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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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an ihren Mann im Zuchthause.
herziges Geständniß von deinen Schulden würde mich viel-
leicht in einige Bestürzung gesetzt haben; aber da es gleich
anfangs noch möglich gewesen wäre, dich zu retten, wie lebhaft
würde nicht mein Eyfer geworden seyn, dieses Verdienst mit
dir zu theilen? Diese Aufrichtigkeit, liebster unglücklichster
Mann! würde mir deine ganze Liebe bewiesen haben; ich
würde mich durch dieses Vertrauen in deinen Augen recht groß
gedünkt haben. Und dann welchen Triumph für meine Liebe,
ein Mitarbeiter an deiner Rettung gewesen zu seyn? Jeder
kleiner Schritt, wodurch wir uns dieser Hofnung genähert,
und welchen wir dann nach jedem fortgearbeiten Tage in der
frohen Abendstunde miteinander überrechnet hätten, würde
unsre Mühe, unsre Kost und o Geliebter! auch unsern Kuß
versüßet haben. Die stolzeste Frau in der Stadt wäre ich ge-
worden, wenn man von mir sodann gerühmt hätte, daß ich
um deinetwillen, alle Moden absagte, alle Pracht vermiede
und ein Gericht Gemüse für dich und mich selbst kochte; wenn
man von mir gesagt hätte: daß ich dein gutes, dein redliches,
dein vernünftiges Weib wäre. Dies würde mich zu einer
ganz andern Größe erhoben haben, als alle die flatternden
und kostbaren Kleinigkeiten, womit du mich deinen -- ach
wie tief gefallenen -- kleinen Engel in die größten Gesell-
schaften führtest. Mit was für einem edlen Stolze, mit was
für einem Bewustseyn deiner und meiner Würde, würde ich
in Serge und Flanell auf alle die thörichten Weiber herabge-
sehen haben, die dem vergänglichen Glanze eines Tages ihr
gutes Vermögen aufopfern; und ein bißgen neidischer Be-
wunderung der Ruhe ihres Lebens, dem Wohlstande ihrer
Kinder und der Hochachtung aller Rechtschaffenen vorziehen.
Ach Mann! Mann! wie vieles haben wir verlohren! Nicht
blos das Vermögen uns zu erhalten; Nicht blos deine Frey-
heit; nein was größer als beydes ist, auch die Werthachtung

aller

an ihren Mann im Zuchthauſe.
herziges Geſtaͤndniß von deinen Schulden wuͤrde mich viel-
leicht in einige Beſtuͤrzung geſetzt haben; aber da es gleich
anfangs noch moͤglich geweſen waͤre, dich zu retten, wie lebhaft
wuͤrde nicht mein Eyfer geworden ſeyn, dieſes Verdienſt mit
dir zu theilen? Dieſe Aufrichtigkeit, liebſter ungluͤcklichſter
Mann! wuͤrde mir deine ganze Liebe bewieſen haben; ich
wuͤrde mich durch dieſes Vertrauen in deinen Augen recht groß
geduͤnkt haben. Und dann welchen Triumph fuͤr meine Liebe,
ein Mitarbeiter an deiner Rettung geweſen zu ſeyn? Jeder
kleiner Schritt, wodurch wir uns dieſer Hofnung genaͤhert,
und welchen wir dann nach jedem fortgearbeiten Tage in der
frohen Abendſtunde miteinander uͤberrechnet haͤtten, wuͤrde
unſre Muͤhe, unſre Koſt und o Geliebter! auch unſern Kuß
verſuͤßet haben. Die ſtolzeſte Frau in der Stadt waͤre ich ge-
worden, wenn man von mir ſodann geruͤhmt haͤtte, daß ich
um deinetwillen, alle Moden abſagte, alle Pracht vermiede
und ein Gericht Gemuͤſe fuͤr dich und mich ſelbſt kochte; wenn
man von mir geſagt haͤtte: daß ich dein gutes, dein redliches,
dein vernuͤnftiges Weib waͤre. Dies wuͤrde mich zu einer
ganz andern Groͤße erhoben haben, als alle die flatternden
und koſtbaren Kleinigkeiten, womit du mich deinen — ach
wie tief gefallenen — kleinen Engel in die groͤßten Geſell-
ſchaften fuͤhrteſt. Mit was fuͤr einem edlen Stolze, mit was
fuͤr einem Bewuſtſeyn deiner und meiner Wuͤrde, wuͤrde ich
in Serge und Flanell auf alle die thoͤrichten Weiber herabge-
ſehen haben, die dem vergaͤnglichen Glanze eines Tages ihr
gutes Vermoͤgen aufopfern; und ein bißgen neidiſcher Be-
wunderung der Ruhe ihres Lebens, dem Wohlſtande ihrer
Kinder und der Hochachtung aller Rechtſchaffenen vorziehen.
Ach Mann! Mann! wie vieles haben wir verlohren! Nicht
blos das Vermoͤgen uns zu erhalten; Nicht blos deine Frey-
heit; nein was groͤßer als beydes iſt, auch die Werthachtung

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[335/0353] an ihren Mann im Zuchthauſe. herziges Geſtaͤndniß von deinen Schulden wuͤrde mich viel- leicht in einige Beſtuͤrzung geſetzt haben; aber da es gleich anfangs noch moͤglich geweſen waͤre, dich zu retten, wie lebhaft wuͤrde nicht mein Eyfer geworden ſeyn, dieſes Verdienſt mit dir zu theilen? Dieſe Aufrichtigkeit, liebſter ungluͤcklichſter Mann! wuͤrde mir deine ganze Liebe bewieſen haben; ich wuͤrde mich durch dieſes Vertrauen in deinen Augen recht groß geduͤnkt haben. Und dann welchen Triumph fuͤr meine Liebe, ein Mitarbeiter an deiner Rettung geweſen zu ſeyn? Jeder kleiner Schritt, wodurch wir uns dieſer Hofnung genaͤhert, und welchen wir dann nach jedem fortgearbeiten Tage in der frohen Abendſtunde miteinander uͤberrechnet haͤtten, wuͤrde unſre Muͤhe, unſre Koſt und o Geliebter! auch unſern Kuß verſuͤßet haben. Die ſtolzeſte Frau in der Stadt waͤre ich ge- worden, wenn man von mir ſodann geruͤhmt haͤtte, daß ich um deinetwillen, alle Moden abſagte, alle Pracht vermiede und ein Gericht Gemuͤſe fuͤr dich und mich ſelbſt kochte; wenn man von mir geſagt haͤtte: daß ich dein gutes, dein redliches, dein vernuͤnftiges Weib waͤre. Dies wuͤrde mich zu einer ganz andern Groͤße erhoben haben, als alle die flatternden und koſtbaren Kleinigkeiten, womit du mich deinen — ach wie tief gefallenen — kleinen Engel in die groͤßten Geſell- ſchaften fuͤhrteſt. Mit was fuͤr einem edlen Stolze, mit was fuͤr einem Bewuſtſeyn deiner und meiner Wuͤrde, wuͤrde ich in Serge und Flanell auf alle die thoͤrichten Weiber herabge- ſehen haben, die dem vergaͤnglichen Glanze eines Tages ihr gutes Vermoͤgen aufopfern; und ein bißgen neidiſcher Be- wunderung der Ruhe ihres Lebens, dem Wohlſtande ihrer Kinder und der Hochachtung aller Rechtſchaffenen vorziehen. Ach Mann! Mann! wie vieles haben wir verlohren! Nicht blos das Vermoͤgen uns zu erhalten; Nicht blos deine Frey- heit; nein was groͤßer als beydes iſt, auch die Werthachtung aller

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/353>, abgerufen am 21.11.2024.