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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Vom Gläubiger
als der Bauer kein Vieh hat, seinen Ackerbau gehörig zu trei-
ben: so bedaure ich den Gutsherrn, der viele Leibeigne hat.
Denn er wird entweder ihre Wirthschaften selbst führen, oder
alle Augenblick hören müssen, daß eine Bewilligung nöthig
sey, um dieses und jenes anzuschaffen. Noch mehr. Diese
Art von Credit durch Bewilligung kan nicht bestehen, oder
jedes Fohlen, jedes Kalb, jeder Vortheil muß dem Guts-
herrn wieder zu gute kommen, oder doch zu Einlösung der
Bewilligungen (welche eine genaue Aufsicht wird hier nöthig
seyn?) angewandt werden, weil er sonst die Gefahr des
Schadens ganz allein stehen würde. Und wo sind wir als-
denn? bey dem Meisterstücke der römischen Philosophie, dem
Knechte der gar nichts eignes hatte; und der vermuthlich
durch die Reihe von obigen Schlüssen zur Welt gekommen
ist? Womit erhalten wir aber diese Art von Knechten? Und
können diese anders als auf römische Art in Privatzuchthäu-
sern gehalten werden?

Unstreitig sind unsre Vorsahren durch diese Bedenklichkeit
abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen eisern zu
machen. Hätten sie es gethan; so würden beym letztern
Kriege tausend und abermal tausend Befehle an die Guts-
herrn ergangen seyn, ihren verunglückten Bauern Pferde zu
verschaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu er-
theilen. Es würden viele Höfe so dann mit so vielen bewil-
ligten Schulden beschweret seyn, als sie mit unbewilligten
beschweret sind. Und hätte der bewilligte Gläubiger nur im
geringsten fürchten dürfen, daß ihm der Richter wegen der
eisernen Beschaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen würde-
so hätte er gewiß auch im diesem Falle nicht geborgt. Wo-
her wäre sodenn die Kriegsfuhr erfolgt? Blos von den Hö-
fen deren Spannung im guten Stand gewesen? Das wür-

den

Vom Glaͤubiger
als der Bauer kein Vieh hat, ſeinen Ackerbau gehoͤrig zu trei-
ben: ſo bedaure ich den Gutsherrn, der viele Leibeigne hat.
Denn er wird entweder ihre Wirthſchaften ſelbſt fuͤhren, oder
alle Augenblick hoͤren muͤſſen, daß eine Bewilligung noͤthig
ſey, um dieſes und jenes anzuſchaffen. Noch mehr. Dieſe
Art von Credit durch Bewilligung kan nicht beſtehen, oder
jedes Fohlen, jedes Kalb, jeder Vortheil muß dem Guts-
herrn wieder zu gute kommen, oder doch zu Einloͤſung der
Bewilligungen (welche eine genaue Aufſicht wird hier noͤthig
ſeyn?) angewandt werden, weil er ſonſt die Gefahr des
Schadens ganz allein ſtehen wuͤrde. Und wo ſind wir als-
denn? bey dem Meiſterſtuͤcke der roͤmiſchen Philoſophie, dem
Knechte der gar nichts eignes hatte; und der vermuthlich
durch die Reihe von obigen Schluͤſſen zur Welt gekommen
iſt? Womit erhalten wir aber dieſe Art von Knechten? Und
koͤnnen dieſe anders als auf roͤmiſche Art in Privatzuchthaͤu-
ſern gehalten werden?

Unſtreitig ſind unſre Vorſahren durch dieſe Bedenklichkeit
abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen eiſern zu
machen. Haͤtten ſie es gethan; ſo wuͤrden beym letztern
Kriege tauſend und abermal tauſend Befehle an die Guts-
herrn ergangen ſeyn, ihren verungluͤckten Bauern Pferde zu
verſchaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu er-
theilen. Es wuͤrden viele Hoͤfe ſo dann mit ſo vielen bewil-
ligten Schulden beſchweret ſeyn, als ſie mit unbewilligten
beſchweret ſind. Und haͤtte der bewilligte Glaͤubiger nur im
geringſten fuͤrchten duͤrfen, daß ihm der Richter wegen der
eiſernen Beſchaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen wuͤrde-
ſo haͤtte er gewiß auch im dieſem Falle nicht geborgt. Wo-
her waͤre ſodenn die Kriegsfuhr erfolgt? Blos von den Hoͤ-
fen deren Spannung im guten Stand geweſen? Das wuͤr-

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[214/0232] Vom Glaͤubiger als der Bauer kein Vieh hat, ſeinen Ackerbau gehoͤrig zu trei- ben: ſo bedaure ich den Gutsherrn, der viele Leibeigne hat. Denn er wird entweder ihre Wirthſchaften ſelbſt fuͤhren, oder alle Augenblick hoͤren muͤſſen, daß eine Bewilligung noͤthig ſey, um dieſes und jenes anzuſchaffen. Noch mehr. Dieſe Art von Credit durch Bewilligung kan nicht beſtehen, oder jedes Fohlen, jedes Kalb, jeder Vortheil muß dem Guts- herrn wieder zu gute kommen, oder doch zu Einloͤſung der Bewilligungen (welche eine genaue Aufſicht wird hier noͤthig ſeyn?) angewandt werden, weil er ſonſt die Gefahr des Schadens ganz allein ſtehen wuͤrde. Und wo ſind wir als- denn? bey dem Meiſterſtuͤcke der roͤmiſchen Philoſophie, dem Knechte der gar nichts eignes hatte; und der vermuthlich durch die Reihe von obigen Schluͤſſen zur Welt gekommen iſt? Womit erhalten wir aber dieſe Art von Knechten? Und koͤnnen dieſe anders als auf roͤmiſche Art in Privatzuchthaͤu- ſern gehalten werden? Unſtreitig ſind unſre Vorſahren durch dieſe Bedenklichkeit abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen eiſern zu machen. Haͤtten ſie es gethan; ſo wuͤrden beym letztern Kriege tauſend und abermal tauſend Befehle an die Guts- herrn ergangen ſeyn, ihren verungluͤckten Bauern Pferde zu verſchaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu er- theilen. Es wuͤrden viele Hoͤfe ſo dann mit ſo vielen bewil- ligten Schulden beſchweret ſeyn, als ſie mit unbewilligten beſchweret ſind. Und haͤtte der bewilligte Glaͤubiger nur im geringſten fuͤrchten duͤrfen, daß ihm der Richter wegen der eiſernen Beſchaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen wuͤrde- ſo haͤtte er gewiß auch im dieſem Falle nicht geborgt. Wo- her waͤre ſodenn die Kriegsfuhr erfolgt? Blos von den Hoͤ- fen deren Spannung im guten Stand geweſen? Das wuͤr- den

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/232>, abgerufen am 21.11.2024.