Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
Antw. des H. Commendeurs auf das Schreiben


XXXXVII.
Antwort des Herrn Commendeurs auf das
Schreiben einer Dame, über den Ge-
brauch ihrer Zeit.

Ich habe Ihnen einen kleinen Streich gespielt, meine
gnädige Frau, wofür Sie mir wirklich Dank schuldig
sind. Ihr Kutscher brachte mir ihren Brief an den Capellan;
und weil der Kerl glaubte, es sey darinn gewiß die Frage:
Ob es erlaubt sey, Kutschen und Pferde zu halten, wenn man
sich mit einer Sänfte behelfen kann? So brachte er den Brief
zu mir, und bat mich, ich möchte doch einmal durch die Fal-
ten sehen, und ihm sagen: ob er seinen Kutscherdienst wohl
verlieren würde, wenn er ihn bestellete? Ich wollte meine
Herrschaft ungern verlassen, setzte der ehrliche Johann hinzu,
die Pferde sind so gut im Stande, unsre gnädige Frau auch,
sie bezahlt so gut, sie schmählet so sanft....... Kurz,
dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie seit
einiger Zeit sich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz
tiefsinnig geworden wären, flossen die Thränen durch den
Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu
öfnen. Besondre Geheimnisse dachte ich, schreibt man wohl
eben an seinen Capellan nicht, und die Gewissensfragen einer
Dame kann ich besser als dieser beantworten, der vielleicht
auf einen scharfen Text verfallen möchte. Genug, ich er-
brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir
mehrmalen gegeben haben. Aber nun zum Inhalte.

Wie ist es möglich, daß Euer Gnaden sich mit zu dem
Menschen rechnen, zu diesen Geschöpfen die ihre Zeit nützlich

zu-
Antw. des H. Commendeurs auf das Schreiben


XXXXVII.
Antwort des Herrn Commendeurs auf das
Schreiben einer Dame, uͤber den Ge-
brauch ihrer Zeit.

Ich habe Ihnen einen kleinen Streich geſpielt, meine
gnaͤdige Frau, wofuͤr Sie mir wirklich Dank ſchuldig
ſind. Ihr Kutſcher brachte mir ihren Brief an den Capellan;
und weil der Kerl glaubte, es ſey darinn gewiß die Frage:
Ob es erlaubt ſey, Kutſchen und Pferde zu halten, wenn man
ſich mit einer Saͤnfte behelfen kann? So brachte er den Brief
zu mir, und bat mich, ich moͤchte doch einmal durch die Fal-
ten ſehen, und ihm ſagen: ob er ſeinen Kutſcherdienſt wohl
verlieren wuͤrde, wenn er ihn beſtellete? Ich wollte meine
Herrſchaft ungern verlaſſen, ſetzte der ehrliche Johann hinzu,
die Pferde ſind ſo gut im Stande, unſre gnaͤdige Frau auch,
ſie bezahlt ſo gut, ſie ſchmaͤhlet ſo ſanft....... Kurz,
dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie ſeit
einiger Zeit ſich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz
tiefſinnig geworden waͤren, floſſen die Thraͤnen durch den
Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu
oͤfnen. Beſondre Geheimniſſe dachte ich, ſchreibt man wohl
eben an ſeinen Capellan nicht, und die Gewiſſensfragen einer
Dame kann ich beſſer als dieſer beantworten, der vielleicht
auf einen ſcharfen Text verfallen moͤchte. Genug, ich er-
brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir
mehrmalen gegeben haben. Aber nun zum Inhalte.

Wie iſt es moͤglich, daß Euer Gnaden ſich mit zu dem
Menſchen rechnen, zu dieſen Geſchoͤpfen die ihre Zeit nuͤtzlich

zu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0300" n="282"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Antw. des H. Commendeurs auf das Schreiben</hi> </fw><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXXVII.</hi><lb/>
Antwort des Herrn Commendeurs auf das<lb/>
Schreiben einer Dame, u&#x0364;ber den Ge-<lb/>
brauch ihrer Zeit.</hi> </head><lb/>
        <p>Ich habe Ihnen einen kleinen Streich ge&#x017F;pielt, meine<lb/>
gna&#x0364;dige Frau, wofu&#x0364;r Sie mir wirklich Dank &#x017F;chuldig<lb/>
&#x017F;ind. Ihr Kut&#x017F;cher brachte mir ihren Brief an den Capellan;<lb/>
und weil der Kerl glaubte, es &#x017F;ey darinn gewiß die Frage:<lb/>
Ob es erlaubt &#x017F;ey, Kut&#x017F;chen und Pferde zu halten, wenn man<lb/>
&#x017F;ich mit einer Sa&#x0364;nfte behelfen kann? So brachte er den Brief<lb/>
zu mir, und bat mich, ich mo&#x0364;chte doch einmal durch die Fal-<lb/>
ten &#x017F;ehen, und ihm &#x017F;agen: ob er &#x017F;einen Kut&#x017F;cherdien&#x017F;t wohl<lb/>
verlieren wu&#x0364;rde, wenn er ihn be&#x017F;tellete? Ich wollte meine<lb/>
Herr&#x017F;chaft ungern verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;etzte der ehrliche Johann hinzu,<lb/>
die Pferde &#x017F;ind &#x017F;o gut im Stande, un&#x017F;re gna&#x0364;dige Frau auch,<lb/>
&#x017F;ie bezahlt &#x017F;o gut, &#x017F;ie &#x017F;chma&#x0364;hlet &#x017F;o &#x017F;anft....... Kurz,<lb/>
dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie &#x017F;eit<lb/>
einiger Zeit &#x017F;ich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz<lb/>
tief&#x017F;innig geworden wa&#x0364;ren, flo&#x017F;&#x017F;en die Thra&#x0364;nen durch den<lb/>
Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu<lb/>
o&#x0364;fnen. Be&#x017F;ondre Geheimni&#x017F;&#x017F;e dachte ich, &#x017F;chreibt man wohl<lb/>
eben an &#x017F;einen Capellan nicht, und die Gewi&#x017F;&#x017F;ensfragen einer<lb/>
Dame kann ich be&#x017F;&#x017F;er als die&#x017F;er beantworten, der vielleicht<lb/>
auf einen &#x017F;charfen Text verfallen mo&#x0364;chte. Genug, ich er-<lb/>
brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir<lb/>
mehrmalen gegeben haben. Aber nun zum Inhalte.</p><lb/>
        <p>Wie i&#x017F;t es mo&#x0364;glich, daß Euer Gnaden &#x017F;ich mit zu dem<lb/>
Men&#x017F;chen rechnen, zu die&#x017F;en Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen die ihre Zeit nu&#x0364;tzlich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0300] Antw. des H. Commendeurs auf das Schreiben XXXXVII. Antwort des Herrn Commendeurs auf das Schreiben einer Dame, uͤber den Ge- brauch ihrer Zeit. Ich habe Ihnen einen kleinen Streich geſpielt, meine gnaͤdige Frau, wofuͤr Sie mir wirklich Dank ſchuldig ſind. Ihr Kutſcher brachte mir ihren Brief an den Capellan; und weil der Kerl glaubte, es ſey darinn gewiß die Frage: Ob es erlaubt ſey, Kutſchen und Pferde zu halten, wenn man ſich mit einer Saͤnfte behelfen kann? So brachte er den Brief zu mir, und bat mich, ich moͤchte doch einmal durch die Fal- ten ſehen, und ihm ſagen: ob er ſeinen Kutſcherdienſt wohl verlieren wuͤrde, wenn er ihn beſtellete? Ich wollte meine Herrſchaft ungern verlaſſen, ſetzte der ehrliche Johann hinzu, die Pferde ſind ſo gut im Stande, unſre gnaͤdige Frau auch, ſie bezahlt ſo gut, ſie ſchmaͤhlet ſo ſanft....... Kurz, dem guten Kerl der gemerkt zu haben glaubte, daß Sie ſeit einiger Zeit ſich allerhand Bedenklichkeiten machten und ganz tiefſinnig geworden waͤren, floſſen die Thraͤnen durch den Schnurbart; und ich ließ mich dadurch bewegen den Brief zu oͤfnen. Beſondre Geheimniſſe dachte ich, ſchreibt man wohl eben an ſeinen Capellan nicht, und die Gewiſſensfragen einer Dame kann ich beſſer als dieſer beantworten, der vielleicht auf einen ſcharfen Text verfallen moͤchte. Genug, ich er- brach ihn; und bediente mich des Rechts, welches Sie mir mehrmalen gegeben haben. Aber nun zum Inhalte. Wie iſt es moͤglich, daß Euer Gnaden ſich mit zu dem Menſchen rechnen, zu dieſen Geſchoͤpfen die ihre Zeit nuͤtzlich zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/300
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/300>, abgerufen am 22.11.2024.