Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.der Huren und Hurkinder. Liebe mit einer beständigen Verachtung; sie flochten Kränze fürunbefleckte Bräute; und hatten tausenderley Erfindungen ih- ren Ehrentag zu schmücken; und warum dieses? blos um alle Ehre und alle bürgerliche Wohlthaten für den Ehestand auf- zuheben und diesen dadurch zu befördern. Hätte diesen je- mand beweisen wollen, daß die unächten Kinder insgemein mehr Genie als andre, und an dem Verbrechen ihrer Eltern keine Schuld hätten; hätte ihnen jemand nach den Grund- sätzen wilder Völker vormahlen wollen, daß die größten Hu- ren nothwendig die schönsten, angenehmsten und liebenswür- digsten seyn müßten, weil sie so früh und allgemein gesucht worden: so würden sie gewiß geantwortet haben? Diese Gründe sind richtig im Stande der Natur aber der Absicht einer Civilvereinigung nicht gemäs. Man glaube indessen nicht, als wenn sie nicht auch die So lange dieses nicht geschicht; so lange die Verachtung, ganz T 3
der Huren und Hurkinder. Liebe mit einer beſtaͤndigen Verachtung; ſie flochten Kraͤnze fuͤrunbefleckte Braͤute; und hatten tauſenderley Erfindungen ih- ren Ehrentag zu ſchmuͤcken; und warum dieſes? blos um alle Ehre und alle buͤrgerliche Wohlthaten fuͤr den Eheſtand auf- zuheben und dieſen dadurch zu befoͤrdern. Haͤtte dieſen je- mand beweiſen wollen, daß die unaͤchten Kinder insgemein mehr Genie als andre, und an dem Verbrechen ihrer Eltern keine Schuld haͤtten; haͤtte ihnen jemand nach den Grund- ſaͤtzen wilder Voͤlker vormahlen wollen, daß die groͤßten Hu- ren nothwendig die ſchoͤnſten, angenehmſten und liebenswuͤr- digſten ſeyn muͤßten, weil ſie ſo fruͤh und allgemein geſucht worden: ſo wuͤrden ſie gewiß geantwortet haben? Dieſe Gruͤnde ſind richtig im Stande der Natur aber der Abſicht einer Civilvereinigung nicht gemaͤs. Man glaube indeſſen nicht, als wenn ſie nicht auch die So lange dieſes nicht geſchicht; ſo lange die Verachtung, ganz T 3
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der Huren und Hurkinder.
Liebe mit einer beſtaͤndigen Verachtung; ſie flochten Kraͤnze fuͤr
unbefleckte Braͤute; und hatten tauſenderley Erfindungen ih-
ren Ehrentag zu ſchmuͤcken; und warum dieſes? blos um alle
Ehre und alle buͤrgerliche Wohlthaten fuͤr den Eheſtand auf-
zuheben und dieſen dadurch zu befoͤrdern. Haͤtte dieſen je-
mand beweiſen wollen, daß die unaͤchten Kinder insgemein
mehr Genie als andre, und an dem Verbrechen ihrer Eltern
keine Schuld haͤtten; haͤtte ihnen jemand nach den Grund-
ſaͤtzen wilder Voͤlker vormahlen wollen, daß die groͤßten Hu-
ren nothwendig die ſchoͤnſten, angenehmſten und liebenswuͤr-
digſten ſeyn muͤßten, weil ſie ſo fruͤh und allgemein geſucht
worden: ſo wuͤrden ſie gewiß geantwortet haben? Dieſe
Gruͤnde ſind richtig im Stande der Natur aber der Abſicht
einer Civilvereinigung nicht gemaͤs.
Man glaube indeſſen nicht, als wenn ſie nicht auch die
Schwierigkeit gefuͤhlet haͤtten, welche unſre Philoſophen be-
wegt, mit den Huren Mitleid zu haben. Der Sack, worinn
ſie diejenigen von ihnen ertraͤnkten, welche einen Kindermord
begangen, um ſich von der Schande zu befreyen, zeigt nur
gar deutlich, durch welchen Weg ſie der zufaͤlligen Wuͤrkung
einer fuͤr das gemeine Beſte des Eheſtandes nothwendigen
Schande begegnen wollen. Er zeigt deutlich, daß ſie ebenfalls
das menſchliche Herz gekannt, es aber fuͤr ſicherer gehalten
haben die Strafe ſonderbar und erſchrecklich zu machen, als
jene Schande zu vermindern. Unſre neuen Philoſophen hin-
gegen vermindern die Schande ohne einmal die Strafe ſo zu
ſchaͤrfen, wie ſie unſre Vorfahren geſchaͤrfet haben; und ſchwer-
lich werden ſie doch auf dieſem Wege das wahre Ziel erreichen,
oder ſie muͤſſen den Eheſtand ganz aufheben, und einer ledi-
gen Mutter mit der verehligten gleiche Vorzuͤge einraͤumen.
So lange dieſes nicht geſchicht; ſo lange die Verachtung,
welche man einem geſchwaͤchten Weibsbilde zeigt, durch eine
ganz
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