyanstalten haben, daß sie das Geld seltener, den Credit schwächer und die liegende Gründe wohlfeiler machen.
Der Kaufmann gab uns seine Waare und schüttelte den Kopf. Was wir aber damals zu ihm sagten, das sagen wir jezt zu euch. Wenn es nach allen politischen Rechnungen gienge; so müsset ihr längst keinen baaren Schilling mehr im Lande haben; und gleichwol ist es in diesem Stücke bey euch jezt nicht schlimmer, als in den so gepriesenen wohl eingerich- teten Staaten; und ihr habt das Vergnügen zu sehen, daß sogar die komischen Packenträger, welche eine Oper im Kopfe und kein Geld in der Tasche haben, aus der Mitte von Frank- reich der Quelle aller Policey zu euch kommen. Ihr habt miteinander Menschenverstand; und wenn ihr euern Beutel selbst nicht flicken könnt: so werden ihn wahrlich alle Poli- ceyanstalten nicht für Löcher bewahren. Fegen können sie ihn, das ist gewiß. Sie können euch auch so arm machen, daß ihr nichts von uns kaufen könnt. Allein dasjenige, was ihr drein habt, wird nie nach Verordnungen, sondern allezeit nach euern freyen Willen gebraucht werden. Das glaubt mir gewiß: wir kriegen Jahr aus Jahr ein viele Menschen und viele Städte zu sehen, wir kennen sie, und der große Mo- gul selbst wird dieses nicht ändern.
Was ihr übrigens davon sagt, daß sich unter uns Packen- trägern viele Diebe und Spitzbuben fänden, ist ein falscher Gedanke. Habt ihr je gehöret, daß ein Mausefallen- oder Barometerkrämer zu einer Diebesbande gehöret habe? Und warum dieses nicht? Sind die Italiäner weniger diebisch als die Deutschen? Nein. Die Ursache ist, daß ein einzelner Mensch, der weder Freunde noch Verwandte hat, sich in ei- nem fremden Lande doppelt in Acht nehmen muß. Kein Franzose wird daher leicht in Deutschland, und kein Deut- scher in Frankreich stehlen. Ist diese Ursache wahr: so wer-
det
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Schutzrede der Packentraͤger.
ceyanſtalten haben, daß ſie das Geld ſeltener, den Credit ſchwaͤcher und die liegende Gruͤnde wohlfeiler machen.
Der Kaufmann gab uns ſeine Waare und ſchuͤttelte den Kopf. Was wir aber damals zu ihm ſagten, das ſagen wir jezt zu euch. Wenn es nach allen politiſchen Rechnungen gienge; ſo muͤſſet ihr laͤngſt keinen baaren Schilling mehr im Lande haben; und gleichwol iſt es in dieſem Stuͤcke bey euch jezt nicht ſchlimmer, als in den ſo geprieſenen wohl eingerich- teten Staaten; und ihr habt das Vergnuͤgen zu ſehen, daß ſogar die komiſchen Packentraͤger, welche eine Oper im Kopfe und kein Geld in der Taſche haben, aus der Mitte von Frank- reich der Quelle aller Policey zu euch kommen. Ihr habt miteinander Menſchenverſtand; und wenn ihr euern Beutel ſelbſt nicht flicken koͤnnt: ſo werden ihn wahrlich alle Poli- ceyanſtalten nicht fuͤr Loͤcher bewahren. Fegen koͤnnen ſie ihn, das iſt gewiß. Sie koͤnnen euch auch ſo arm machen, daß ihr nichts von uns kaufen koͤnnt. Allein dasjenige, was ihr drein habt, wird nie nach Verordnungen, ſondern allezeit nach euern freyen Willen gebraucht werden. Das glaubt mir gewiß: wir kriegen Jahr aus Jahr ein viele Menſchen und viele Staͤdte zu ſehen, wir kennen ſie, und der große Mo- gul ſelbſt wird dieſes nicht aͤndern.
Was ihr uͤbrigens davon ſagt, daß ſich unter uns Packen- traͤgern viele Diebe und Spitzbuben faͤnden, iſt ein falſcher Gedanke. Habt ihr je gehoͤret, daß ein Mauſefallen- oder Barometerkraͤmer zu einer Diebesbande gehoͤret habe? Und warum dieſes nicht? Sind die Italiaͤner weniger diebiſch als die Deutſchen? Nein. Die Urſache iſt, daß ein einzelner Menſch, der weder Freunde noch Verwandte hat, ſich in ei- nem fremden Lande doppelt in Acht nehmen muß. Kein Franzoſe wird daher leicht in Deutſchland, und kein Deut- ſcher in Frankreich ſtehlen. Iſt dieſe Urſache wahr: ſo wer-
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Schutzrede der Packentraͤger.
ceyanſtalten haben, daß ſie das Geld ſeltener, den Credit
ſchwaͤcher und die liegende Gruͤnde wohlfeiler machen.
Der Kaufmann gab uns ſeine Waare und ſchuͤttelte den
Kopf. Was wir aber damals zu ihm ſagten, das ſagen wir
jezt zu euch. Wenn es nach allen politiſchen Rechnungen
gienge; ſo muͤſſet ihr laͤngſt keinen baaren Schilling mehr im
Lande haben; und gleichwol iſt es in dieſem Stuͤcke bey euch
jezt nicht ſchlimmer, als in den ſo geprieſenen wohl eingerich-
teten Staaten; und ihr habt das Vergnuͤgen zu ſehen, daß
ſogar die komiſchen Packentraͤger, welche eine Oper im Kopfe
und kein Geld in der Taſche haben, aus der Mitte von Frank-
reich der Quelle aller Policey zu euch kommen. Ihr habt
miteinander Menſchenverſtand; und wenn ihr euern Beutel
ſelbſt nicht flicken koͤnnt: ſo werden ihn wahrlich alle Poli-
ceyanſtalten nicht fuͤr Loͤcher bewahren. Fegen koͤnnen ſie ihn,
das iſt gewiß. Sie koͤnnen euch auch ſo arm machen, daß
ihr nichts von uns kaufen koͤnnt. Allein dasjenige, was ihr
drein habt, wird nie nach Verordnungen, ſondern allezeit
nach euern freyen Willen gebraucht werden. Das glaubt mir
gewiß: wir kriegen Jahr aus Jahr ein viele Menſchen und
viele Staͤdte zu ſehen, wir kennen ſie, und der große Mo-
gul ſelbſt wird dieſes nicht aͤndern.
Was ihr uͤbrigens davon ſagt, daß ſich unter uns Packen-
traͤgern viele Diebe und Spitzbuben faͤnden, iſt ein falſcher
Gedanke. Habt ihr je gehoͤret, daß ein Mauſefallen- oder
Barometerkraͤmer zu einer Diebesbande gehoͤret habe? Und
warum dieſes nicht? Sind die Italiaͤner weniger diebiſch als
die Deutſchen? Nein. Die Urſache iſt, daß ein einzelner
Menſch, der weder Freunde noch Verwandte hat, ſich in ei-
nem fremden Lande doppelt in Acht nehmen muß. Kein
Franzoſe wird daher leicht in Deutſchland, und kein Deut-
ſcher in Frankreich ſtehlen. Iſt dieſe Urſache wahr: ſo wer-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/247>, abgerufen am 21.11.2024.
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