LXXII. Von der Landesherrlichen Befugniß bey Anlegung neuer Mühlen.
Zur Zeit wie noch gar keine Mühle im Lande war, konnte jeder das Recht haben eine anzulegen; und man würde demjenigen, der sich zum gemeinen Besten mit einer so schweren Unternehmung beladen hätte, gewiß eine öffent- liche Danksagung schuldig gewesen seyn. Wie aber die erste Mühle vorhanden war, muste sich dieses Recht nothwendig ändern, und die vorige Freyheit aufhören. Denn derjenige, der zuerst den Bau derselben vor aller Welt Augen ohne Wi- derspruch übernommen, würde sich nie damit abgegeben haben, wenn er nicht darauf gerechnet hätte, daß seine Nachbaren, so viele deren zur Mühle kommen konnten, ihr Getreide bey ihm mahlen lassen und ihn dadurch entschädigen würden. Billig handhabet also der Landesherr den ersten Müller, und versaget allen andern die Erlaubniß dergleichen zum Nachtheil des erstern zu erbauen. Billig versagt er auch andern die Erlaubniß eine Mühle für sich zu haben. Denn die gemeine Mühle würde so wenig wie die Kirchspielskirche bestehen, wenn jeder seine eigne Capelle und Mühle haben wollte. Mit großer Billigkeit legt man folglich auch dem Landesherrn das Recht bey, Mühlen zu bewilligen und nicht zu bewilligen, weil auf den Fall da dieses nicht wäre, der erste Müller sich entweder durch einen ursprünglichen Vergleich, der aber selten vorhanden ist, oder durch ein natürliches Bannrecht, was man jedoch nicht angenommen hat, gegen andre würde schützen müssen.
Ob
Von der Landesherrlichen Befugniß
LXXII. Von der Landesherrlichen Befugniß bey Anlegung neuer Muͤhlen.
Zur Zeit wie noch gar keine Muͤhle im Lande war, konnte jeder das Recht haben eine anzulegen; und man wuͤrde demjenigen, der ſich zum gemeinen Beſten mit einer ſo ſchweren Unternehmung beladen haͤtte, gewiß eine oͤffent- liche Dankſagung ſchuldig geweſen ſeyn. Wie aber die erſte Muͤhle vorhanden war, muſte ſich dieſes Recht nothwendig aͤndern, und die vorige Freyheit aufhoͤren. Denn derjenige, der zuerſt den Bau derſelben vor aller Welt Augen ohne Wi- derſpruch uͤbernommen, wuͤrde ſich nie damit abgegeben haben, wenn er nicht darauf gerechnet haͤtte, daß ſeine Nachbaren, ſo viele deren zur Muͤhle kommen konnten, ihr Getreide bey ihm mahlen laſſen und ihn dadurch entſchaͤdigen wuͤrden. Billig handhabet alſo der Landesherr den erſten Muͤller, und verſaget allen andern die Erlaubniß dergleichen zum Nachtheil des erſtern zu erbauen. Billig verſagt er auch andern die Erlaubniß eine Muͤhle fuͤr ſich zu haben. Denn die gemeine Muͤhle wuͤrde ſo wenig wie die Kirchſpielskirche beſtehen, wenn jeder ſeine eigne Capelle und Muͤhle haben wollte. Mit großer Billigkeit legt man folglich auch dem Landesherrn das Recht bey, Muͤhlen zu bewilligen und nicht zu bewilligen, weil auf den Fall da dieſes nicht waͤre, der erſte Muͤller ſich entweder durch einen urſpruͤnglichen Vergleich, der aber ſelten vorhanden iſt, oder durch ein natuͤrliches Bannrecht, was man jedoch nicht angenommen hat, gegen andre wuͤrde ſchuͤtzen muͤſſen.
Ob
<TEI><text><body><pbfacs="#f0428"n="410"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Landesherrlichen Befugniß</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">LXXII.</hi><lb/>
Von der Landesherrlichen Befugniß bey<lb/>
Anlegung neuer Muͤhlen.</hi></head><lb/><p>Zur Zeit wie noch gar keine Muͤhle im Lande war, konnte<lb/>
jeder das Recht haben eine anzulegen; und man wuͤrde<lb/>
demjenigen, der ſich zum gemeinen Beſten mit einer ſo<lb/>ſchweren Unternehmung beladen haͤtte, gewiß eine oͤffent-<lb/>
liche Dankſagung ſchuldig geweſen ſeyn. Wie aber die erſte<lb/>
Muͤhle vorhanden war, muſte ſich dieſes Recht nothwendig<lb/>
aͤndern, und die vorige Freyheit aufhoͤren. Denn derjenige,<lb/>
der zuerſt den Bau derſelben vor aller Welt Augen ohne Wi-<lb/>
derſpruch uͤbernommen, wuͤrde ſich nie damit abgegeben haben,<lb/>
wenn er nicht darauf gerechnet haͤtte, daß ſeine Nachbaren,<lb/>ſo viele deren zur Muͤhle kommen konnten, ihr Getreide bey<lb/>
ihm mahlen laſſen und ihn dadurch entſchaͤdigen wuͤrden.<lb/>
Billig handhabet alſo der Landesherr den erſten Muͤller, und<lb/>
verſaget allen andern die Erlaubniß dergleichen zum Nachtheil<lb/>
des erſtern zu erbauen. Billig verſagt er auch andern die<lb/>
Erlaubniß eine Muͤhle fuͤr ſich zu haben. Denn die gemeine<lb/>
Muͤhle wuͤrde ſo wenig wie die Kirchſpielskirche beſtehen,<lb/>
wenn jeder ſeine eigne Capelle und Muͤhle haben wollte.<lb/>
Mit großer Billigkeit legt man folglich auch dem Landesherrn<lb/>
das Recht bey, Muͤhlen zu bewilligen und nicht zu bewilligen,<lb/>
weil auf den Fall da dieſes nicht waͤre, der erſte Muͤller ſich<lb/>
entweder durch einen urſpruͤnglichen Vergleich, der aber ſelten<lb/>
vorhanden iſt, oder durch ein natuͤrliches Bannrecht, was<lb/>
man jedoch nicht angenommen hat, gegen andre wuͤrde ſchuͤtzen<lb/>
muͤſſen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ob</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[410/0428]
Von der Landesherrlichen Befugniß
LXXII.
Von der Landesherrlichen Befugniß bey
Anlegung neuer Muͤhlen.
Zur Zeit wie noch gar keine Muͤhle im Lande war, konnte
jeder das Recht haben eine anzulegen; und man wuͤrde
demjenigen, der ſich zum gemeinen Beſten mit einer ſo
ſchweren Unternehmung beladen haͤtte, gewiß eine oͤffent-
liche Dankſagung ſchuldig geweſen ſeyn. Wie aber die erſte
Muͤhle vorhanden war, muſte ſich dieſes Recht nothwendig
aͤndern, und die vorige Freyheit aufhoͤren. Denn derjenige,
der zuerſt den Bau derſelben vor aller Welt Augen ohne Wi-
derſpruch uͤbernommen, wuͤrde ſich nie damit abgegeben haben,
wenn er nicht darauf gerechnet haͤtte, daß ſeine Nachbaren,
ſo viele deren zur Muͤhle kommen konnten, ihr Getreide bey
ihm mahlen laſſen und ihn dadurch entſchaͤdigen wuͤrden.
Billig handhabet alſo der Landesherr den erſten Muͤller, und
verſaget allen andern die Erlaubniß dergleichen zum Nachtheil
des erſtern zu erbauen. Billig verſagt er auch andern die
Erlaubniß eine Muͤhle fuͤr ſich zu haben. Denn die gemeine
Muͤhle wuͤrde ſo wenig wie die Kirchſpielskirche beſtehen,
wenn jeder ſeine eigne Capelle und Muͤhle haben wollte.
Mit großer Billigkeit legt man folglich auch dem Landesherrn
das Recht bey, Muͤhlen zu bewilligen und nicht zu bewilligen,
weil auf den Fall da dieſes nicht waͤre, der erſte Muͤller ſich
entweder durch einen urſpruͤnglichen Vergleich, der aber ſelten
vorhanden iſt, oder durch ein natuͤrliches Bannrecht, was
man jedoch nicht angenommen hat, gegen andre wuͤrde ſchuͤtzen
muͤſſen.
Ob
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/428>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.