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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Johann seyd doch so gut!

O erwiederte der Hauptmann, daran liegt es alles nicht.
Der Mensch ist ein wunderliches Thier; sein Körper steht
unter unsrer Fuchtel aber seine Seele nicht. Wir können diese
zwar auch nach unserm Gefallen regieren, aber dann wird sie
immer enger und kleiner, und man kan einem nicht be-
fehlen, Witz und Verstand zu haben. Dieses sind Eigen-
schaften, welche wir in andern auf mancherley Art erwecken,
nähren und unterhalten müssen. Wenn ich zu meinem Koch
sage, schaffe mir eine Pastete: so schaffet er mir eine, der-
gleichen ich ihm alle Jahre eine mit allen Ungewittern in die
Küche schicke. Sage ich aber: Mein guter Koch macht mir
doch einmal eine Pastete, so wie sie die Frau Oberstin gern
ißt, und so daß wir beyde Ehre davon haben: so können Sie
glauben, der König hat sie nicht besser. Meiner Frau geht
es mit ihrem Cammermädgen eben so. Ist die Hexe übler
Humeur: so sitzt meiner Frauen das Zeug ordentlich und steif-
aber nicht ein bisgen gefällig; Sie sieht aus wie eine Schul-
digkeit in puris naturalibus. Meine Frau die dieses weiß,
versäumet es daher nie, ihr, so oft sie ein wenig glänzen
will, schon früh Morgens ein gutes Gesicht zu machen, sie
ihre liebe Lisette zu nennen, und ihr alles Bittweise zu be-
fehlen. Und dann lacht gewiß aus jeder Schleiffe die sie ihr
anlegt, eine Grazie. Dieses hindert aber nicht, daß sie nicht
bisweilen, wenn meine Frau im Nachtzeuge bleiben will,
das dumme Thier zum Henker schickt, und ihr so gleich das
Haus zu räumen befiehlt, wenn sie es nicht besser verdient.
Nein; dieses muß auch seyn, man muß zu rechter Zeit das
Böse mit dem Guten abwechseln lassen, wenn jedes die ge-
hörige Empfindung erregen soll.

Ey zum Henker versetzte der Oberste, wer kan mit den
Menschen solche Capriolen machen? Ich befehle meinen Leu-
ten trocken, und gut was sie thun sollen, bezahle sie richtig,

gebe
Johann ſeyd doch ſo gut!

O erwiederte der Hauptmann, daran liegt es alles nicht.
Der Menſch iſt ein wunderliches Thier; ſein Koͤrper ſteht
unter unſrer Fuchtel aber ſeine Seele nicht. Wir koͤnnen dieſe
zwar auch nach unſerm Gefallen regieren, aber dann wird ſie
immer enger und kleiner, und man kan einem nicht be-
fehlen, Witz und Verſtand zu haben. Dieſes ſind Eigen-
ſchaften, welche wir in andern auf mancherley Art erwecken,
naͤhren und unterhalten muͤſſen. Wenn ich zu meinem Koch
ſage, ſchaffe mir eine Paſtete: ſo ſchaffet er mir eine, der-
gleichen ich ihm alle Jahre eine mit allen Ungewittern in die
Kuͤche ſchicke. Sage ich aber: Mein guter Koch macht mir
doch einmal eine Paſtete, ſo wie ſie die Frau Oberſtin gern
ißt, und ſo daß wir beyde Ehre davon haben: ſo koͤnnen Sie
glauben, der Koͤnig hat ſie nicht beſſer. Meiner Frau geht
es mit ihrem Cammermaͤdgen eben ſo. Iſt die Hexe uͤbler
Humeur: ſo ſitzt meiner Frauen das Zeug ordentlich und ſteif-
aber nicht ein bisgen gefaͤllig; Sie ſieht aus wie eine Schul-
digkeit in puris naturalibus. Meine Frau die dieſes weiß,
verſaͤumet es daher nie, ihr, ſo oft ſie ein wenig glaͤnzen
will, ſchon fruͤh Morgens ein gutes Geſicht zu machen, ſie
ihre liebe Liſette zu nennen, und ihr alles Bittweiſe zu be-
fehlen. Und dann lacht gewiß aus jeder Schleiffe die ſie ihr
anlegt, eine Grazie. Dieſes hindert aber nicht, daß ſie nicht
bisweilen, wenn meine Frau im Nachtzeuge bleiben will,
das dumme Thier zum Henker ſchickt, und ihr ſo gleich das
Haus zu raͤumen befiehlt, wenn ſie es nicht beſſer verdient.
Nein; dieſes muß auch ſeyn, man muß zu rechter Zeit das
Boͤſe mit dem Guten abwechſeln laſſen, wenn jedes die ge-
hoͤrige Empfindung erregen ſoll.

Ey zum Henker verſetzte der Oberſte, wer kan mit den
Menſchen ſolche Capriolen machen? Ich befehle meinen Leu-
ten trocken, und gut was ſie thun ſollen, bezahle ſie richtig,

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[394/0412] Johann ſeyd doch ſo gut! O erwiederte der Hauptmann, daran liegt es alles nicht. Der Menſch iſt ein wunderliches Thier; ſein Koͤrper ſteht unter unſrer Fuchtel aber ſeine Seele nicht. Wir koͤnnen dieſe zwar auch nach unſerm Gefallen regieren, aber dann wird ſie immer enger und kleiner, und man kan einem nicht be- fehlen, Witz und Verſtand zu haben. Dieſes ſind Eigen- ſchaften, welche wir in andern auf mancherley Art erwecken, naͤhren und unterhalten muͤſſen. Wenn ich zu meinem Koch ſage, ſchaffe mir eine Paſtete: ſo ſchaffet er mir eine, der- gleichen ich ihm alle Jahre eine mit allen Ungewittern in die Kuͤche ſchicke. Sage ich aber: Mein guter Koch macht mir doch einmal eine Paſtete, ſo wie ſie die Frau Oberſtin gern ißt, und ſo daß wir beyde Ehre davon haben: ſo koͤnnen Sie glauben, der Koͤnig hat ſie nicht beſſer. Meiner Frau geht es mit ihrem Cammermaͤdgen eben ſo. Iſt die Hexe uͤbler Humeur: ſo ſitzt meiner Frauen das Zeug ordentlich und ſteif- aber nicht ein bisgen gefaͤllig; Sie ſieht aus wie eine Schul- digkeit in puris naturalibus. Meine Frau die dieſes weiß, verſaͤumet es daher nie, ihr, ſo oft ſie ein wenig glaͤnzen will, ſchon fruͤh Morgens ein gutes Geſicht zu machen, ſie ihre liebe Liſette zu nennen, und ihr alles Bittweiſe zu be- fehlen. Und dann lacht gewiß aus jeder Schleiffe die ſie ihr anlegt, eine Grazie. Dieſes hindert aber nicht, daß ſie nicht bisweilen, wenn meine Frau im Nachtzeuge bleiben will, das dumme Thier zum Henker ſchickt, und ihr ſo gleich das Haus zu raͤumen befiehlt, wenn ſie es nicht beſſer verdient. Nein; dieſes muß auch ſeyn, man muß zu rechter Zeit das Boͤſe mit dem Guten abwechſeln laſſen, wenn jedes die ge- hoͤrige Empfindung erregen ſoll. Ey zum Henker verſetzte der Oberſte, wer kan mit den Menſchen ſolche Capriolen machen? Ich befehle meinen Leu- ten trocken, und gut was ſie thun ſollen, bezahle ſie richtig, gebe

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/412>, abgerufen am 22.11.2024.