Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.über den Putz der Kinder. Puder von St. Malo. Das Mädgen schimpfte auf die Na-deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung war in Aufruhr, und meine arme Tasche war dergestalt a la grecque frisirt, daß wir die ganze Woche Wassersuppen essen mußten. Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch Ach! währender Zeit mir eine ungesehene Thräne O! dachte ich in meinem Sinn, möchte doch ein Lan- in B 5
uͤber den Putz der Kinder. Puder von St. Malo. Das Maͤdgen ſchimpfte auf die Na-deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung war in Aufruhr, und meine arme Taſche war dergeſtalt a la grecque friſirt, daß wir die ganze Woche Waſſerſuppen eſſen mußten. Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch Ach! waͤhrender Zeit mir eine ungeſehene Thraͤne O! dachte ich in meinem Sinn, moͤchte doch ein Lan- in B 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="25"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">uͤber den Putz der Kinder.</hi></fw><lb/> Puder von St. Malo. Das Maͤdgen ſchimpfte auf die Na-<lb/> deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais<lb/> auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung<lb/> war in Aufruhr, und meine arme Taſche war dergeſtalt a la<lb/> grecque friſirt, daß wir die ganze Woche Waſſerſuppen eſſen<lb/> mußten.</p><lb/> <p>Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch<lb/> nichts in Vergleichung derjenigen, welche ich auf ihr beſetztes<lb/> Kleid, auf eine neue berliniſche Schnuͤrbruſt, auf eine petite<lb/> Saloppe und andre weſentliche Kleidungsſtuͤcke hatte wenden<lb/> muͤſſen.</p><lb/> <p>Ach! waͤhrender Zeit mir eine ungeſehene Thraͤne<lb/> entwiſchte, hatte das Maͤdgen die unſchuldige Leichtfertigkeit,<lb/> mir zu ſagen: ſie muͤßte nun auch bald eine goldene Uhr ha-<lb/> ben, weil ihre Geſpielinnen bereits dergleichen haͤtten.</p><lb/> <p>O! dachte ich in meinem Sinn, moͤchte doch ein Lan-<lb/> desgeſetz vorhanden ſeyn, wodurch es allen Eltern verboten<lb/> wuͤrde, ihren Toͤchtern vor dem funfzehnten Jahre Silber oder<lb/> Gold, Spitzen oder Blonden, Seiden oder Agremens zu<lb/> geben! oder moͤchten ſich patriotiſche Eltern zu einem ſo heil-<lb/> ſamen Vorſatze freywillig vereinigen! Mit welchem Vergnuͤ-<lb/> gen wuͤrde ſo denn manche bekuͤmmerte Mutter auf ihre zahl-<lb/> reichen Toͤchter herabſchauen! die Ungleichheit der Staͤnde<lb/> duͤrfte hier den Geſetzgeber nicht aufhalten. Kinder ſind<lb/> noch alle gleich, und wann die Eltern mit einer ſolchen Ein-<lb/> ſchraͤnkung zufrieden waͤren: ſo wuͤrde ihre kleine Empfind-<lb/> lichkeit nicht in Betrachtung kommen. Wie groß wuͤrde die<lb/> Freude der Maͤdgen ſeyn, wenn ſie ſich nun in ihrem funf-<lb/> zehnten Jahre zum erſtenmal der aufmerkſamen Neugierde<lb/> in einem ſeidnen Kleide zeigen duͤrften! Und wuͤrde nicht dieſe<lb/> Oekonomie mit ihrem Vergnuͤgen, ihnen bey ihrem Eintritt<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0043]
uͤber den Putz der Kinder.
Puder von St. Malo. Das Maͤdgen ſchimpfte auf die Na-
deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais
auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung
war in Aufruhr, und meine arme Taſche war dergeſtalt a la
grecque friſirt, daß wir die ganze Woche Waſſerſuppen eſſen
mußten.
Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch
nichts in Vergleichung derjenigen, welche ich auf ihr beſetztes
Kleid, auf eine neue berliniſche Schnuͤrbruſt, auf eine petite
Saloppe und andre weſentliche Kleidungsſtuͤcke hatte wenden
muͤſſen.
Ach! waͤhrender Zeit mir eine ungeſehene Thraͤne
entwiſchte, hatte das Maͤdgen die unſchuldige Leichtfertigkeit,
mir zu ſagen: ſie muͤßte nun auch bald eine goldene Uhr ha-
ben, weil ihre Geſpielinnen bereits dergleichen haͤtten.
O! dachte ich in meinem Sinn, moͤchte doch ein Lan-
desgeſetz vorhanden ſeyn, wodurch es allen Eltern verboten
wuͤrde, ihren Toͤchtern vor dem funfzehnten Jahre Silber oder
Gold, Spitzen oder Blonden, Seiden oder Agremens zu
geben! oder moͤchten ſich patriotiſche Eltern zu einem ſo heil-
ſamen Vorſatze freywillig vereinigen! Mit welchem Vergnuͤ-
gen wuͤrde ſo denn manche bekuͤmmerte Mutter auf ihre zahl-
reichen Toͤchter herabſchauen! die Ungleichheit der Staͤnde
duͤrfte hier den Geſetzgeber nicht aufhalten. Kinder ſind
noch alle gleich, und wann die Eltern mit einer ſolchen Ein-
ſchraͤnkung zufrieden waͤren: ſo wuͤrde ihre kleine Empfind-
lichkeit nicht in Betrachtung kommen. Wie groß wuͤrde die
Freude der Maͤdgen ſeyn, wenn ſie ſich nun in ihrem funf-
zehnten Jahre zum erſtenmal der aufmerkſamen Neugierde
in einem ſeidnen Kleide zeigen duͤrften! Und wuͤrde nicht dieſe
Oekonomie mit ihrem Vergnuͤgen, ihnen bey ihrem Eintritt
in
B 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |