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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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der alten deutschen Criminaliurisdiction.

Weiter brauche ich jetzt jene Hypothese nicht zu verfolgen,
um derselben einige Wahrscheinlichkeit zu geben, ich will aber
zum Schluß noch anführen, wie bey jener langen Gährung
des Jurisdictionswesens, wo zuletzt immer ein Richter für
den andern die Sache nur zuerst befingern (so nennete man
die praeventionem fori) suchte, sehrviele Rechte verdunkelt
worden.

So hatten die Freygrafen ihre Hangebäume, und sein Ge-
richtsfrone die Eicheln und das Laub davon, ohnerachtet sie
auf eines andern Grunde standen. So unterschied man die
Windfälle, wenn der Baum über der Erde oder mit der Wur-
zel umfiel, eignete jene dem Holzgerichte, diese der höchsten
Obrigkeit als Grundherrn zu; so gaben diejenigen, welche
jetzt Schnepfenfluchten besitzen, und zur Jagd nicht berechti-
get sind, jährlich dem Besitzer der Advocatie zwey Schnepfen
zur Urkunde; so hatte der Holzgraf, der seinen Ursprung aus
der alten Advocatie hatte, beym Holzgericht den höchsten Stuhl,
den weisesten Becher und einen Beutel mit drey Hellern; so
erhielt der alte Graf zuletzt eine doppelte Blutronne von je-
dem Todtschlage, wie die höchste Obrigkeit dieses Verbrechen
allein bestrafte; so hatte der Advocatiebesitzer das Zwangmalz
oder Grut, wie es genannt wurde, wovon jeder Brauer neh-
men mußte; so besaß auch dieser einen Mühlenzwang --
welches mehrentheils in dem Streite verlohren gieng, weil
ein Richter es dem andern nicht zukommen lassen wollte. --
Zu wünschen wäre es, daß unsere heutigen Bardensänger
mehr die alten wahren Sitten studieren, und uns mit den
Gebräuchen unser Vorfahren auf eine lehrreiche Art bekandt
machen mögten, anstatt daß sie bloß ihre Einbildung in Un-
kosten setzen.



LXXXIX.
Möserspatr. Phantas. II. Th. H h
der alten deutſchen Criminaliurisdiction.

Weiter brauche ich jetzt jene Hypotheſe nicht zu verfolgen,
um derſelben einige Wahrſcheinlichkeit zu geben, ich will aber
zum Schluß noch anfuͤhren, wie bey jener langen Gaͤhrung
des Jurisdictionsweſens, wo zuletzt immer ein Richter fuͤr
den andern die Sache nur zuerſt befingern (ſo nennete man
die praeventionem fori) ſuchte, ſehrviele Rechte verdunkelt
worden.

So hatten die Freygrafen ihre Hangebaͤume, und ſein Ge-
richtsfrone die Eicheln und das Laub davon, ohnerachtet ſie
auf eines andern Grunde ſtanden. So unterſchied man die
Windfaͤlle, wenn der Baum uͤber der Erde oder mit der Wur-
zel umfiel, eignete jene dem Holzgerichte, dieſe der hoͤchſten
Obrigkeit als Grundherrn zu; ſo gaben diejenigen, welche
jetzt Schnepfenfluchten beſitzen, und zur Jagd nicht berechti-
get ſind, jaͤhrlich dem Beſitzer der Advocatie zwey Schnepfen
zur Urkunde; ſo hatte der Holzgraf, der ſeinen Urſprung aus
der alten Advocatie hatte, beym Holzgericht den hoͤchſten Stuhl,
den weiſeſten Becher und einen Beutel mit drey Hellern; ſo
erhielt der alte Graf zuletzt eine doppelte Blutronne von je-
dem Todtſchlage, wie die hoͤchſte Obrigkeit dieſes Verbrechen
allein beſtrafte; ſo hatte der Advocatiebeſitzer das Zwangmalz
oder Grut, wie es genannt wurde, wovon jeder Brauer neh-
men mußte; ſo beſaß auch dieſer einen Muͤhlenzwang —
welches mehrentheils in dem Streite verlohren gieng, weil
ein Richter es dem andern nicht zukommen laſſen wollte. —
Zu wuͤnſchen waͤre es, daß unſere heutigen Bardenſaͤnger
mehr die alten wahren Sitten ſtudieren, und uns mit den
Gebraͤuchen unſer Vorfahren auf eine lehrreiche Art bekandt
machen moͤgten, anſtatt daß ſie bloß ihre Einbildung in Un-
koſten ſetzen.



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Möſerspatr. Phantaſ. II. Th. H h
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[481/0499] der alten deutſchen Criminaliurisdiction. Weiter brauche ich jetzt jene Hypotheſe nicht zu verfolgen, um derſelben einige Wahrſcheinlichkeit zu geben, ich will aber zum Schluß noch anfuͤhren, wie bey jener langen Gaͤhrung des Jurisdictionsweſens, wo zuletzt immer ein Richter fuͤr den andern die Sache nur zuerſt befingern (ſo nennete man die praeventionem fori) ſuchte, ſehrviele Rechte verdunkelt worden. So hatten die Freygrafen ihre Hangebaͤume, und ſein Ge- richtsfrone die Eicheln und das Laub davon, ohnerachtet ſie auf eines andern Grunde ſtanden. So unterſchied man die Windfaͤlle, wenn der Baum uͤber der Erde oder mit der Wur- zel umfiel, eignete jene dem Holzgerichte, dieſe der hoͤchſten Obrigkeit als Grundherrn zu; ſo gaben diejenigen, welche jetzt Schnepfenfluchten beſitzen, und zur Jagd nicht berechti- get ſind, jaͤhrlich dem Beſitzer der Advocatie zwey Schnepfen zur Urkunde; ſo hatte der Holzgraf, der ſeinen Urſprung aus der alten Advocatie hatte, beym Holzgericht den hoͤchſten Stuhl, den weiſeſten Becher und einen Beutel mit drey Hellern; ſo erhielt der alte Graf zuletzt eine doppelte Blutronne von je- dem Todtſchlage, wie die hoͤchſte Obrigkeit dieſes Verbrechen allein beſtrafte; ſo hatte der Advocatiebeſitzer das Zwangmalz oder Grut, wie es genannt wurde, wovon jeder Brauer neh- men mußte; ſo beſaß auch dieſer einen Muͤhlenzwang — welches mehrentheils in dem Streite verlohren gieng, weil ein Richter es dem andern nicht zukommen laſſen wollte. — Zu wuͤnſchen waͤre es, daß unſere heutigen Bardenſaͤnger mehr die alten wahren Sitten ſtudieren, und uns mit den Gebraͤuchen unſer Vorfahren auf eine lehrreiche Art bekandt machen moͤgten, anſtatt daß ſie bloß ihre Einbildung in Un- koſten ſetzen. LXXXIX. Möſerspatr. Phantaſ. II. Th. H h

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/499>, abgerufen am 22.11.2024.