Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Für die warmen Stuben der Landleute
ben der Landleute mögen mit allen Scheine Rechtens darun-
ter gezählet werden. Ich glaube auch bemerkt zu haben, daß
unter allen Gelehrten die Prediger immer eine wärmere Stube
lieber haben als andre; welches ebenfalls eine Bedürfniß zu seyn
scheint, die sich auf ihre stärkere Canzelarbeit gründet.

Es ist nöthig dergleichen Anmerkungen zu sammlen, damit
der Landmann nicht durch eine Landesordnung angewiesen
werde, sein Wohnzimmer nach einem gestempelten Thermome-
ter zu hitzen, und sein Bette mit einem taxmäßigen Zeug-
nisse des Collegii medici zu schützen. Die Vorsorge der
Obrigkeiten gründet sich nicht edler als auf die Erhaltung der
Unterthanen, und ihr Einkommen ist nicht sicherer als wenn
es auf Sachen gelegt wird, die zur unentbehrlichen Bedürf-
niß gehören. In einer gewissen Chinesischen Provinz ist es
Lothweise bestimmt, was jede Person des Tages essen muß;
der Hausvater muß solches bey einer schweren Leibesstrafe
jedem zuwiegen, und zwar auf einer Wage, die alle Monat,
damit sie recht richtig geht, gestempelt wird; der Kayser em-
pfängt zur Steuer nichts mehr als den Betrag desjenigen
was die Unterthanen vordem mehr verfressen haben; hiebey
verliert kenntlich der Unterthan nicht allein nichts; sondern er
wird auch munter und gesunder, und sparet überdem was er
vorhin an Aerzte und Arzeneyen gewandt hatte; folglich ist
hier das billigste und richtigste plus was jemahls ein Chine-
sischer Cameralist erfunden hat. Eine gleiche Vorsorge könnte
nun auch die warmen Stuben unsrer Landleute bey dem im-
merwährenden Geschrey über Holzmangel treffen, wenn man
nicht in Zeiten bewiese, daß sie zur Gesundheit in kalten Län-
dern unentbehrlich wären, besonders für Leute die des Win-
ters den Tag über in Frost und Schnee leben, und ihre Aus-
dünstungen des Abends und des Nachts verrichten müssen.
Die Kälte ist das größte Stärkungsmittel, und wohlfeiler als

Stahl,

Fuͤr die warmen Stuben der Landleute
ben der Landleute moͤgen mit allen Scheine Rechtens darun-
ter gezaͤhlet werden. Ich glaube auch bemerkt zu haben, daß
unter allen Gelehrten die Prediger immer eine waͤrmere Stube
lieber haben als andre; welches ebenfalls eine Beduͤrfniß zu ſeyn
ſcheint, die ſich auf ihre ſtaͤrkere Canzelarbeit gruͤndet.

Es iſt noͤthig dergleichen Anmerkungen zu ſammlen, damit
der Landmann nicht durch eine Landesordnung angewieſen
werde, ſein Wohnzimmer nach einem geſtempelten Thermome-
ter zu hitzen, und ſein Bette mit einem taxmaͤßigen Zeug-
niſſe des Collegii medici zu ſchuͤtzen. Die Vorſorge der
Obrigkeiten gruͤndet ſich nicht edler als auf die Erhaltung der
Unterthanen, und ihr Einkommen iſt nicht ſicherer als wenn
es auf Sachen gelegt wird, die zur unentbehrlichen Beduͤrf-
niß gehoͤren. In einer gewiſſen Chineſiſchen Provinz iſt es
Lothweiſe beſtimmt, was jede Perſon des Tages eſſen muß;
der Hausvater muß ſolches bey einer ſchweren Leibesſtrafe
jedem zuwiegen, und zwar auf einer Wage, die alle Monat,
damit ſie recht richtig geht, geſtempelt wird; der Kayſer em-
pfaͤngt zur Steuer nichts mehr als den Betrag desjenigen
was die Unterthanen vordem mehr verfreſſen haben; hiebey
verliert kenntlich der Unterthan nicht allein nichts; ſondern er
wird auch munter und geſunder, und ſparet uͤberdem was er
vorhin an Aerzte und Arzeneyen gewandt hatte; folglich iſt
hier das billigſte und richtigſte plus was jemahls ein Chine-
ſiſcher Cameraliſt erfunden hat. Eine gleiche Vorſorge koͤnnte
nun auch die warmen Stuben unſrer Landleute bey dem im-
merwaͤhrenden Geſchrey uͤber Holzmangel treffen, wenn man
nicht in Zeiten bewieſe, daß ſie zur Geſundheit in kalten Laͤn-
dern unentbehrlich waͤren, beſonders fuͤr Leute die des Win-
ters den Tag uͤber in Froſt und Schnee leben, und ihre Aus-
duͤnſtungen des Abends und des Nachts verrichten muͤſſen.
Die Kaͤlte iſt das groͤßte Staͤrkungsmittel, und wohlfeiler als

Stahl,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0434" n="416"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;r die warmen Stuben der Landleute</hi></fw><lb/>
ben der Landleute mo&#x0364;gen mit allen Scheine Rechtens darun-<lb/>
ter geza&#x0364;hlet werden. Ich glaube auch bemerkt zu haben, daß<lb/>
unter allen Gelehrten die Prediger immer eine wa&#x0364;rmere Stube<lb/>
lieber haben als andre; welches ebenfalls eine Bedu&#x0364;rfniß zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;cheint, die &#x017F;ich auf ihre &#x017F;ta&#x0364;rkere Canzelarbeit gru&#x0364;ndet.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t no&#x0364;thig dergleichen Anmerkungen zu &#x017F;ammlen, damit<lb/>
der Landmann nicht durch eine Landesordnung angewie&#x017F;en<lb/>
werde, &#x017F;ein Wohnzimmer nach einem ge&#x017F;tempelten Thermome-<lb/>
ter zu hitzen, und &#x017F;ein Bette mit einem taxma&#x0364;ßigen Zeug-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e des <hi rendition="#aq">Collegii medici</hi> zu &#x017F;chu&#x0364;tzen. Die Vor&#x017F;orge der<lb/>
Obrigkeiten gru&#x0364;ndet &#x017F;ich nicht edler als auf die Erhaltung der<lb/>
Unterthanen, und ihr Einkommen i&#x017F;t nicht &#x017F;icherer als wenn<lb/>
es auf Sachen gelegt wird, die zur unentbehrlichen Bedu&#x0364;rf-<lb/>
niß geho&#x0364;ren. In einer gewi&#x017F;&#x017F;en Chine&#x017F;i&#x017F;chen Provinz i&#x017F;t es<lb/>
Lothwei&#x017F;e be&#x017F;timmt, was jede Per&#x017F;on des Tages e&#x017F;&#x017F;en muß;<lb/>
der Hausvater muß &#x017F;olches bey einer &#x017F;chweren Leibes&#x017F;trafe<lb/>
jedem zuwiegen, und zwar auf einer Wage, die alle Monat,<lb/>
damit &#x017F;ie recht richtig geht, ge&#x017F;tempelt wird; der Kay&#x017F;er em-<lb/>
pfa&#x0364;ngt zur Steuer nichts mehr als den Betrag desjenigen<lb/>
was die Unterthanen vordem mehr verfre&#x017F;&#x017F;en haben; hiebey<lb/>
verliert kenntlich der Unterthan nicht allein nichts; &#x017F;ondern er<lb/>
wird auch munter und ge&#x017F;under, und &#x017F;paret u&#x0364;berdem was er<lb/>
vorhin an Aerzte und Arzeneyen gewandt hatte; folglich i&#x017F;t<lb/>
hier das billig&#x017F;te und richtig&#x017F;te <hi rendition="#aq">plus</hi> was jemahls ein Chine-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;cher Camerali&#x017F;t erfunden hat. Eine gleiche Vor&#x017F;orge ko&#x0364;nnte<lb/>
nun auch die warmen Stuben un&#x017F;rer Landleute bey dem im-<lb/>
merwa&#x0364;hrenden Ge&#x017F;chrey u&#x0364;ber Holzmangel treffen, wenn man<lb/>
nicht in Zeiten bewie&#x017F;e, daß &#x017F;ie zur Ge&#x017F;undheit in kalten La&#x0364;n-<lb/>
dern unentbehrlich wa&#x0364;ren, be&#x017F;onders fu&#x0364;r Leute die des Win-<lb/>
ters den Tag u&#x0364;ber in Fro&#x017F;t und Schnee leben, und ihre Aus-<lb/>
du&#x0364;n&#x017F;tungen des Abends und des Nachts verrichten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die Ka&#x0364;lte i&#x017F;t das gro&#x0364;ßte Sta&#x0364;rkungsmittel, und wohlfeiler als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stahl,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0434] Fuͤr die warmen Stuben der Landleute ben der Landleute moͤgen mit allen Scheine Rechtens darun- ter gezaͤhlet werden. Ich glaube auch bemerkt zu haben, daß unter allen Gelehrten die Prediger immer eine waͤrmere Stube lieber haben als andre; welches ebenfalls eine Beduͤrfniß zu ſeyn ſcheint, die ſich auf ihre ſtaͤrkere Canzelarbeit gruͤndet. Es iſt noͤthig dergleichen Anmerkungen zu ſammlen, damit der Landmann nicht durch eine Landesordnung angewieſen werde, ſein Wohnzimmer nach einem geſtempelten Thermome- ter zu hitzen, und ſein Bette mit einem taxmaͤßigen Zeug- niſſe des Collegii medici zu ſchuͤtzen. Die Vorſorge der Obrigkeiten gruͤndet ſich nicht edler als auf die Erhaltung der Unterthanen, und ihr Einkommen iſt nicht ſicherer als wenn es auf Sachen gelegt wird, die zur unentbehrlichen Beduͤrf- niß gehoͤren. In einer gewiſſen Chineſiſchen Provinz iſt es Lothweiſe beſtimmt, was jede Perſon des Tages eſſen muß; der Hausvater muß ſolches bey einer ſchweren Leibesſtrafe jedem zuwiegen, und zwar auf einer Wage, die alle Monat, damit ſie recht richtig geht, geſtempelt wird; der Kayſer em- pfaͤngt zur Steuer nichts mehr als den Betrag desjenigen was die Unterthanen vordem mehr verfreſſen haben; hiebey verliert kenntlich der Unterthan nicht allein nichts; ſondern er wird auch munter und geſunder, und ſparet uͤberdem was er vorhin an Aerzte und Arzeneyen gewandt hatte; folglich iſt hier das billigſte und richtigſte plus was jemahls ein Chine- ſiſcher Cameraliſt erfunden hat. Eine gleiche Vorſorge koͤnnte nun auch die warmen Stuben unſrer Landleute bey dem im- merwaͤhrenden Geſchrey uͤber Holzmangel treffen, wenn man nicht in Zeiten bewieſe, daß ſie zur Geſundheit in kalten Laͤn- dern unentbehrlich waͤren, beſonders fuͤr Leute die des Win- ters den Tag uͤber in Froſt und Schnee leben, und ihre Aus- duͤnſtungen des Abends und des Nachts verrichten muͤſſen. Die Kaͤlte iſt das groͤßte Staͤrkungsmittel, und wohlfeiler als Stahl,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/434
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/434>, abgerufen am 22.11.2024.