schieht, ein Unterthan den andern kaufen könnte. Jetzt hin- gegen haben verschiedene Leibeigene wiederum ihre Leibeigne.
Die Freygrafen, welche im funfzehnten Jahrhundert sich hier folgendergestalt vernehmen ließen: Uns gebührt diejenigen, so vom christlichen Glauben zum Unglauben verfallen, geweihte Kirchen und Kirch- höfe, auch die Kramkindelbette und Kindelbettsfrauen geschändet und beraubet, Zauberey getrieben, desglei- chen kündliche Vertätherey, Falschheit, Dieberey, Raub, Mord, Reraub begangen, zu rügen. Und in dieser Aufstellung ungefehr die Zeitordnung halten, wie jedes Verbrechen unablöslich geworden, hatten endlich kein besser Schicksal. Alle Reichsfürsten setzten sich nicht ohne Grund gegen Leute, welche die Reichsgerichtsbarkeit, ohne sich durch die sich allmählig gründende Territorialhoheit aufhalten zu lassen, noch immer fortführen, und keine ge- schlossene Provinz erkennen wollten. Diese Freyschöpfen, die gleich ofnen Notarien (welche doch nunmehro auch in dem Be- zirke jedes Territorii immatriculirt und approbirt seyn müs- sen) von dem obersten Freygrafen angenommen, und aus kayserlicher Macht nunmehro ohne Mittel, und ohne daß ei- ner sich jetzt noch auf den alten ausgegangenen Erhaltungs- richter, als seinen ordentlichen Richter, berufen konnte, ihr Richteramt ausübten, waren in der That die letzten Märty- rer der alten kayserlichen Macht. Freylich hatte manche Stadt und mancher Stand schon ein Privilegium de non evocando gegen sie erhalten. Ihre Befugniß dauerte aber im übrigen noch, bis sie endlich von den Reichsständen dermassen ange- schwärzt wurden, daß der Kayser sie ihnen Preis geben mußte.
Wei-
Eine Hypotheſe zur beſſern Aufklaͤrung
ſchieht, ein Unterthan den andern kaufen koͤnnte. Jetzt hin- gegen haben verſchiedene Leibeigene wiederum ihre Leibeigne.
Die Freygrafen, welche im funfzehnten Jahrhundert ſich hier folgendergeſtalt vernehmen ließen: Uns gebuͤhrt diejenigen, ſo vom chriſtlichen Glauben zum Unglauben verfallen, geweihte Kirchen und Kirch- hoͤfe, auch die Kramkindelbette und Kindelbettsfrauen geſchaͤndet und beraubet, Zauberey getrieben, desglei- chen kuͤndliche Vertaͤtherey, Falſchheit, Dieberey, Raub, Mord, Reraub begangen, zu ruͤgen. Und in dieſer Aufſtellung ungefehr die Zeitordnung halten, wie jedes Verbrechen unabloͤslich geworden, hatten endlich kein beſſer Schickſal. Alle Reichsfuͤrſten ſetzten ſich nicht ohne Grund gegen Leute, welche die Reichsgerichtsbarkeit, ohne ſich durch die ſich allmaͤhlig gruͤndende Territorialhoheit aufhalten zu laſſen, noch immer fortfuͤhren, und keine ge- ſchloſſene Provinz erkennen wollten. Dieſe Freyſchoͤpfen, die gleich ofnen Notarien (welche doch nunmehro auch in dem Be- zirke jedes Territorii immatriculirt und approbirt ſeyn muͤſ- ſen) von dem oberſten Freygrafen angenommen, und aus kayſerlicher Macht nunmehro ohne Mittel, und ohne daß ei- ner ſich jetzt noch auf den alten ausgegangenen Erhaltungs- richter, als ſeinen ordentlichen Richter, berufen konnte, ihr Richteramt ausuͤbten, waren in der That die letzten Maͤrty- rer der alten kayſerlichen Macht. Freylich hatte manche Stadt und mancher Stand ſchon ein Privilegium de non evocando gegen ſie erhalten. Ihre Befugniß dauerte aber im uͤbrigen noch, bis ſie endlich von den Reichsſtaͤnden dermaſſen ange- ſchwaͤrzt wurden, daß der Kayſer ſie ihnen Preis geben mußte.
Wei-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0498"n="480"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Eine Hypotheſe zur beſſern Aufklaͤrung</hi></fw><lb/>ſchieht, ein Unterthan den andern kaufen koͤnnte. Jetzt hin-<lb/>
gegen haben verſchiedene Leibeigene wiederum ihre Leibeigne.</p><lb/><p>Die Freygrafen, welche im funfzehnten Jahrhundert ſich<lb/>
hier folgendergeſtalt vernehmen ließen:<lb/><cit><quote><hirendition="#et">Uns gebuͤhrt diejenigen, ſo vom chriſtlichen Glauben<lb/>
zum Unglauben verfallen, geweihte Kirchen und Kirch-<lb/>
hoͤfe, auch die Kramkindelbette und Kindelbettsfrauen<lb/>
geſchaͤndet und beraubet, Zauberey getrieben, desglei-<lb/>
chen kuͤndliche Vertaͤtherey, Falſchheit, Dieberey, Raub,<lb/>
Mord, Reraub begangen, zu ruͤgen.</hi></quote></cit><lb/>
Und in dieſer Aufſtellung ungefehr die Zeitordnung halten,<lb/>
wie jedes Verbrechen unabloͤslich geworden, hatten endlich<lb/>
kein beſſer Schickſal. Alle Reichsfuͤrſten ſetzten ſich nicht<lb/>
ohne Grund gegen Leute, welche die Reichsgerichtsbarkeit,<lb/>
ohne ſich durch die ſich allmaͤhlig gruͤndende Territorialhoheit<lb/>
aufhalten zu laſſen, noch immer fortfuͤhren, und keine ge-<lb/>ſchloſſene Provinz erkennen wollten. Dieſe Freyſchoͤpfen, die<lb/>
gleich ofnen Notarien (welche doch nunmehro auch in dem Be-<lb/>
zirke jedes <hirendition="#aq">Territorii</hi> immatriculirt und approbirt ſeyn muͤſ-<lb/>ſen) von dem oberſten Freygrafen angenommen, und aus<lb/>
kayſerlicher Macht nunmehro ohne Mittel, und ohne daß ei-<lb/>
ner ſich jetzt noch auf den alten ausgegangenen Erhaltungs-<lb/>
richter, als ſeinen ordentlichen Richter, berufen konnte, ihr<lb/>
Richteramt ausuͤbten, waren in der That die letzten Maͤrty-<lb/>
rer der alten kayſerlichen Macht. Freylich hatte manche Stadt<lb/>
und mancher Stand ſchon ein <hirendition="#aq">Privilegium de non evocando</hi><lb/>
gegen ſie erhalten. Ihre Befugniß dauerte aber im uͤbrigen<lb/>
noch, bis ſie endlich von den Reichsſtaͤnden dermaſſen ange-<lb/>ſchwaͤrzt wurden, daß der Kayſer ſie ihnen Preis geben<lb/>
mußte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wei-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[480/0498]
Eine Hypotheſe zur beſſern Aufklaͤrung
ſchieht, ein Unterthan den andern kaufen koͤnnte. Jetzt hin-
gegen haben verſchiedene Leibeigene wiederum ihre Leibeigne.
Die Freygrafen, welche im funfzehnten Jahrhundert ſich
hier folgendergeſtalt vernehmen ließen:
Uns gebuͤhrt diejenigen, ſo vom chriſtlichen Glauben
zum Unglauben verfallen, geweihte Kirchen und Kirch-
hoͤfe, auch die Kramkindelbette und Kindelbettsfrauen
geſchaͤndet und beraubet, Zauberey getrieben, desglei-
chen kuͤndliche Vertaͤtherey, Falſchheit, Dieberey, Raub,
Mord, Reraub begangen, zu ruͤgen.
Und in dieſer Aufſtellung ungefehr die Zeitordnung halten,
wie jedes Verbrechen unabloͤslich geworden, hatten endlich
kein beſſer Schickſal. Alle Reichsfuͤrſten ſetzten ſich nicht
ohne Grund gegen Leute, welche die Reichsgerichtsbarkeit,
ohne ſich durch die ſich allmaͤhlig gruͤndende Territorialhoheit
aufhalten zu laſſen, noch immer fortfuͤhren, und keine ge-
ſchloſſene Provinz erkennen wollten. Dieſe Freyſchoͤpfen, die
gleich ofnen Notarien (welche doch nunmehro auch in dem Be-
zirke jedes Territorii immatriculirt und approbirt ſeyn muͤſ-
ſen) von dem oberſten Freygrafen angenommen, und aus
kayſerlicher Macht nunmehro ohne Mittel, und ohne daß ei-
ner ſich jetzt noch auf den alten ausgegangenen Erhaltungs-
richter, als ſeinen ordentlichen Richter, berufen konnte, ihr
Richteramt ausuͤbten, waren in der That die letzten Maͤrty-
rer der alten kayſerlichen Macht. Freylich hatte manche Stadt
und mancher Stand ſchon ein Privilegium de non evocando
gegen ſie erhalten. Ihre Befugniß dauerte aber im uͤbrigen
noch, bis ſie endlich von den Reichsſtaͤnden dermaſſen ange-
ſchwaͤrzt wurden, daß der Kayſer ſie ihnen Preis geben
mußte.
Wei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/498>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.