meine Ingredienz unsrer Handlungen führt ihn von dem mühsamen Wege auf den geschwindern, von dem richtigen auf den glänzenden, und -- kurz er ahmet denen fabricirenden Fürsten oder ihren jungen Cammerräthen nach, die das ge- schwinde und laute Lob der leichtfertigen und schmeichelnden Menge dem stillen Segen der Nachwelt vorziehen; die eine Fabrik zur Zeit der Frühlingssaat anlegen, und in vierzehn Wo- chen die Gerste aus dem Sacke und wieder darinn haben wollen.
Ich erinnere mich immer mit Vergnügen der Frau, die ein Soldat aus Braband mit sich brachte. Sie machte die schönsten Spitzen und hatte zwey kleine Kinder, denen sie nichts anders und auch nichts bessers zu lernen wuste. Die Nachbars Töchter in dem deutschen Dorfe, wo sie sich nie- derließ, sahen es anfänglich mit Verwunderung an, und wünschten ihren Gespielinnen gleich zu kommen. Ihre Müt- ter schickten sie endlich zu ihr in die Schule, und in Zeit von dreyßig Jahren waren alle Mütter des Dorfs schon wieder Klopplerinnen, die ihre Kinder zu gleicher Arbeit gewöhnten. Jetzt werden daselbst die schönsten brabandischen Spitzen ge- macht, und dieses ist meiner Meynung nach, die wahre Art den Geist der Fabrik zu verpflanzen. Wo ist aber der große Herr, der die Gedult hat, so lange auf den Erfolg seinen Anstalten zu warten?
Glauben Sie aber nicht, daß ich dergleichen fürstliche Un- ternehmungen tadle. Nein, ich lobe sie, weil von den Trüm- mern ihrer Anstalten insgemein noch etwas zurück bleibt, was nach langen Jahren wiederum zu einem neuen Gebäude ver- sammlet wird; allein ein Privatmann kan auf diese Art nicht verfahren. Jener kan auf eine rühmliche Art bey solchen Un- ternehmungen verlieren, ja er sollte billig allezeit verlieren, weil es seine Sache nicht ist durch Fabriken zu gewinnen.
Allein
Schreiben uͤber die Cultur der Induſtrie.
meine Ingredienz unſrer Handlungen fuͤhrt ihn von dem muͤhſamen Wege auf den geſchwindern, von dem richtigen auf den glaͤnzenden, und — kurz er ahmet denen fabricirenden Fuͤrſten oder ihren jungen Cammerraͤthen nach, die das ge- ſchwinde und laute Lob der leichtfertigen und ſchmeichelnden Menge dem ſtillen Segen der Nachwelt vorziehen; die eine Fabrik zur Zeit der Fruͤhlingsſaat anlegen, und in vierzehn Wo- chen die Gerſte aus dem Sacke und wieder darinn haben wollen.
Ich erinnere mich immer mit Vergnuͤgen der Frau, die ein Soldat aus Braband mit ſich brachte. Sie machte die ſchoͤnſten Spitzen und hatte zwey kleine Kinder, denen ſie nichts anders und auch nichts beſſers zu lernen wuſte. Die Nachbars Toͤchter in dem deutſchen Dorfe, wo ſie ſich nie- derließ, ſahen es anfaͤnglich mit Verwunderung an, und wuͤnſchten ihren Geſpielinnen gleich zu kommen. Ihre Muͤt- ter ſchickten ſie endlich zu ihr in die Schule, und in Zeit von dreyßig Jahren waren alle Muͤtter des Dorfs ſchon wieder Klopplerinnen, die ihre Kinder zu gleicher Arbeit gewoͤhnten. Jetzt werden daſelbſt die ſchoͤnſten brabandiſchen Spitzen ge- macht, und dieſes iſt meiner Meynung nach, die wahre Art den Geiſt der Fabrik zu verpflanzen. Wo iſt aber der große Herr, der die Gedult hat, ſo lange auf den Erfolg ſeinen Anſtalten zu warten?
Glauben Sie aber nicht, daß ich dergleichen fuͤrſtliche Un- ternehmungen tadle. Nein, ich lobe ſie, weil von den Truͤm- mern ihrer Anſtalten insgemein noch etwas zuruͤck bleibt, was nach langen Jahren wiederum zu einem neuen Gebaͤude ver- ſammlet wird; allein ein Privatmann kan auf dieſe Art nicht verfahren. Jener kan auf eine ruͤhmliche Art bey ſolchen Un- ternehmungen verlieren, ja er ſollte billig allezeit verlieren, weil es ſeine Sache nicht iſt durch Fabriken zu gewinnen.
Allein
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Schreiben uͤber die Cultur der Induſtrie.
meine Ingredienz unſrer Handlungen fuͤhrt ihn von dem
muͤhſamen Wege auf den geſchwindern, von dem richtigen auf
den glaͤnzenden, und — kurz er ahmet denen fabricirenden
Fuͤrſten oder ihren jungen Cammerraͤthen nach, die das ge-
ſchwinde und laute Lob der leichtfertigen und ſchmeichelnden
Menge dem ſtillen Segen der Nachwelt vorziehen; die eine
Fabrik zur Zeit der Fruͤhlingsſaat anlegen, und in vierzehn Wo-
chen die Gerſte aus dem Sacke und wieder darinn haben wollen.
Ich erinnere mich immer mit Vergnuͤgen der Frau, die
ein Soldat aus Braband mit ſich brachte. Sie machte die
ſchoͤnſten Spitzen und hatte zwey kleine Kinder, denen ſie
nichts anders und auch nichts beſſers zu lernen wuſte. Die
Nachbars Toͤchter in dem deutſchen Dorfe, wo ſie ſich nie-
derließ, ſahen es anfaͤnglich mit Verwunderung an, und
wuͤnſchten ihren Geſpielinnen gleich zu kommen. Ihre Muͤt-
ter ſchickten ſie endlich zu ihr in die Schule, und in Zeit von
dreyßig Jahren waren alle Muͤtter des Dorfs ſchon wieder
Klopplerinnen, die ihre Kinder zu gleicher Arbeit gewoͤhnten.
Jetzt werden daſelbſt die ſchoͤnſten brabandiſchen Spitzen ge-
macht, und dieſes iſt meiner Meynung nach, die wahre Art den
Geiſt der Fabrik zu verpflanzen. Wo iſt aber der große Herr, der
die Gedult hat, ſo lange auf den Erfolg ſeinen Anſtalten zu
warten?
Glauben Sie aber nicht, daß ich dergleichen fuͤrſtliche Un-
ternehmungen tadle. Nein, ich lobe ſie, weil von den Truͤm-
mern ihrer Anſtalten insgemein noch etwas zuruͤck bleibt, was
nach langen Jahren wiederum zu einem neuen Gebaͤude ver-
ſammlet wird; allein ein Privatmann kan auf dieſe Art nicht
verfahren. Jener kan auf eine ruͤhmliche Art bey ſolchen Un-
ternehmungen verlieren, ja er ſollte billig allezeit verlieren,
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/270>, abgerufen am 22.11.2024.
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