Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Jeder zahle seine Zeche.
ten. Freylich war dieses; allein jedes Kirchspiel sorgte dar-
inn für sich. Der Vogt, Kirchspielherr oder Gerichtsherr,
wie man ihn nenneu will, sammlete erst bey Grase und bey
Stroh eine Herbst- und Maybede oder eine Jahrbede von sei-
nen Gemeinen, bestritt daraus die kleinen Vorfälle, a) und
was er ersparete, diente zu seinem Staat und seiner Zehrung,
oder zur Vergeltung seiner unberechnetern Bemühungen.
Reichte diese Bede für dasmal nicht zu: so bewilligte man
noch wohl eine Nothbede, und jeder steuerbare Unterthan
kannte und übersahe ungefehr die Nothwendigkeit und Ver-
wendung seines Beytrags, ohne eben kostbare Rechnungen zu
verlangen.

Nun haben sich freylich diese Zeiten im Kleinen und Gros-
sen mächtig verändert; und wir haben seit den niederländi-
schen Unruhen und den spanischen Zügen durch Deutschland,
beständige Landescassen. Indessen bleibt es doch immer eine
einleuchtende Wahrheit, daß wann auf Rechnung einer Lan-
descasse getrunken würde, mancher, der nur ein Glas getrun-
ken, für seinen Theil ein Stübgen zu bezahlen haben würde,
und wir mögen daraus als vernünftige Leute wohl den Schluß
ziehen, daß für die Wassertrinker keine Maxime vortheilhaf-
ter sey, als: ein jeder bezahle seine Zeche.

Müß-
a) Man legt den Landesherrn jetzt überall viele gemeine Aus-
gaben auf die Cammergefälle, ohne dabey zu sagen, daß
diese Gefälle zum Theil sehr viele gemeine verdunkelte
Steuren enthalten, worauf jene Ausgaben gehaftet ha-
ben. Insbesondre aber sind die Herbst- und Maybeden,
oder Herbst- und Maygelder alte Steuergefälle; und hier-
aus müssen mit allenfalsiger Hülfe einer Nothbede, oder
des Kirchspiels Beysteuer, die Fündlinge unterhalten wer-
den. Man sehe indessen des Hrn. Vicecanzler Strubens
Rechtl. Bed. T. I. n. 171.
U 3

Jeder zahle ſeine Zeche.
ten. Freylich war dieſes; allein jedes Kirchſpiel ſorgte dar-
inn fuͤr ſich. Der Vogt, Kirchſpielherr oder Gerichtsherr,
wie man ihn nenneu will, ſammlete erſt bey Graſe und bey
Stroh eine Herbſt- und Maybede oder eine Jahrbede von ſei-
nen Gemeinen, beſtritt daraus die kleinen Vorfaͤlle, a) und
was er erſparete, diente zu ſeinem Staat und ſeiner Zehrung,
oder zur Vergeltung ſeiner unberechnetern Bemuͤhungen.
Reichte dieſe Bede fuͤr dasmal nicht zu: ſo bewilligte man
noch wohl eine Nothbede, und jeder ſteuerbare Unterthan
kannte und uͤberſahe ungefehr die Nothwendigkeit und Ver-
wendung ſeines Beytrags, ohne eben koſtbare Rechnungen zu
verlangen.

Nun haben ſich freylich dieſe Zeiten im Kleinen und Groſ-
ſen maͤchtig veraͤndert; und wir haben ſeit den niederlaͤndi-
ſchen Unruhen und den ſpaniſchen Zuͤgen durch Deutſchland,
beſtaͤndige Landescaſſen. Indeſſen bleibt es doch immer eine
einleuchtende Wahrheit, daß wann auf Rechnung einer Lan-
descaſſe getrunken wuͤrde, mancher, der nur ein Glas getrun-
ken, fuͤr ſeinen Theil ein Stuͤbgen zu bezahlen haben wuͤrde,
und wir moͤgen daraus als vernuͤnftige Leute wohl den Schluß
ziehen, daß fuͤr die Waſſertrinker keine Maxime vortheilhaf-
ter ſey, als: ein jeder bezahle ſeine Zeche.

Muͤß-
a) Man legt den Landesherrn jetzt uͤberall viele gemeine Aus-
gaben auf die Cammergefaͤlle, ohne dabey zu ſagen, daß
dieſe Gefaͤlle zum Theil ſehr viele gemeine verdunkelte
Steuren enthalten, worauf jene Ausgaben gehaftet ha-
ben. Insbeſondre aber ſind die Herbſt- und Maybeden,
oder Herbſt- und Maygelder alte Steuergefaͤlle; und hier-
aus muͤſſen mit allenfalſiger Huͤlfe einer Nothbede, oder
des Kirchſpiels Beyſteuer, die Fuͤndlinge unterhalten wer-
den. Man ſehe indeſſen des Hrn. Vicecanzler Strubens
Rechtl. Bed. T. I. n. 171.
U 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0327" n="309"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Jeder zahle &#x017F;eine Zeche.</hi></fw><lb/>
ten. Freylich war die&#x017F;es; allein jedes Kirch&#x017F;piel &#x017F;orgte dar-<lb/>
inn fu&#x0364;r &#x017F;ich. Der Vogt, Kirch&#x017F;pielherr oder Gerichtsherr,<lb/>
wie man ihn nenneu will, &#x017F;ammlete er&#x017F;t bey Gra&#x017F;e und bey<lb/>
Stroh eine Herb&#x017F;t- und Maybede oder eine Jahrbede von &#x017F;ei-<lb/>
nen Gemeinen, be&#x017F;tritt daraus die kleinen Vorfa&#x0364;lle, <note place="foot" n="a)">Man legt den Landesherrn jetzt u&#x0364;berall viele gemeine Aus-<lb/>
gaben auf die Cammergefa&#x0364;lle, ohne dabey zu &#x017F;agen, daß<lb/>
die&#x017F;e Gefa&#x0364;lle zum Theil &#x017F;ehr viele gemeine verdunkelte<lb/>
Steuren enthalten, worauf jene Ausgaben gehaftet ha-<lb/>
ben. Insbe&#x017F;ondre aber &#x017F;ind die Herb&#x017F;t- und Maybeden,<lb/>
oder Herb&#x017F;t- und Maygelder alte Steuergefa&#x0364;lle; und hier-<lb/>
aus mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mit allenfal&#x017F;iger Hu&#x0364;lfe einer Nothbede, oder<lb/>
des Kirch&#x017F;piels Bey&#x017F;teuer, die Fu&#x0364;ndlinge unterhalten wer-<lb/>
den. Man &#x017F;ehe inde&#x017F;&#x017F;en des Hrn. Vicecanzler <hi rendition="#fr">Strubens</hi><lb/>
Rechtl. Bed. <hi rendition="#aq">T. I. n.</hi> 171.</note> und<lb/>
was er er&#x017F;parete, diente zu &#x017F;einem Staat und &#x017F;einer Zehrung,<lb/>
oder zur Vergeltung &#x017F;einer unberechnetern Bemu&#x0364;hungen.<lb/>
Reichte die&#x017F;e Bede fu&#x0364;r dasmal nicht zu: &#x017F;o bewilligte man<lb/>
noch wohl eine Nothbede, und jeder &#x017F;teuerbare Unterthan<lb/>
kannte und u&#x0364;ber&#x017F;ahe ungefehr die Nothwendigkeit und Ver-<lb/>
wendung &#x017F;eines Beytrags, ohne eben ko&#x017F;tbare Rechnungen zu<lb/>
verlangen.</p><lb/>
        <p>Nun haben &#x017F;ich freylich die&#x017F;e Zeiten im Kleinen und Gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ma&#x0364;chtig vera&#x0364;ndert; und wir haben &#x017F;eit den niederla&#x0364;ndi-<lb/>
&#x017F;chen Unruhen und den &#x017F;pani&#x017F;chen Zu&#x0364;gen durch Deut&#x017F;chland,<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndige Landesca&#x017F;&#x017F;en. Inde&#x017F;&#x017F;en bleibt es doch immer eine<lb/>
einleuchtende Wahrheit, daß wann auf Rechnung einer Lan-<lb/>
desca&#x017F;&#x017F;e getrunken wu&#x0364;rde, mancher, der nur ein Glas getrun-<lb/>
ken, fu&#x0364;r &#x017F;einen Theil ein Stu&#x0364;bgen zu bezahlen haben wu&#x0364;rde,<lb/>
und wir mo&#x0364;gen daraus als vernu&#x0364;nftige Leute wohl den Schluß<lb/>
ziehen, daß fu&#x0364;r die Wa&#x017F;&#x017F;ertrinker keine Maxime vortheilhaf-<lb/>
ter &#x017F;ey, als: ein jeder bezahle &#x017F;eine Zeche.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">U 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Mu&#x0364;ß-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0327] Jeder zahle ſeine Zeche. ten. Freylich war dieſes; allein jedes Kirchſpiel ſorgte dar- inn fuͤr ſich. Der Vogt, Kirchſpielherr oder Gerichtsherr, wie man ihn nenneu will, ſammlete erſt bey Graſe und bey Stroh eine Herbſt- und Maybede oder eine Jahrbede von ſei- nen Gemeinen, beſtritt daraus die kleinen Vorfaͤlle, a) und was er erſparete, diente zu ſeinem Staat und ſeiner Zehrung, oder zur Vergeltung ſeiner unberechnetern Bemuͤhungen. Reichte dieſe Bede fuͤr dasmal nicht zu: ſo bewilligte man noch wohl eine Nothbede, und jeder ſteuerbare Unterthan kannte und uͤberſahe ungefehr die Nothwendigkeit und Ver- wendung ſeines Beytrags, ohne eben koſtbare Rechnungen zu verlangen. Nun haben ſich freylich dieſe Zeiten im Kleinen und Groſ- ſen maͤchtig veraͤndert; und wir haben ſeit den niederlaͤndi- ſchen Unruhen und den ſpaniſchen Zuͤgen durch Deutſchland, beſtaͤndige Landescaſſen. Indeſſen bleibt es doch immer eine einleuchtende Wahrheit, daß wann auf Rechnung einer Lan- descaſſe getrunken wuͤrde, mancher, der nur ein Glas getrun- ken, fuͤr ſeinen Theil ein Stuͤbgen zu bezahlen haben wuͤrde, und wir moͤgen daraus als vernuͤnftige Leute wohl den Schluß ziehen, daß fuͤr die Waſſertrinker keine Maxime vortheilhaf- ter ſey, als: ein jeder bezahle ſeine Zeche. Muͤß- a) Man legt den Landesherrn jetzt uͤberall viele gemeine Aus- gaben auf die Cammergefaͤlle, ohne dabey zu ſagen, daß dieſe Gefaͤlle zum Theil ſehr viele gemeine verdunkelte Steuren enthalten, worauf jene Ausgaben gehaftet ha- ben. Insbeſondre aber ſind die Herbſt- und Maybeden, oder Herbſt- und Maygelder alte Steuergefaͤlle; und hier- aus muͤſſen mit allenfalſiger Huͤlfe einer Nothbede, oder des Kirchſpiels Beyſteuer, die Fuͤndlinge unterhalten wer- den. Man ſehe indeſſen des Hrn. Vicecanzler Strubens Rechtl. Bed. T. I. n. 171. U 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/327
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/327>, abgerufen am 24.11.2024.