Ob aber gleich solchergestalt das Recht eine Mühle zu er- lauben oder zu verbieten der höchsten Obrigkeit zusteht: so braucht darum die Mühlengerechtigkeit eben kein Regal zu seyn. Ein jeder Unterthan, der einmahl dergleichen besitzt, hat die Vermuthung für sich, daß er der erste gewesen, der seines Orts der gemeinen Nothdurft zu statten gekommen, und entweder eine ausdrückliche oder stillschweigende Erlaub- niß dazu erlangt habe. Der bloße rechtmäßige Privatbesitz schützt ihn bey der Mühle wie bey jedem andern Theile seines Eigenthums; er selbst muß aber wünschen, daß das Recht Mühlen zu erlauben, der Landesobrigkeit vorbehalten bleibe, damit nicht ein jeder um und neben ihn sich nun eben der Freyheit bedienen möge, deren er sich selbst bedienet hat; und damit er nicht genöthiget werde, gegen jeden neuen Müh- lenbau einen kostbaren Proceß zu führen.
Von der Landesobrigkeit ist nicht zu vermuthen, daß sie mehrere Mühlen als nöthig sind, erlauben werde. Mehrere Mühlen an einem Orte, wo eine zureichend ist, sind dem Staate zur Last, weil ihr Unterhalt doch immer auf die eine oder andre Art von der Gemeinheit getragen werden muß, und jeder Müller leben will. Jedoch ist die Frage: was nö- thig und nicht nöthig sey? immer schwer zu entscheiden. Man- cher Müller hat nie genug, und wollte wohl daß die Mahl- genossen, welche eine Tagereise von ihm entfernet sind, zu ihm kommen sollten; ein andrer wünscht um deswillen der einzige Müller zu seyn, damit alle nothwendig zu seiner Mühle kom- men mögten, und er sie nach seiner Bescheidenheit behandeln könnte; noch ein andrer, der einmal im Besitz der ersten Mühle ist, will der spätern Bevölkerung nichts nachgeben, und im, mer ein natürliches Bannrecht behaupten; die mehrsten aber sind diejenigen, welche des Winters alles bestreiten können, des Sommers aber ihre Mahlgäste gehen lassen müssen
Diese
bey Anlegung neuer Muͤhlen.
Ob aber gleich ſolchergeſtalt das Recht eine Muͤhle zu er- lauben oder zu verbieten der hoͤchſten Obrigkeit zuſteht: ſo braucht darum die Muͤhlengerechtigkeit eben kein Regal zu ſeyn. Ein jeder Unterthan, der einmahl dergleichen beſitzt, hat die Vermuthung fuͤr ſich, daß er der erſte geweſen, der ſeines Orts der gemeinen Nothdurft zu ſtatten gekommen, und entweder eine ausdruͤckliche oder ſtillſchweigende Erlaub- niß dazu erlangt habe. Der bloße rechtmaͤßige Privatbeſitz ſchuͤtzt ihn bey der Muͤhle wie bey jedem andern Theile ſeines Eigenthums; er ſelbſt muß aber wuͤnſchen, daß das Recht Muͤhlen zu erlauben, der Landesobrigkeit vorbehalten bleibe, damit nicht ein jeder um und neben ihn ſich nun eben der Freyheit bedienen moͤge, deren er ſich ſelbſt bedienet hat; und damit er nicht genoͤthiget werde, gegen jeden neuen Muͤh- lenbau einen koſtbaren Proceß zu fuͤhren.
Von der Landesobrigkeit iſt nicht zu vermuthen, daß ſie mehrere Muͤhlen als noͤthig ſind, erlauben werde. Mehrere Muͤhlen an einem Orte, wo eine zureichend iſt, ſind dem Staate zur Laſt, weil ihr Unterhalt doch immer auf die eine oder andre Art von der Gemeinheit getragen werden muß, und jeder Muͤller leben will. Jedoch iſt die Frage: was noͤ- thig und nicht noͤthig ſey? immer ſchwer zu entſcheiden. Man- cher Muͤller hat nie genug, und wollte wohl daß die Mahl- genoſſen, welche eine Tagereiſe von ihm entfernet ſind, zu ihm kommen ſollten; ein andrer wuͤnſcht um deswillen der einzige Muͤller zu ſeyn, damit alle nothwendig zu ſeiner Muͤhle kom- men moͤgten, und er ſie nach ſeiner Beſcheidenheit behandeln koͤnnte; noch ein andrer, der einmal im Beſitz der erſten Muͤhle iſt, will der ſpaͤtern Bevoͤlkerung nichts nachgeben, und im, mer ein natuͤrliches Bannrecht behaupten; die mehrſten aber ſind diejenigen, welche des Winters alles beſtreiten koͤnnen, des Sommers aber ihre Mahlgaͤſte gehen laſſen muͤſſen
Dieſe
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bey Anlegung neuer Muͤhlen.
Ob aber gleich ſolchergeſtalt das Recht eine Muͤhle zu er-
lauben oder zu verbieten der hoͤchſten Obrigkeit zuſteht: ſo
braucht darum die Muͤhlengerechtigkeit eben kein Regal zu
ſeyn. Ein jeder Unterthan, der einmahl dergleichen beſitzt,
hat die Vermuthung fuͤr ſich, daß er der erſte geweſen, der
ſeines Orts der gemeinen Nothdurft zu ſtatten gekommen,
und entweder eine ausdruͤckliche oder ſtillſchweigende Erlaub-
niß dazu erlangt habe. Der bloße rechtmaͤßige Privatbeſitz
ſchuͤtzt ihn bey der Muͤhle wie bey jedem andern Theile ſeines
Eigenthums; er ſelbſt muß aber wuͤnſchen, daß das Recht
Muͤhlen zu erlauben, der Landesobrigkeit vorbehalten bleibe,
damit nicht ein jeder um und neben ihn ſich nun eben der
Freyheit bedienen moͤge, deren er ſich ſelbſt bedienet hat;
und damit er nicht genoͤthiget werde, gegen jeden neuen Muͤh-
lenbau einen koſtbaren Proceß zu fuͤhren.
Von der Landesobrigkeit iſt nicht zu vermuthen, daß ſie
mehrere Muͤhlen als noͤthig ſind, erlauben werde. Mehrere
Muͤhlen an einem Orte, wo eine zureichend iſt, ſind dem
Staate zur Laſt, weil ihr Unterhalt doch immer auf die eine
oder andre Art von der Gemeinheit getragen werden muß,
und jeder Muͤller leben will. Jedoch iſt die Frage: was noͤ-
thig und nicht noͤthig ſey? immer ſchwer zu entſcheiden. Man-
cher Muͤller hat nie genug, und wollte wohl daß die Mahl-
genoſſen, welche eine Tagereiſe von ihm entfernet ſind, zu ihm
kommen ſollten; ein andrer wuͤnſcht um deswillen der einzige
Muͤller zu ſeyn, damit alle nothwendig zu ſeiner Muͤhle kom-
men moͤgten, und er ſie nach ſeiner Beſcheidenheit behandeln
koͤnnte; noch ein andrer, der einmal im Beſitz der erſten Muͤhle
iſt, will der ſpaͤtern Bevoͤlkerung nichts nachgeben, und im,
mer ein natuͤrliches Bannrecht behaupten; die mehrſten aber
ſind diejenigen, welche des Winters alles beſtreiten koͤnnen,
des Sommers aber ihre Mahlgaͤſte gehen laſſen muͤſſen
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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