Längst hat man dahier erkannt, daß der Sohn eines Leib- eignen sich der väterlichen Erbschaft, die doch, weil sie zum Sterbfall gehört und von ihm gelöset werden muß, gar nicht vorhanden ist, entschlagen, folgends das Erbe aus der freyen Hand des Gutsherrn empfangen könne. Warum macht man aber dieses nicht zum allgemeinen Gesetz? und setzt einmal für alle fest, daß der Sohn eines reihepflichtigen Leibeignen wegen unbewilligter elterlicher Schulden nie in gerichtlichen Anspruch genommen werden solle?
Vielleicht ist dieses zu strenge; und dem Credit nachtheilig, welchen der Pfründer doch dann und wann nothwendig ha- ben muß. Gut, man verordne dann den unbewilligten Gläu- bigern zum Besten ein Nach- und Gnadenjahr; man setze de- ren allenfalls viere; oder nach dem Exempel Moses sechse, und lasse das siebende ein Freyjahr seyn: so bleibt die Pfründe so lange in des Anerbens bloßer Verwaltung; (custodia be- neficii) und man weis doch endlich die Zeit, worinn der welt- liche Pfründener zum ruhigen und freyen Besitz des Hofes ge- langen kan. Ist ihm nun aber dieser einmal gewähret: so kan man mit der Abäußerung um so viel strenger durchfahren, weil er sich sodann nicht wie jetzt auf seiner Vorfahren Schul- den berufen kan, das einzige was sonst die mehrste Schwierig- keit macht.
Man glaube nicht, daß ich die Vergleichung der geistlichen und weltlichen Pfründe nur obenhin gemacht habe. Ich mache mich anheischig, jeden Punkt, auch selbst das Nach- und Gna- denjahr, die Verehrung des Patrons mit Gold und Silber, das jus resignandi, das jus devolutionis, wann der Guts- herr mit der Erbesbesatzung nachläßig ist, und sehr viel andre Uebereinstimmungen aus den westphälischen Hofrechten buch- stäblich zu erweisen und zugleich zu zeigen, daß das canonische
Recht
uͤber die Abaͤußerungs- oder Abmeyerungsurſ.
Laͤngſt hat man dahier erkannt, daß der Sohn eines Leib- eignen ſich der vaͤterlichen Erbſchaft, die doch, weil ſie zum Sterbfall gehoͤrt und von ihm geloͤſet werden muß, gar nicht vorhanden iſt, entſchlagen, folgends das Erbe aus der freyen Hand des Gutsherrn empfangen koͤnne. Warum macht man aber dieſes nicht zum allgemeinen Geſetz? und ſetzt einmal fuͤr alle feſt, daß der Sohn eines reihepflichtigen Leibeignen wegen unbewilligter elterlicher Schulden nie in gerichtlichen Anſpruch genommen werden ſolle?
Vielleicht iſt dieſes zu ſtrenge; und dem Credit nachtheilig, welchen der Pfruͤnder doch dann und wann nothwendig ha- ben muß. Gut, man verordne dann den unbewilligten Glaͤu- bigern zum Beſten ein Nach- und Gnadenjahr; man ſetze de- ren allenfalls viere; oder nach dem Exempel Moſes ſechſe, und laſſe das ſiebende ein Freyjahr ſeyn: ſo bleibt die Pfruͤnde ſo lange in des Anerbens bloßer Verwaltung; (cuſtodia be- neficii) und man weis doch endlich die Zeit, worinn der welt- liche Pfruͤndener zum ruhigen und freyen Beſitz des Hofes ge- langen kan. Iſt ihm nun aber dieſer einmal gewaͤhret: ſo kan man mit der Abaͤußerung um ſo viel ſtrenger durchfahren, weil er ſich ſodann nicht wie jetzt auf ſeiner Vorfahren Schul- den berufen kan, das einzige was ſonſt die mehrſte Schwierig- keit macht.
Man glaube nicht, daß ich die Vergleichung der geiſtlichen und weltlichen Pfruͤnde nur obenhin gemacht habe. Ich mache mich anheiſchig, jeden Punkt, auch ſelbſt das Nach- und Gna- denjahr, die Verehrung des Patrons mit Gold und Silber, das jus reſignandi, das jus devolutionis, wann der Guts- herr mit der Erbesbeſatzung nachlaͤßig iſt, und ſehr viel andre Uebereinſtimmungen aus den weſtphaͤliſchen Hofrechten buch- ſtaͤblich zu erweiſen und zugleich zu zeigen, daß das canoniſche
Recht
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uͤber die Abaͤußerungs- oder Abmeyerungsurſ.
Laͤngſt hat man dahier erkannt, daß der Sohn eines Leib-
eignen ſich der vaͤterlichen Erbſchaft, die doch, weil ſie zum
Sterbfall gehoͤrt und von ihm geloͤſet werden muß, gar nicht
vorhanden iſt, entſchlagen, folgends das Erbe aus der freyen
Hand des Gutsherrn empfangen koͤnne. Warum macht man
aber dieſes nicht zum allgemeinen Geſetz? und ſetzt einmal
fuͤr alle feſt, daß der Sohn eines reihepflichtigen Leibeignen
wegen unbewilligter elterlicher Schulden nie in gerichtlichen
Anſpruch genommen werden ſolle?
Vielleicht iſt dieſes zu ſtrenge; und dem Credit nachtheilig,
welchen der Pfruͤnder doch dann und wann nothwendig ha-
ben muß. Gut, man verordne dann den unbewilligten Glaͤu-
bigern zum Beſten ein Nach- und Gnadenjahr; man ſetze de-
ren allenfalls viere; oder nach dem Exempel Moſes ſechſe,
und laſſe das ſiebende ein Freyjahr ſeyn: ſo bleibt die Pfruͤnde
ſo lange in des Anerbens bloßer Verwaltung; (cuſtodia be-
neficii) und man weis doch endlich die Zeit, worinn der welt-
liche Pfruͤndener zum ruhigen und freyen Beſitz des Hofes ge-
langen kan. Iſt ihm nun aber dieſer einmal gewaͤhret: ſo
kan man mit der Abaͤußerung um ſo viel ſtrenger durchfahren,
weil er ſich ſodann nicht wie jetzt auf ſeiner Vorfahren Schul-
den berufen kan, das einzige was ſonſt die mehrſte Schwierig-
keit macht.
Man glaube nicht, daß ich die Vergleichung der geiſtlichen
und weltlichen Pfruͤnde nur obenhin gemacht habe. Ich mache
mich anheiſchig, jeden Punkt, auch ſelbſt das Nach- und Gna-
denjahr, die Verehrung des Patrons mit Gold und Silber,
das jus reſignandi, das jus devolutionis, wann der Guts-
herr mit der Erbesbeſatzung nachlaͤßig iſt, und ſehr viel andre
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/193>, abgerufen am 24.11.2024.
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