Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Reicher Leute Kinder ten in Pallästen wohnet, und alle der Vorzüge geniesset, wel-che Erfahrung, Klugheit, Aufführung und Reichthum ge- währen kann: warum sollte ein Meister Hutmacher und ein Meister Strumpfwirker, wenn er es so hoch als jene bringt, nicht eben das Ansehen erlangen können? die Meisterschaft ist gewiß keine Unehre. Der Czar, Peter der Große, diente als Junge und Geselle und ward Schifs-Zimmermeister. Der Krieg ward ehedem Zunftmäßig erlernt. Einer mußte als Junge und Knape gedient haben, ehe er Ritter oder Meister werden konnte. Die Zunftgerechte Krieger haben sich zuerst von dem gemeinen Landkrieger unterschieden, und das ist der erste Ursprung des Adels gewesen. Noch jetzt ist im Mili- tairstande ein Schatten dieser Verfassung übrig. Einer muß erst als Gemeiner gedienet haben, ehe er von Rechtswegen zum Grade eines Officiers gelangen kann. Unter den Ge- meinen finden sich oft sehr schlechte Leute, und man ist in neuern Zeiten, wo jeder gesunder Kerl willkommen ist, min- der aufmerksam auf die Ehre der Recruten. Allein es ist darum kein Schimpf als gemeiner gedienet zu haben, ob man gleich wegen des letztern Umstandes schon anfängt den Recru- ten aus fürstlichen Geblüte höher andienen zu lassen, und über- haupt einen bedenklichen Eingang macht jenes große Gesetz, dem sich nur Peter der Große unterwarf, allmählig in Ver- gessenheit zu bringen, und damit die Ehre der Gemeinen, wovon doch der Geist des Regiments abhängt, zu vermin- dern. Wenn es also an sich eine Ehre ist, Zunftgerecht seyn; ge-
Reicher Leute Kinder ten in Pallaͤſten wohnet, und alle der Vorzuͤge genieſſet, wel-che Erfahrung, Klugheit, Auffuͤhrung und Reichthum ge- waͤhren kann: warum ſollte ein Meiſter Hutmacher und ein Meiſter Strumpfwirker, wenn er es ſo hoch als jene bringt, nicht eben das Anſehen erlangen koͤnnen? die Meiſterſchaft iſt gewiß keine Unehre. Der Czar, Peter der Große, diente als Junge und Geſelle und ward Schifs-Zimmermeiſter. Der Krieg ward ehedem Zunftmaͤßig erlernt. Einer mußte als Junge und Knape gedient haben, ehe er Ritter oder Meiſter werden konnte. Die Zunftgerechte Krieger haben ſich zuerſt von dem gemeinen Landkrieger unterſchieden, und das iſt der erſte Urſprung des Adels geweſen. Noch jetzt iſt im Mili- tairſtande ein Schatten dieſer Verfaſſung uͤbrig. Einer muß erſt als Gemeiner gedienet haben, ehe er von Rechtswegen zum Grade eines Officiers gelangen kann. Unter den Ge- meinen finden ſich oft ſehr ſchlechte Leute, und man iſt in neuern Zeiten, wo jeder geſunder Kerl willkommen iſt, min- der aufmerkſam auf die Ehre der Recruten. Allein es iſt darum kein Schimpf als gemeiner gedienet zu haben, ob man gleich wegen des letztern Umſtandes ſchon anfaͤngt den Recru- ten aus fuͤrſtlichen Gebluͤte hoͤher andienen zu laſſen, und uͤber- haupt einen bedenklichen Eingang macht jenes große Geſetz, dem ſich nur Peter der Große unterwarf, allmaͤhlig in Ver- geſſenheit zu bringen, und damit die Ehre der Gemeinen, wovon doch der Geiſt des Regiments abhaͤngt, zu vermin- dern. Wenn es alſo an ſich eine Ehre iſt, Zunftgerecht ſeyn; ge-
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Reicher Leute Kinder
ten in Pallaͤſten wohnet, und alle der Vorzuͤge genieſſet, wel-
che Erfahrung, Klugheit, Auffuͤhrung und Reichthum ge-
waͤhren kann: warum ſollte ein Meiſter Hutmacher und ein
Meiſter Strumpfwirker, wenn er es ſo hoch als jene bringt,
nicht eben das Anſehen erlangen koͤnnen? die Meiſterſchaft iſt
gewiß keine Unehre. Der Czar, Peter der Große, diente als
Junge und Geſelle und ward Schifs-Zimmermeiſter. Der
Krieg ward ehedem Zunftmaͤßig erlernt. Einer mußte als
Junge und Knape gedient haben, ehe er Ritter oder Meiſter
werden konnte. Die Zunftgerechte Krieger haben ſich zuerſt
von dem gemeinen Landkrieger unterſchieden, und das iſt der
erſte Urſprung des Adels geweſen. Noch jetzt iſt im Mili-
tairſtande ein Schatten dieſer Verfaſſung uͤbrig. Einer muß
erſt als Gemeiner gedienet haben, ehe er von Rechtswegen
zum Grade eines Officiers gelangen kann. Unter den Ge-
meinen finden ſich oft ſehr ſchlechte Leute, und man iſt in
neuern Zeiten, wo jeder geſunder Kerl willkommen iſt, min-
der aufmerkſam auf die Ehre der Recruten. Allein es iſt
darum kein Schimpf als gemeiner gedienet zu haben, ob man
gleich wegen des letztern Umſtandes ſchon anfaͤngt den Recru-
ten aus fuͤrſtlichen Gebluͤte hoͤher andienen zu laſſen, und uͤber-
haupt einen bedenklichen Eingang macht jenes große Geſetz,
dem ſich nur Peter der Große unterwarf, allmaͤhlig in Ver-
geſſenheit zu bringen, und damit die Ehre der Gemeinen,
wovon doch der Geiſt des Regiments abhaͤngt, zu vermin-
dern.
Wenn es alſo an ſich eine Ehre iſt, Zunftgerecht ſeyn;
und wenn ſich ſo gleich ein Handwerk hebt, ſo bald es nur
Leute treiben, die demſelben den aͤuſſerlichen Glanz geben koͤn-
nen; was hindert es denn, daß reiche Leute ihren Kindern
ein Handwerk lernen laſſen? Man denke nicht die Ehre ſey
blos eine nothwendige Triebfeder des Militairſtandes. Der
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