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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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solten ein Handwerk lernen.
auch nur mit Schwefelhölzern handeln: so erhält er doch den
Rang über den Künstler, der den Lauf einer Flotte nach sei-
ner Uhr regiert; dem Könige Kronen, dem Helden Schwerd-
ter und dem edlen Landmann Sensen giebt; über den Künst-
ler, der mit seiner Nehnadel den Mann macht, und den
Gelehrten durch seine Presse Bewunderung und Ewigkeit ver-
schaft. Es hält schwer, sich aus diesem Zirkel zu heben:

Wenn ein Handwerk einmal verachtet wird: so treiben
es nur arme und geringe Leute, und was arme und ge-
ringe Leute treiben, das will selten Geschmack, Anse-
hen, Güte und Vortreflichkeit gewinnen.

Schrecklicher Zirkel, der uns an der Wiederaufnahme der
mehrsten deutschen Landstädte zweifeln läßt! Indessen verdient
die Wichtigkeit der Sache doch, daß man einmal diesen Kno-
ten auflöse, und dasjenige Ende ergreife, was Natur und
Vernunft am ersten hervorstossen. Der Klügste muß überall
den Anfang machen; der soll für diesesmal der Reiche seyn,
weil er es am ersten seyn kann. Der Reiche soll also gemeine
Vorurtheile mit Füssen treten, seinen Kindern ein Handwerk
lernen lassen und ihnen seinen mächtigen Beutel geben, da-
mit der böse Zirkel zerstöret werde.

Nichts giebt der Stadt London ein prächtiger Ansehen
als die Buden ihrer Handwerker. Der Schuster hat ein
Magazin von Schuhen, woraus sogleich eine Armee versorgt
werden kann. Beym Tischler findet man einen Vorrath von
Sachen, welche hinreichen, ein königliches Schloß zu meu-
bliren. Bey den Goldschmieden ist mehr Silberwerk als alle
Fürsten in Deutschland auf ihren Tafeln haben; und durch
den Stadtschmied leben hundert Dorfschmiede, die ihm in
die Hand arbeiten, und ihm die Menge von Waaren liefern,
welchen er die letzte Feile und seinen Namen giebt.

Solche

ſolten ein Handwerk lernen.
auch nur mit Schwefelhoͤlzern handeln: ſo erhaͤlt er doch den
Rang uͤber den Kuͤnſtler, der den Lauf einer Flotte nach ſei-
ner Uhr regiert; dem Koͤnige Kronen, dem Helden Schwerd-
ter und dem edlen Landmann Senſen giebt; uͤber den Kuͤnſt-
ler, der mit ſeiner Nehnadel den Mann macht, und den
Gelehrten durch ſeine Preſſe Bewunderung und Ewigkeit ver-
ſchaft. Es haͤlt ſchwer, ſich aus dieſem Zirkel zu heben:

Wenn ein Handwerk einmal verachtet wird: ſo treiben
es nur arme und geringe Leute, und was arme und ge-
ringe Leute treiben, das will ſelten Geſchmack, Anſe-
hen, Güte und Vortreflichkeit gewinnen.

Schrecklicher Zirkel, der uns an der Wiederaufnahme der
mehrſten deutſchen Landſtaͤdte zweifeln laͤßt! Indeſſen verdient
die Wichtigkeit der Sache doch, daß man einmal dieſen Kno-
ten aufloͤſe, und dasjenige Ende ergreife, was Natur und
Vernunft am erſten hervorſtoſſen. Der Kluͤgſte muß uͤberall
den Anfang machen; der ſoll fuͤr dieſesmal der Reiche ſeyn,
weil er es am erſten ſeyn kann. Der Reiche ſoll alſo gemeine
Vorurtheile mit Fuͤſſen treten, ſeinen Kindern ein Handwerk
lernen laſſen und ihnen ſeinen maͤchtigen Beutel geben, da-
mit der boͤſe Zirkel zerſtoͤret werde.

Nichts giebt der Stadt London ein praͤchtiger Anſehen
als die Buden ihrer Handwerker. Der Schuſter hat ein
Magazin von Schuhen, woraus ſogleich eine Armee verſorgt
werden kann. Beym Tiſchler findet man einen Vorrath von
Sachen, welche hinreichen, ein koͤnigliches Schloß zu meu-
bliren. Bey den Goldſchmieden iſt mehr Silberwerk als alle
Fuͤrſten in Deutſchland auf ihren Tafeln haben; und durch
den Stadtſchmied leben hundert Dorfſchmiede, die ihm in
die Hand arbeiten, und ihm die Menge von Waaren liefern,
welchen er die letzte Feile und ſeinen Namen giebt.

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[27/0045] ſolten ein Handwerk lernen. auch nur mit Schwefelhoͤlzern handeln: ſo erhaͤlt er doch den Rang uͤber den Kuͤnſtler, der den Lauf einer Flotte nach ſei- ner Uhr regiert; dem Koͤnige Kronen, dem Helden Schwerd- ter und dem edlen Landmann Senſen giebt; uͤber den Kuͤnſt- ler, der mit ſeiner Nehnadel den Mann macht, und den Gelehrten durch ſeine Preſſe Bewunderung und Ewigkeit ver- ſchaft. Es haͤlt ſchwer, ſich aus dieſem Zirkel zu heben: Wenn ein Handwerk einmal verachtet wird: ſo treiben es nur arme und geringe Leute, und was arme und ge- ringe Leute treiben, das will ſelten Geſchmack, Anſe- hen, Güte und Vortreflichkeit gewinnen. Schrecklicher Zirkel, der uns an der Wiederaufnahme der mehrſten deutſchen Landſtaͤdte zweifeln laͤßt! Indeſſen verdient die Wichtigkeit der Sache doch, daß man einmal dieſen Kno- ten aufloͤſe, und dasjenige Ende ergreife, was Natur und Vernunft am erſten hervorſtoſſen. Der Kluͤgſte muß uͤberall den Anfang machen; der ſoll fuͤr dieſesmal der Reiche ſeyn, weil er es am erſten ſeyn kann. Der Reiche ſoll alſo gemeine Vorurtheile mit Fuͤſſen treten, ſeinen Kindern ein Handwerk lernen laſſen und ihnen ſeinen maͤchtigen Beutel geben, da- mit der boͤſe Zirkel zerſtoͤret werde. Nichts giebt der Stadt London ein praͤchtiger Anſehen als die Buden ihrer Handwerker. Der Schuſter hat ein Magazin von Schuhen, woraus ſogleich eine Armee verſorgt werden kann. Beym Tiſchler findet man einen Vorrath von Sachen, welche hinreichen, ein koͤnigliches Schloß zu meu- bliren. Bey den Goldſchmieden iſt mehr Silberwerk als alle Fuͤrſten in Deutſchland auf ihren Tafeln haben; und durch den Stadtſchmied leben hundert Dorfſchmiede, die ihm in die Hand arbeiten, und ihm die Menge von Waaren liefern, welchen er die letzte Feile und ſeinen Namen giebt. Solche

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/45>, abgerufen am 21.11.2024.