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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Also sollen die deutsch. Städte sich mit Genehm.
Verbindungen oder Gesellschaften aufrichten könnte? und der
gute Kayser Henrich erkannte mit Rath der Reichsfürsten,
daß ihnen dergleichen nicht erlaubt seyn könnte.

In der neuesten Wahlcapitulation heißt es endlich noch,
wiewohl leider zu einem sehr großen Ueberflusse:

Ihro Kayserliche Majestät wollen die Commertia des
Reichs zu Wasser und zu Lande nach Möglichkeit befor-
dern - - Dagegen aber die großen Gesellschaften, Kauf-
gewerbsleute und andre so bisher mit ihrem Gelde regiert
gar abthun.

Und so hat zu allen Zeiten von dem ersten Augenblick an, da
der deutsche Nationalgeist sich einigermaßen erheben wollen,
bis auf die heutige Stunde ein feindseliges Genie gegen uns
gestritten. Man denke aber nicht, daß unsre Gesetzgeber zu
schwache Augen gehabt haben. Nein, die Territorialhoheit
stritt gegen die Handlung. Eine von beyden mußte erliegen;
und der Untergang der letztern bezeichnet in der Geschichte den
Aufgang der erstern. Wäre das Loß umgekehrt gefallen; so
hätten wir jezt zu Regenspurg ein unbedeutendes Oberhaus,
und die verbundenen Städte und Gemeinden würden, in ei-
nem vereinigten Körper die Gesetze handhaben, welche ihre
Vorfahren, mitten in dem heftigsten Kriege gegen die Terri-
torialhoheit, der übrigen Welt auferlegt hatten. Nicht Lord
Clive, sondern ein Rathsherr von Hamburg würde am Ganges
Befehle ertheilen.

Noch sind es keine vierhundert Jahre daß der Hansea-
tische Bund den Sund und die Handlung auf Dännemark,
Schweden, Pohlen und Rußland mit Ausschluß aller übrigen
Nationen behauptete; Philipp den IV. von Frankreich nö-
thigte, den Britten alle Handlung auf den französischen Küsten
zu verbieten; und endlich mit einer Flotte von hundert Schif-

fen

Alſo ſollen die deutſch. Staͤdte ſich mit Genehm.
Verbindungen oder Geſellſchaften aufrichten koͤnnte? und der
gute Kayſer Henrich erkannte mit Rath der Reichsfürſten,
daß ihnen dergleichen nicht erlaubt ſeyn koͤnnte.

In der neueſten Wahlcapitulation heißt es endlich noch,
wiewohl leider zu einem ſehr großen Ueberfluſſe:

Ihro Kayſerliche Majeſtaͤt wollen die Commertia des
Reichs zu Waſſer und zu Lande nach Moͤglichkeit befor-
dern ‒ ‒ Dagegen aber die großen Geſellſchaften, Kauf-
gewerbsleute und andre ſo bisher mit ihrem Gelde regiert
gar abthun.

Und ſo hat zu allen Zeiten von dem erſten Augenblick an, da
der deutſche Nationalgeiſt ſich einigermaßen erheben wollen,
bis auf die heutige Stunde ein feindſeliges Genie gegen uns
geſtritten. Man denke aber nicht, daß unſre Geſetzgeber zu
ſchwache Augen gehabt haben. Nein, die Territorialhoheit
ſtritt gegen die Handlung. Eine von beyden mußte erliegen;
und der Untergang der letztern bezeichnet in der Geſchichte den
Aufgang der erſtern. Waͤre das Loß umgekehrt gefallen; ſo
haͤtten wir jezt zu Regenſpurg ein unbedeutendes Oberhaus,
und die verbundenen Staͤdte und Gemeinden wuͤrden, in ei-
nem vereinigten Koͤrper die Geſetze handhaben, welche ihre
Vorfahren, mitten in dem heftigſten Kriege gegen die Terri-
torialhoheit, der uͤbrigen Welt auferlegt hatten. Nicht Lord
Clive, ſondern ein Rathsherr von Hamburg wuͤrde am Ganges
Befehle ertheilen.

Noch ſind es keine vierhundert Jahre daß der Hanſea-
tiſche Bund den Sund und die Handlung auf Daͤnnemark,
Schweden, Pohlen und Rußland mit Ausſchluß aller uͤbrigen
Nationen behauptete; Philipp den IV. von Frankreich noͤ-
thigte, den Britten alle Handlung auf den franzoͤſiſchen Kuͤſten
zu verbieten; und endlich mit einer Flotte von hundert Schif-

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[258/0276] Alſo ſollen die deutſch. Staͤdte ſich mit Genehm. Verbindungen oder Geſellſchaften aufrichten koͤnnte? und der gute Kayſer Henrich erkannte mit Rath der Reichsfürſten, daß ihnen dergleichen nicht erlaubt ſeyn koͤnnte. In der neueſten Wahlcapitulation heißt es endlich noch, wiewohl leider zu einem ſehr großen Ueberfluſſe: Ihro Kayſerliche Majeſtaͤt wollen die Commertia des Reichs zu Waſſer und zu Lande nach Moͤglichkeit befor- dern ‒ ‒ Dagegen aber die großen Geſellſchaften, Kauf- gewerbsleute und andre ſo bisher mit ihrem Gelde regiert gar abthun. Und ſo hat zu allen Zeiten von dem erſten Augenblick an, da der deutſche Nationalgeiſt ſich einigermaßen erheben wollen, bis auf die heutige Stunde ein feindſeliges Genie gegen uns geſtritten. Man denke aber nicht, daß unſre Geſetzgeber zu ſchwache Augen gehabt haben. Nein, die Territorialhoheit ſtritt gegen die Handlung. Eine von beyden mußte erliegen; und der Untergang der letztern bezeichnet in der Geſchichte den Aufgang der erſtern. Waͤre das Loß umgekehrt gefallen; ſo haͤtten wir jezt zu Regenſpurg ein unbedeutendes Oberhaus, und die verbundenen Staͤdte und Gemeinden wuͤrden, in ei- nem vereinigten Koͤrper die Geſetze handhaben, welche ihre Vorfahren, mitten in dem heftigſten Kriege gegen die Terri- torialhoheit, der uͤbrigen Welt auferlegt hatten. Nicht Lord Clive, ſondern ein Rathsherr von Hamburg wuͤrde am Ganges Befehle ertheilen. Noch ſind es keine vierhundert Jahre daß der Hanſea- tiſche Bund den Sund und die Handlung auf Daͤnnemark, Schweden, Pohlen und Rußland mit Ausſchluß aller uͤbrigen Nationen behauptete; Philipp den IV. von Frankreich noͤ- thigte, den Britten alle Handlung auf den franzoͤſiſchen Kuͤſten zu verbieten; und endlich mit einer Flotte von hundert Schif- fen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/276>, abgerufen am 22.11.2024.