Solche Handwerker dörfen es wagen, den königlichen Prinzen ihr Gilderecht mitzutheilen. Solche Handwerker sind es, woraus der Lordmaire erwählt wird, und Parla- mentsglieder genommen werden. Ein solcher war Tailor, der als Generalzahlmeister im letztern Kriege sich als Meister zu dem Silberservice bekannte, woraus er die Generalität be- wirthete. Was ist der Krämer dagegen, der mit Caffee und Zucker höckert, oder mit Mäufefallen, Puppen und Schwär- mern hausirt!
Zur Zeit des Hanseatischen Bundes hatte das deutsche Handwerk eben die Ehre, die es noch in England hat. Noch in dem vorigen Jahrhundert liessen es sich die Vornehmsten einer Stadt gefallen, das Gilderecht anzunehmen; und Ge- lehrte machten sich sowol eine Ehre, als eine Pflicht daraus, Gildebrüder zu werden. Die fürstlichen Räthe waren Zunft- genossen; und man hielt es für keinem Widerspruch wie jezt, zugleich ein guter Bürger und ein guter Canzler zu seyn. Es ist ein falscher Grundsatz gewesen, der hier eine Trennung gemacht hat. Sehr viele Streitigkeiten und unnöthige Be- freyungen würden ein Ende haben, wenn sie nie erfolgt wäre. Jedes Amt, das ein Bürger übernimmt, würdiget ihn in seiner Maasse, und ertheilt ihm einige demselben angemessene persönliche Freyheiten. Es hindert ihn aber nicht in allen übrigen, der bürgerlichen Lasten und Vortheile theilhaftig zu bleiben.
Der Verfall der deutschen Handlung zog den Verfall des Handwerks nach sich. Der berühmte Reichsabschied, welcher die Handwerks-Mißbräuche heben sollte, in der That aber den Gilden einen Theil ihrer bis dahin gehabten Ehre raubte, kam hierzu. Und der Kaiser, der die Vereinigun- gen der Domcapittel und Ritterschaften, wegen der Ahnen-
probe
Reicher Leute Kinder
Solche Handwerker doͤrfen es wagen, den koͤniglichen Prinzen ihr Gilderecht mitzutheilen. Solche Handwerker ſind es, woraus der Lordmaire erwaͤhlt wird, und Parla- mentsglieder genommen werden. Ein ſolcher war Tailor, der als Generalzahlmeiſter im letztern Kriege ſich als Meiſter zu dem Silberſervice bekannte, woraus er die Generalitaͤt be- wirthete. Was iſt der Kraͤmer dagegen, der mit Caffee und Zucker hoͤckert, oder mit Maͤufefallen, Puppen und Schwaͤr- mern hauſirt!
Zur Zeit des Hanſeatiſchen Bundes hatte das deutſche Handwerk eben die Ehre, die es noch in England hat. Noch in dem vorigen Jahrhundert lieſſen es ſich die Vornehmſten einer Stadt gefallen, das Gilderecht anzunehmen; und Ge- lehrte machten ſich ſowol eine Ehre, als eine Pflicht daraus, Gildebruͤder zu werden. Die fuͤrſtlichen Raͤthe waren Zunft- genoſſen; und man hielt es fuͤr keinem Widerſpruch wie jezt, zugleich ein guter Buͤrger und ein guter Canzler zu ſeyn. Es iſt ein falſcher Grundſatz geweſen, der hier eine Trennung gemacht hat. Sehr viele Streitigkeiten und unnoͤthige Be- freyungen wuͤrden ein Ende haben, wenn ſie nie erfolgt waͤre. Jedes Amt, das ein Buͤrger uͤbernimmt, wuͤrdiget ihn in ſeiner Maaſſe, und ertheilt ihm einige demſelben angemeſſene perſoͤnliche Freyheiten. Es hindert ihn aber nicht in allen uͤbrigen, der buͤrgerlichen Laſten und Vortheile theilhaftig zu bleiben.
Der Verfall der deutſchen Handlung zog den Verfall des Handwerks nach ſich. Der beruͤhmte Reichsabſchied, welcher die Handwerks-Mißbraͤuche heben ſollte, in der That aber den Gilden einen Theil ihrer bis dahin gehabten Ehre raubte, kam hierzu. Und der Kaiſer, der die Vereinigun- gen der Domcapittel und Ritterſchaften, wegen der Ahnen-
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[28/0046]
Reicher Leute Kinder
Solche Handwerker doͤrfen es wagen, den koͤniglichen
Prinzen ihr Gilderecht mitzutheilen. Solche Handwerker
ſind es, woraus der Lordmaire erwaͤhlt wird, und Parla-
mentsglieder genommen werden. Ein ſolcher war Tailor,
der als Generalzahlmeiſter im letztern Kriege ſich als Meiſter
zu dem Silberſervice bekannte, woraus er die Generalitaͤt be-
wirthete. Was iſt der Kraͤmer dagegen, der mit Caffee und
Zucker hoͤckert, oder mit Maͤufefallen, Puppen und Schwaͤr-
mern hauſirt!
Zur Zeit des Hanſeatiſchen Bundes hatte das deutſche
Handwerk eben die Ehre, die es noch in England hat. Noch
in dem vorigen Jahrhundert lieſſen es ſich die Vornehmſten
einer Stadt gefallen, das Gilderecht anzunehmen; und Ge-
lehrte machten ſich ſowol eine Ehre, als eine Pflicht daraus,
Gildebruͤder zu werden. Die fuͤrſtlichen Raͤthe waren Zunft-
genoſſen; und man hielt es fuͤr keinem Widerſpruch wie jezt,
zugleich ein guter Buͤrger und ein guter Canzler zu ſeyn. Es
iſt ein falſcher Grundſatz geweſen, der hier eine Trennung
gemacht hat. Sehr viele Streitigkeiten und unnoͤthige Be-
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Jedes Amt, das ein Buͤrger uͤbernimmt, wuͤrdiget ihn in
ſeiner Maaſſe, und ertheilt ihm einige demſelben angemeſſene
perſoͤnliche Freyheiten. Es hindert ihn aber nicht in allen
uͤbrigen, der buͤrgerlichen Laſten und Vortheile theilhaftig zu
bleiben.
Der Verfall der deutſchen Handlung zog den Verfall
des Handwerks nach ſich. Der beruͤhmte Reichsabſchied,
welcher die Handwerks-Mißbraͤuche heben ſollte, in der That
aber den Gilden einen Theil ihrer bis dahin gehabten Ehre
raubte, kam hierzu. Und der Kaiſer, der die Vereinigun-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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