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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die Spinnstube,
zu der nothwendigen Achtsamkeit auf Kleinigkeiten; und ihr
Herz erweitert sich bey Zeiten zu den christlichen Pflichten
im niedrigen Leben, wozu sich andre sonst mehr aus Stolz
als aus Religion herab lassen. Ordentlicher Weise aber lasse
ich meine Kinder mit dem Gesinde nicht allein. Wenn es
aber von ungefehr geschieht; so habe ich weniger zu fürchten,
als andre, deren Kinder mit einem verachteten Gesinde ver-
stohlne Zusammenkünfte halten. Ich muß aber dabey be-
merken, daß ich meine Kinder hauptsächlich zur Landwirth-
schaft, und zu derjenigen Vernunft erziehe, welche die Erfah-
rung mit sich bringt. Von gelehrten Hofmeistern lernen tau-
send die Kunst nach einem Modell zu denken und zu handlen.
Aufmerksamkeit und Erfahrung aber bringen nützliche Origi-
nale oder doch brauchbare Copien hervor.

Arist schien mit einiger Ungedult das Ende dieser lan-
gen Rede zu erwarten, und vielleicht hätte er Selindens Va-
ter in manchen Stellen unterbrochen, wenn der Ernst, wo-
mit diese ihrem Vater zuhörte, ihn nicht behutsam gemacht
hätte. Es ist einem jeden nicht gegeben, fiel er jedoch hier
ein, sich mit seinem Gesinde so gemein zu machen; und ich
glaube man thut allezeit am besten, wenn man sie in gehöri-
ger Ehrfurcht und Entfernung hält. Alle Menschen sind zwar
von Natur einander gleich. Allein unsre Umstände wollen
doch einigen Unterschied haben; und es ist nicht übel solchen
durch gewisse äusserliche Zeichen in der Einbildung der Men-
schen zu unterhalten. Mit eben den Gründen, womit sie mir
die Spinnstube anpreisen, könnte ich ihnen die Dorfschenke
rühmen. Und vielleicht bewiese ich ihnen aus der Geschichte
des vorigen Jahrhunderts, daß verschiedene Kayser und Kö-
nige, wenn ihnen die allezeit in einerley Gemüthsuniforme
erscheinende Hofleute Langeweile verursachet, sich oft in einem
Baurenhause gelabet, und ihren getreuesten Unterthanen un-
erkannter Weise zugetrunken haben.

Und

Die Spinnſtube,
zu der nothwendigen Achtſamkeit auf Kleinigkeiten; und ihr
Herz erweitert ſich bey Zeiten zu den chriſtlichen Pflichten
im niedrigen Leben, wozu ſich andre ſonſt mehr aus Stolz
als aus Religion herab laſſen. Ordentlicher Weiſe aber laſſe
ich meine Kinder mit dem Geſinde nicht allein. Wenn es
aber von ungefehr geſchieht; ſo habe ich weniger zu fuͤrchten,
als andre, deren Kinder mit einem verachteten Geſinde ver-
ſtohlne Zuſammenkuͤnfte halten. Ich muß aber dabey be-
merken, daß ich meine Kinder hauptſaͤchlich zur Landwirth-
ſchaft, und zu derjenigen Vernunft erziehe, welche die Erfah-
rung mit ſich bringt. Von gelehrten Hofmeiſtern lernen tau-
ſend die Kunſt nach einem Modell zu denken und zu handlen.
Aufmerkſamkeit und Erfahrung aber bringen nuͤtzliche Origi-
nale oder doch brauchbare Copien hervor.

Ariſt ſchien mit einiger Ungedult das Ende dieſer lan-
gen Rede zu erwarten, und vielleicht haͤtte er Selindens Va-
ter in manchen Stellen unterbrochen, wenn der Ernſt, wo-
mit dieſe ihrem Vater zuhoͤrte, ihn nicht behutſam gemacht
haͤtte. Es iſt einem jeden nicht gegeben, fiel er jedoch hier
ein, ſich mit ſeinem Geſinde ſo gemein zu machen; und ich
glaube man thut allezeit am beſten, wenn man ſie in gehoͤri-
ger Ehrfurcht und Entfernung haͤlt. Alle Menſchen ſind zwar
von Natur einander gleich. Allein unſre Umſtaͤnde wollen
doch einigen Unterſchied haben; und es iſt nicht uͤbel ſolchen
durch gewiſſe aͤuſſerliche Zeichen in der Einbildung der Men-
ſchen zu unterhalten. Mit eben den Gruͤnden, womit ſie mir
die Spinnſtube anpreiſen, koͤnnte ich ihnen die Dorfſchenke
ruͤhmen. Und vielleicht bewieſe ich ihnen aus der Geſchichte
des vorigen Jahrhunderts, daß verſchiedene Kayſer und Koͤ-
nige, wenn ihnen die allezeit in einerley Gemuͤthsuniforme
erſcheinende Hofleute Langeweile verurſachet, ſich oft in einem
Baurenhauſe gelabet, und ihren getreueſten Unterthanen un-
erkannter Weiſe zugetrunken haben.

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[48/0066] Die Spinnſtube, zu der nothwendigen Achtſamkeit auf Kleinigkeiten; und ihr Herz erweitert ſich bey Zeiten zu den chriſtlichen Pflichten im niedrigen Leben, wozu ſich andre ſonſt mehr aus Stolz als aus Religion herab laſſen. Ordentlicher Weiſe aber laſſe ich meine Kinder mit dem Geſinde nicht allein. Wenn es aber von ungefehr geſchieht; ſo habe ich weniger zu fuͤrchten, als andre, deren Kinder mit einem verachteten Geſinde ver- ſtohlne Zuſammenkuͤnfte halten. Ich muß aber dabey be- merken, daß ich meine Kinder hauptſaͤchlich zur Landwirth- ſchaft, und zu derjenigen Vernunft erziehe, welche die Erfah- rung mit ſich bringt. Von gelehrten Hofmeiſtern lernen tau- ſend die Kunſt nach einem Modell zu denken und zu handlen. Aufmerkſamkeit und Erfahrung aber bringen nuͤtzliche Origi- nale oder doch brauchbare Copien hervor. Ariſt ſchien mit einiger Ungedult das Ende dieſer lan- gen Rede zu erwarten, und vielleicht haͤtte er Selindens Va- ter in manchen Stellen unterbrochen, wenn der Ernſt, wo- mit dieſe ihrem Vater zuhoͤrte, ihn nicht behutſam gemacht haͤtte. Es iſt einem jeden nicht gegeben, fiel er jedoch hier ein, ſich mit ſeinem Geſinde ſo gemein zu machen; und ich glaube man thut allezeit am beſten, wenn man ſie in gehoͤri- ger Ehrfurcht und Entfernung haͤlt. Alle Menſchen ſind zwar von Natur einander gleich. Allein unſre Umſtaͤnde wollen doch einigen Unterſchied haben; und es iſt nicht uͤbel ſolchen durch gewiſſe aͤuſſerliche Zeichen in der Einbildung der Men- ſchen zu unterhalten. Mit eben den Gruͤnden, womit ſie mir die Spinnſtube anpreiſen, koͤnnte ich ihnen die Dorfſchenke ruͤhmen. Und vielleicht bewieſe ich ihnen aus der Geſchichte des vorigen Jahrhunderts, daß verſchiedene Kayſer und Koͤ- nige, wenn ihnen die allezeit in einerley Gemuͤthsuniforme erſcheinende Hofleute Langeweile verurſachet, ſich oft in einem Baurenhauſe gelabet, und ihren getreueſten Unterthanen un- erkannter Weiſe zugetrunken haben. Und

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/66>, abgerufen am 24.11.2024.