Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.solten ein Handwerk lernen. probe bestätigte, fand es ungerecht, daß die Gilden nicht alleSöhne von Mutterleibe gebohren in ihre Zunft aufnehmen wolten; gerade als ob es nicht die erste und feinste Regel der Staatsklugheit wäre, unterschiedene Klassen von Menschen zu haben, um jeden in seiner Art mit einem nothdürftigen Antheil von Ehre aufmuntern zu können. In despotischen Staaten ist der Herr alles, und der Rest Pöbel. Die glück- lichste Verfassung geht vom Throne in sanften Stufen herun- ter, und jede Stufe hat einen Grad von Ehre, der ihr eigen bleibt, und die siebende hat so wohl ein Recht zu ihrer Er- haltung als die zweyte. Diese Grundsätze hatte man bey dem Reichsabschiede ziemlich aus den Augen gesetzt; und die Wissenschaften, welche sich damals immer mehr und mehr ausbreiteten, erhoben den Mann, der von den Schuhen der Griechen und Römer schreiben konnte, über den Mann, der mit eigner Hand weit bessere machte. Den lezten Stoß empfiengen die Handwerke von den Diesem Uebel kann nicht vorgebeugt werden oder reiche ten
ſolten ein Handwerk lernen. probe beſtaͤtigte, fand es ungerecht, daß die Gilden nicht alleSoͤhne von Mutterleibe gebohren in ihre Zunft aufnehmen wolten; gerade als ob es nicht die erſte und feinſte Regel der Staatsklugheit waͤre, unterſchiedene Klaſſen von Menſchen zu haben, um jeden in ſeiner Art mit einem nothduͤrftigen Antheil von Ehre aufmuntern zu koͤnnen. In deſpotiſchen Staaten iſt der Herr alles, und der Reſt Poͤbel. Die gluͤck- lichſte Verfaſſung geht vom Throne in ſanften Stufen herun- ter, und jede Stufe hat einen Grad von Ehre, der ihr eigen bleibt, und die ſiebende hat ſo wohl ein Recht zu ihrer Er- haltung als die zweyte. Dieſe Grundſaͤtze hatte man bey dem Reichsabſchiede ziemlich aus den Augen geſetzt; und die Wiſſenſchaften, welche ſich damals immer mehr und mehr ausbreiteten, erhoben den Mann, der von den Schuhen der Griechen und Roͤmer ſchreiben konnte, uͤber den Mann, der mit eigner Hand weit beſſere machte. Den lezten Stoß empfiengen die Handwerke von den Dieſem Uebel kann nicht vorgebeugt werden oder reiche ten
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ſolten ein Handwerk lernen.
probe beſtaͤtigte, fand es ungerecht, daß die Gilden nicht alle
Soͤhne von Mutterleibe gebohren in ihre Zunft aufnehmen
wolten; gerade als ob es nicht die erſte und feinſte Regel der
Staatsklugheit waͤre, unterſchiedene Klaſſen von Menſchen
zu haben, um jeden in ſeiner Art mit einem nothduͤrftigen
Antheil von Ehre aufmuntern zu koͤnnen. In deſpotiſchen
Staaten iſt der Herr alles, und der Reſt Poͤbel. Die gluͤck-
lichſte Verfaſſung geht vom Throne in ſanften Stufen herun-
ter, und jede Stufe hat einen Grad von Ehre, der ihr eigen
bleibt, und die ſiebende hat ſo wohl ein Recht zu ihrer Er-
haltung als die zweyte. Dieſe Grundſaͤtze hatte man bey
dem Reichsabſchiede ziemlich aus den Augen geſetzt; und die
Wiſſenſchaften, welche ſich damals immer mehr und mehr
ausbreiteten, erhoben den Mann, der von den Schuhen der
Griechen und Roͤmer ſchreiben konnte, uͤber den Mann, der
mit eigner Hand weit beſſere machte.
Den lezten Stoß empfiengen die Handwerke von den
Fabricken. Die Franzoſen, welche ihr Vaterland verlaſſen
mußten, adelten dieſen Namen. Fuͤrſten und Grafen durf-
ten die Aufſicht uͤber ihre Fabrickleute, welche fuͤr ihre Rech-
nung arbeiteten, haben; aber wer ihnen deswegen den Titel
eines Amtsmeiſters haͤtte geben wollen, wuͤrde ihrer Ungnade
nicht entgangen ſeyn. Der Miniſter eines gewiſſen Herrn
war ein Lederfabricant; aber kein Lohgerber. Nach den Plan
der neuen iſt es beſſer, daß alle Buͤrger, Geſellen, und die
Cammerraͤthe Meiſter ſeyn. Und die weitere Verachtung
des Handwerks fuͤhret gerades Weges zu dieſer tuͤrkiſchen Ein-
richtung.
Dieſem Uebel kann nicht vorgebeugt werden oder reiche
Leute muͤſſen Handwerker werden. Da der Gold- und Sil-
berfabricant, der Hut- und Strumpffabriqueur an vielen Or-
ten
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