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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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II.
Gedanken über den Verfall der Handlung
in den Landstädten.

.... Wir müssen uns schämen, wenn wir an
unsere Vorfahren in der deutschen Com-
pagnie (die Hanse) gedenken. Alles, was wir jezt in den
Landstädten thun, ist dieses, daß wir unsere Manufacturen
einem Bremer oder Hamburger vertrauen, und uns durch die-
selben herumführen lassen. Mancher ist gar so feige, oder
geldbedürftig, daß er gleich in Bremen und Hamburg ver-
kauft, und sich dem Preise unterwirft, welchen die auf der
Börse daselbst versammleten Aufkäufer seiner Verlegenheit
oder seiner kurzen Einsicht bestimmen. Die Laune eines
Seestädters, eine Zaghaftigkeit, welche ihm seine größere
Verwickelung in mehrern Orten des Handels auf einen Post-
tag zuziehet; eine zufällige Veränderung des Wechsels; eine
vortheilhaftere Fracht; die Zeit, welche er noch abwarten
kann; die Noth des Verkäufers und andere Zufälle entschei-
den den Vortheil des Mannes, der den ganzen Verdienst ha-
ben solte; und der Kuppler entführet ihm die Braut. Kaum
wissen unsre Landstädter die Zeit, wenn ihre Waaren am be-
sten gehen. Sie verkaufen ihr Korn nach der Erndte, ihr
Linnen um Pfingsten, und bekümmern sich nicht darum, wenn
die Flotten aus England und Spanien nach Osten und We-
sten abgehen, und der Factorist an der Stelle den verlegenen
Schiffspatron züchtiget, oder doch an der Waare, wobey die
erste Hand sich kaum das Leben gefristet, noch dreyßig vom
Hundert gewinnet. Alles, alles wird dem Seestädter gelas-

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II.
Gedanken uͤber den Verfall der Handlung
in den Landſtaͤdten.

.... Wir muͤſſen uns ſchaͤmen, wenn wir an
unſere Vorfahren in der deutſchen Com-
pagnie (die Hanſe) gedenken. Alles, was wir jezt in den
Landſtaͤdten thun, iſt dieſes, daß wir unſere Manufacturen
einem Bremer oder Hamburger vertrauen, und uns durch die-
ſelben herumfuͤhren laſſen. Mancher iſt gar ſo feige, oder
geldbeduͤrftig, daß er gleich in Bremen und Hamburg ver-
kauft, und ſich dem Preiſe unterwirft, welchen die auf der
Boͤrſe daſelbſt verſammleten Aufkaͤufer ſeiner Verlegenheit
oder ſeiner kurzen Einſicht beſtimmen. Die Laune eines
Seeſtaͤdters, eine Zaghaftigkeit, welche ihm ſeine groͤßere
Verwickelung in mehrern Orten des Handels auf einen Poſt-
tag zuziehet; eine zufaͤllige Veraͤnderung des Wechſels; eine
vortheilhaftere Fracht; die Zeit, welche er noch abwarten
kann; die Noth des Verkaͤufers und andere Zufaͤlle entſchei-
den den Vortheil des Mannes, der den ganzen Verdienſt ha-
ben ſolte; und der Kuppler entfuͤhret ihm die Braut. Kaum
wiſſen unſre Landſtaͤdter die Zeit, wenn ihre Waaren am be-
ſten gehen. Sie verkaufen ihr Korn nach der Erndte, ihr
Linnen um Pfingſten, und bekuͤmmern ſich nicht darum, wenn
die Flotten aus England und Spanien nach Oſten und We-
ſten abgehen, und der Factoriſt an der Stelle den verlegenen
Schiffspatron zuͤchtiget, oder doch an der Waare, wobey die
erſte Hand ſich kaum das Leben gefriſtet, noch dreyßig vom
Hundert gewinnet. Alles, alles wird dem Seeſtaͤdter gelaſ-

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[7/0025] II. Gedanken uͤber den Verfall der Handlung in den Landſtaͤdten. .... Wir muͤſſen uns ſchaͤmen, wenn wir an unſere Vorfahren in der deutſchen Com- pagnie (die Hanſe) gedenken. Alles, was wir jezt in den Landſtaͤdten thun, iſt dieſes, daß wir unſere Manufacturen einem Bremer oder Hamburger vertrauen, und uns durch die- ſelben herumfuͤhren laſſen. Mancher iſt gar ſo feige, oder geldbeduͤrftig, daß er gleich in Bremen und Hamburg ver- kauft, und ſich dem Preiſe unterwirft, welchen die auf der Boͤrſe daſelbſt verſammleten Aufkaͤufer ſeiner Verlegenheit oder ſeiner kurzen Einſicht beſtimmen. Die Laune eines Seeſtaͤdters, eine Zaghaftigkeit, welche ihm ſeine groͤßere Verwickelung in mehrern Orten des Handels auf einen Poſt- tag zuziehet; eine zufaͤllige Veraͤnderung des Wechſels; eine vortheilhaftere Fracht; die Zeit, welche er noch abwarten kann; die Noth des Verkaͤufers und andere Zufaͤlle entſchei- den den Vortheil des Mannes, der den ganzen Verdienſt ha- ben ſolte; und der Kuppler entfuͤhret ihm die Braut. Kaum wiſſen unſre Landſtaͤdter die Zeit, wenn ihre Waaren am be- ſten gehen. Sie verkaufen ihr Korn nach der Erndte, ihr Linnen um Pfingſten, und bekuͤmmern ſich nicht darum, wenn die Flotten aus England und Spanien nach Oſten und We- ſten abgehen, und der Factoriſt an der Stelle den verlegenen Schiffspatron zuͤchtiget, oder doch an der Waare, wobey die erſte Hand ſich kaum das Leben gefriſtet, noch dreyßig vom Hundert gewinnet. Alles, alles wird dem Seeſtaͤdter gelaſ- ſen, A 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/25>, abgerufen am 24.11.2024.