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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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und landsäßigen Schuldner.

Auf der andern Seite dünkt es dem Richter oft grausam,
die Kinder von ihrem väterlichen Hofe um einer geringen
Schuldforderung willen zu verdringen. Er sieht fast gewiß,
daß das Gut, was er in einer geldlosen unbequemen Zeit
losschlagen muß, über einige Jahre weit mehr gelten, und
zur Sicherheit des Gläubigers völlig hinreichen werde. Er
denkt: Der Blitz, der die Gründe des Gläubigers nicht
rühren können, weil sein Vermögen in Schuldverschreibungen
besteht, hat vielleicht nicht blos den Schuldner sondern auch
den Gläubiger heimsuchen wollen. Jener hat sich gegen die
Kriegesbeschwerden als ein treuer Unterthan gewehret, das
Unterpfand des Gläubigers mit Aufopfferung seines übrigen
Vermögens gerettet, und alles Ungewitter über sich ergehen
lassen; dieser hingegen ist mit seinem Schuldbuche in fremde
Länder geflüchtet, und hat dem Sturm vom Ufer zugesehen.
Soll ich, schließt er, dem unglücklichen Landbesitzer sein Hof-
gewehr nehmen; womit will er dann seinen Acker bestellen;
und will ich den Hof verkaufen, wie groß sind nicht auch
die nothwendigsten Kosten? Ich weiß gewiß, sagt er dem
Gläubiger, der am eifrigsten auf seine Bezahlung dringt,
daß ihr doch am Ende nichts erhalten und ein andrer jetzt noch
schlafender oder gütigerer Gläubiger damit durchgehen werde;
soll ich also den Schuldner blos um des willen zu Grunde
richten, um euch zu überzeugen, daß nach Abzug aller Kosten
und Bezahlung älterer Schulden nichts übrig sey?

Aber was soll nun der Richter thun?

Was der Richter thun solle? Wenn der Schuldner ein
freyer Mann ist: so nehme er ihm alles was er hat, und ver-
kaufe es. Für den Staat ist es vielleicht besser, daß ein
freudiger Käufer als ein verarmter und muthloser Eigenthü-
mer auf dem Hofe liege. Und was kan man in aller Welt

für
Mösers patr. Phantas. II. Th. O
und landſaͤßigen Schuldner.

Auf der andern Seite duͤnkt es dem Richter oft grauſam,
die Kinder von ihrem vaͤterlichen Hofe um einer geringen
Schuldforderung willen zu verdringen. Er ſieht faſt gewiß,
daß das Gut, was er in einer geldloſen unbequemen Zeit
losſchlagen muß, uͤber einige Jahre weit mehr gelten, und
zur Sicherheit des Glaͤubigers voͤllig hinreichen werde. Er
denkt: Der Blitz, der die Gruͤnde des Glaͤubigers nicht
ruͤhren koͤnnen, weil ſein Vermoͤgen in Schuldverſchreibungen
beſteht, hat vielleicht nicht blos den Schuldner ſondern auch
den Glaͤubiger heimſuchen wollen. Jener hat ſich gegen die
Kriegesbeſchwerden als ein treuer Unterthan gewehret, das
Unterpfand des Glaͤubigers mit Aufopfferung ſeines uͤbrigen
Vermoͤgens gerettet, und alles Ungewitter uͤber ſich ergehen
laſſen; dieſer hingegen iſt mit ſeinem Schuldbuche in fremde
Laͤnder gefluͤchtet, und hat dem Sturm vom Ufer zugeſehen.
Soll ich, ſchließt er, dem ungluͤcklichen Landbeſitzer ſein Hof-
gewehr nehmen; womit will er dann ſeinen Acker beſtellen;
und will ich den Hof verkaufen, wie groß ſind nicht auch
die nothwendigſten Koſten? Ich weiß gewiß, ſagt er dem
Glaͤubiger, der am eifrigſten auf ſeine Bezahlung dringt,
daß ihr doch am Ende nichts erhalten und ein andrer jetzt noch
ſchlafender oder guͤtigerer Glaͤubiger damit durchgehen werde;
ſoll ich alſo den Schuldner blos um des willen zu Grunde
richten, um euch zu uͤberzeugen, daß nach Abzug aller Koſten
und Bezahlung aͤlterer Schulden nichts uͤbrig ſey?

Aber was ſoll nun der Richter thun?

Was der Richter thun ſolle? Wenn der Schuldner ein
freyer Mann iſt: ſo nehme er ihm alles was er hat, und ver-
kaufe es. Fuͤr den Staat iſt es vielleicht beſſer, daß ein
freudiger Kaͤufer als ein verarmter und muthloſer Eigenthuͤ-
mer auf dem Hofe liege. Und was kan man in aller Welt

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[209/0227] und landſaͤßigen Schuldner. Auf der andern Seite duͤnkt es dem Richter oft grauſam, die Kinder von ihrem vaͤterlichen Hofe um einer geringen Schuldforderung willen zu verdringen. Er ſieht faſt gewiß, daß das Gut, was er in einer geldloſen unbequemen Zeit losſchlagen muß, uͤber einige Jahre weit mehr gelten, und zur Sicherheit des Glaͤubigers voͤllig hinreichen werde. Er denkt: Der Blitz, der die Gruͤnde des Glaͤubigers nicht ruͤhren koͤnnen, weil ſein Vermoͤgen in Schuldverſchreibungen beſteht, hat vielleicht nicht blos den Schuldner ſondern auch den Glaͤubiger heimſuchen wollen. Jener hat ſich gegen die Kriegesbeſchwerden als ein treuer Unterthan gewehret, das Unterpfand des Glaͤubigers mit Aufopfferung ſeines uͤbrigen Vermoͤgens gerettet, und alles Ungewitter uͤber ſich ergehen laſſen; dieſer hingegen iſt mit ſeinem Schuldbuche in fremde Laͤnder gefluͤchtet, und hat dem Sturm vom Ufer zugeſehen. Soll ich, ſchließt er, dem ungluͤcklichen Landbeſitzer ſein Hof- gewehr nehmen; womit will er dann ſeinen Acker beſtellen; und will ich den Hof verkaufen, wie groß ſind nicht auch die nothwendigſten Koſten? Ich weiß gewiß, ſagt er dem Glaͤubiger, der am eifrigſten auf ſeine Bezahlung dringt, daß ihr doch am Ende nichts erhalten und ein andrer jetzt noch ſchlafender oder guͤtigerer Glaͤubiger damit durchgehen werde; ſoll ich alſo den Schuldner blos um des willen zu Grunde richten, um euch zu uͤberzeugen, daß nach Abzug aller Koſten und Bezahlung aͤlterer Schulden nichts uͤbrig ſey? Aber was ſoll nun der Richter thun? Was der Richter thun ſolle? Wenn der Schuldner ein freyer Mann iſt: ſo nehme er ihm alles was er hat, und ver- kaufe es. Fuͤr den Staat iſt es vielleicht beſſer, daß ein freudiger Kaͤufer als ein verarmter und muthloſer Eigenthuͤ- mer auf dem Hofe liege. Und was kan man in aller Welt fuͤr Möſers patr. Phantaſ. II. Th. O

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/227>, abgerufen am 24.11.2024.