Allein dieser schadet sich und schreckt anderen von ähnlichen Unternehmungen ab, wenn er Sachen mit dem Scheine des besten Eyfers anfängt und dennoch dabey zu Grunde geht. Hat dieser es nicht zu Stande gebracht, sagt die unerfahrne Menge, wer wird es dann wagen dürfen?
Ueberhaupt aber muß ich Ihnen sagen, ist es ein wunder- liches Ding mit Verpflanzung der Fabriken. Unsre alten Linnenhändler sagen: sie wollen es jedem Stücke Linnen an- sehen, in welchem Dorfe es gemacht ist; ja ich habe einen Garnhändler gekannt, der einige hunderttausend Stück Garn des Jahrs versandte, und die Hand der Familie, welche es gesponnen hatte, eben so gut zu unterscheiden wuste, als man die Schrift eines Menschen von des andern unterschei- den kan. Der Aufseher über eine Gallerie von Gemählden, der die Werke von hundert Meistern zu unterscheiden weiß, war ein Kind gegen den Garnhändler. Jeder Ort hat also eben so etwas eigenthümliches in seinen Arbeiten, als in sei- nem Biere, welches von andern nicht leicht nachgeahmet und nachgemacht werden kan. Vielleicht hat die göttliche Vorse- hung auch hierinn ihre Weißheit zeigen und nicht zugeben wollen, daß ein Land sich allein alle Künste zueignen sollen. Dem sey aber wie ihm wolle, es möge das Original von an- dern Ländern nachgeahmt oder aber durch die Nachahmung eine neue Art von Originalen hervorgebracht werden können: so glaube ich doch, daß eine lange und mühsame Vorbereitung dazu erfordert werde, um eine neue Fabrike mit Vortheil an- zulegen; ja daß die Erziehung der Kinder, so wohl dem Geiste als dem Körper nach dazu eingerichtet seyn, und Gewohnheit, Sittenlehre, Vorurtheile, Exempel und viele andre Umstände zu dem glücklichen und dauerhaften Fortgange derselben mitwürken müssen. Was für Mühe wandte Nicolini nicht an, um Kinder zur Pantomime zu bil-
den?
Schreiben uͤber die Cultur der Induſtrie.
Allein dieſer ſchadet ſich und ſchreckt anderen von aͤhnlichen Unternehmungen ab, wenn er Sachen mit dem Scheine des beſten Eyfers anfaͤngt und dennoch dabey zu Grunde geht. Hat dieſer es nicht zu Stande gebracht, ſagt die unerfahrne Menge, wer wird es dann wagen duͤrfen?
Ueberhaupt aber muß ich Ihnen ſagen, iſt es ein wunder- liches Ding mit Verpflanzung der Fabriken. Unſre alten Linnenhaͤndler ſagen: ſie wollen es jedem Stuͤcke Linnen an- ſehen, in welchem Dorfe es gemacht iſt; ja ich habe einen Garnhaͤndler gekannt, der einige hunderttauſend Stuͤck Garn des Jahrs verſandte, und die Hand der Familie, welche es geſponnen hatte, eben ſo gut zu unterſcheiden wuſte, als man die Schrift eines Menſchen von des andern unterſchei- den kan. Der Aufſeher uͤber eine Gallerie von Gemaͤhlden, der die Werke von hundert Meiſtern zu unterſcheiden weiß, war ein Kind gegen den Garnhaͤndler. Jeder Ort hat alſo eben ſo etwas eigenthuͤmliches in ſeinen Arbeiten, als in ſei- nem Biere, welches von andern nicht leicht nachgeahmet und nachgemacht werden kan. Vielleicht hat die goͤttliche Vorſe- hung auch hierinn ihre Weißheit zeigen und nicht zugeben wollen, daß ein Land ſich allein alle Kuͤnſte zueignen ſollen. Dem ſey aber wie ihm wolle, es moͤge das Original von an- dern Laͤndern nachgeahmt oder aber durch die Nachahmung eine neue Art von Originalen hervorgebracht werden koͤnnen: ſo glaube ich doch, daß eine lange und muͤhſame Vorbereitung dazu erfordert werde, um eine neue Fabrike mit Vortheil an- zulegen; ja daß die Erziehung der Kinder, ſo wohl dem Geiſte als dem Koͤrper nach dazu eingerichtet ſeyn, und Gewohnheit, Sittenlehre, Vorurtheile, Exempel und viele andre Umſtaͤnde zu dem gluͤcklichen und dauerhaften Fortgange derſelben mitwuͤrken muͤſſen. Was fuͤr Muͤhe wandte Nicolini nicht an, um Kinder zur Pantomime zu bil-
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Schreiben uͤber die Cultur der Induſtrie.
Allein dieſer ſchadet ſich und ſchreckt anderen von aͤhnlichen
Unternehmungen ab, wenn er Sachen mit dem Scheine des
beſten Eyfers anfaͤngt und dennoch dabey zu Grunde geht.
Hat dieſer es nicht zu Stande gebracht, ſagt die unerfahrne
Menge, wer wird es dann wagen duͤrfen?
Ueberhaupt aber muß ich Ihnen ſagen, iſt es ein wunder-
liches Ding mit Verpflanzung der Fabriken. Unſre alten
Linnenhaͤndler ſagen: ſie wollen es jedem Stuͤcke Linnen an-
ſehen, in welchem Dorfe es gemacht iſt; ja ich habe einen
Garnhaͤndler gekannt, der einige hunderttauſend Stuͤck Garn
des Jahrs verſandte, und die Hand der Familie, welche es
geſponnen hatte, eben ſo gut zu unterſcheiden wuſte, als
man die Schrift eines Menſchen von des andern unterſchei-
den kan. Der Aufſeher uͤber eine Gallerie von Gemaͤhlden,
der die Werke von hundert Meiſtern zu unterſcheiden weiß,
war ein Kind gegen den Garnhaͤndler. Jeder Ort hat alſo
eben ſo etwas eigenthuͤmliches in ſeinen Arbeiten, als in ſei-
nem Biere, welches von andern nicht leicht nachgeahmet und
nachgemacht werden kan. Vielleicht hat die goͤttliche Vorſe-
hung auch hierinn ihre Weißheit zeigen und nicht zugeben
wollen, daß ein Land ſich allein alle Kuͤnſte zueignen ſollen.
Dem ſey aber wie ihm wolle, es moͤge das Original von an-
dern Laͤndern nachgeahmt oder aber durch die Nachahmung
eine neue Art von Originalen hervorgebracht werden koͤnnen:
ſo glaube ich doch, daß eine lange und muͤhſame Vorbereitung
dazu erfordert werde, um eine neue Fabrike mit Vortheil an-
zulegen; ja daß die Erziehung der Kinder, ſo wohl dem
Geiſte als dem Koͤrper nach dazu eingerichtet ſeyn, und
Gewohnheit, Sittenlehre, Vorurtheile, Exempel und
viele andre Umſtaͤnde zu dem gluͤcklichen und dauerhaften
Fortgange derſelben mitwuͤrken muͤſſen. Was fuͤr Muͤhe
wandte Nicolini nicht an, um Kinder zur Pantomime zu bil-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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