Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Das abgeschaffte Herk. eine lehrreiche Geschichte. weder der Besitz noch der Eid gegen die öffentlich bekanntenHofesrechte zugelassen wurde. Ein anders wäre, wenn unsre gnädige Herrschaf die Pflichten, welche aus jedem Hofe gehen, von neuen öffentlich beschreiben, und auf steinernen Tafeln in der Kirche wieder aufhängen lassen wollte. Alsdenn möch- ten sie so viel Küsse, so viel Hüner und Eyer verlangen als sie nur wollten. Mit Freuden sollten unsre Töchter sie hin- bringen; wir wollten ihnen dienen, so oft sie es nöthig hät- ten, und sie würden sich auch ihrer Seits gegen uns mitlei- dig beweisen, wenn wir einmal nicht im Stande wären unsre Pflicht zu leisten. Kaum hatte die versamlete Menge dem Redemeyer ihrem Seitdem hat man zwar in dieser Gegend oft im Finstern Ende des zweyten Theils. auch ein gefährliches Mittel, besonders wo der Eid ein-
zelnen Leuten angetragen werden kan. Dieses ist wieder- um ein unverzeihlicher Fehler unsrer Praxis. Einem ein- zelen Manne, der zu einer Gilde oder einem Hofe gehört, muß nie über Gilde- oder Hofesgerechtsame der Eid an- getragen werden können; sondern er muß der ganzen Gilde deferirt werden, die sich per Syndicum vertheidigt, und die Männer selbst stellet, deren Eid hiernächst für alle ver- bindlich seyn soll. Das abgeſchaffte Herk. eine lehrreiche Geſchichte. weder der Beſitz noch der Eid gegen die oͤffentlich bekanntenHofesrechte zugelaſſen wurde. Ein anders waͤre, wenn unſre gnaͤdige Herrſchaf die Pflichten, welche aus jedem Hofe gehen, von neuen oͤffentlich beſchreiben, und auf ſteinernen Tafeln in der Kirche wieder aufhaͤngen laſſen wollte. Alsdenn moͤch- ten ſie ſo viel Kuͤſſe, ſo viel Huͤner und Eyer verlangen als ſie nur wollten. Mit Freuden ſollten unſre Toͤchter ſie hin- bringen; wir wollten ihnen dienen, ſo oft ſie es noͤthig haͤt- ten, und ſie wuͤrden ſich auch ihrer Seits gegen uns mitlei- dig beweiſen, wenn wir einmal nicht im Stande waͤren unſre Pflicht zu leiſten. Kaum hatte die verſamlete Menge dem Redemeyer ihrem Seitdem hat man zwar in dieſer Gegend oft im Finſtern Ende des zweyten Theils. auch ein gefaͤhrliches Mittel, beſonders wo der Eid ein-
zelnen Leuten angetragen werden kan. Dieſes iſt wieder- um ein unverzeihlicher Fehler unſrer Praxis. Einem ein- zelen Manne, der zu einer Gilde oder einem Hofe gehoͤrt, muß nie uͤber Gilde- oder Hofesgerechtſame der Eid an- getragen werden koͤnnen; ſondern er muß der ganzen Gilde deferirt werden, die ſich per Syndicum vertheidigt, und die Maͤnner ſelbſt ſtellet, deren Eid hiernaͤchſt fuͤr alle ver- bindlich ſeyn ſoll. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0516" n="498"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das abgeſchaffte Herk. eine lehrreiche Geſchichte.</hi></fw><lb/> weder der Beſitz noch der Eid gegen die oͤffentlich bekannten<lb/> Hofesrechte zugelaſſen wurde. Ein anders waͤre, wenn unſre<lb/> gnaͤdige Herrſchaf die Pflichten, welche aus jedem Hofe gehen,<lb/> von neuen oͤffentlich beſchreiben, und auf ſteinernen Tafeln<lb/> in der Kirche wieder aufhaͤngen laſſen wollte. Alsdenn moͤch-<lb/> ten ſie ſo viel Kuͤſſe, ſo viel Huͤner und Eyer verlangen als<lb/> ſie nur wollten. Mit Freuden ſollten unſre Toͤchter ſie hin-<lb/> bringen; wir wollten ihnen dienen, ſo oft ſie es noͤthig haͤt-<lb/> ten, und ſie wuͤrden ſich auch ihrer Seits gegen uns mitlei-<lb/> dig beweiſen, wenn wir einmal nicht im Stande waͤren unſre<lb/> Pflicht zu leiſten.</p><lb/> <p>Kaum hatte die verſamlete Menge dem Redemeyer ihrem<lb/> Beyfall gegeben: ſo gieng der Vater der Sylika nach Hauſe,<lb/> um ſeiner Frauen die Meynung des Hofes bekannt zu machen;<lb/> und dieſe brachte es durch ihre ſchoͤne Tochter dahin, daß das<lb/> Herkommen ganz abgeſchaffet, und die Tafel in der Kirche<lb/> wieder auſgehangen wurde.</p><lb/> <p>Seitdem hat man zwar in dieſer Gegend oft im Finſtern<lb/> einen Kuß gehoͤrt; aber niemals geglaubt, daß es eine Spu-<lb/> kerey der Sylika ſey; und ihre Nachkommen wiſſen es ihr<lb/> noch jetzt Dank, daß keine Mutter uͤber die Hecke rufen koͤnne:<lb/><hi rendition="#fr">Thue es nicht, es wird eine Pflicht daraus.</hi></p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_10_2" prev="#seg2pn_10_1" place="foot" n="a)">auch ein gefaͤhrliches Mittel, beſonders wo der Eid <hi rendition="#fr">ein-<lb/> zelnen</hi> Leuten angetragen werden kan. Dieſes iſt wieder-<lb/> um ein unverzeihlicher Fehler unſrer Praxis. Einem ein-<lb/> zelen Manne, der zu einer Gilde oder einem Hofe gehoͤrt,<lb/> muß nie uͤber Gilde- oder Hofesgerechtſame der Eid an-<lb/> getragen werden koͤnnen; ſondern er muß der ganzen Gilde<lb/> deferirt werden, die ſich <hi rendition="#aq">per Syndicum</hi> vertheidigt, und<lb/> die Maͤnner ſelbſt ſtellet, deren Eid hiernaͤchſt fuͤr alle ver-<lb/> bindlich ſeyn ſoll.</note> </p><lb/> <p> <hi rendition="#c">Ende des zweyten Theils.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [498/0516]
Das abgeſchaffte Herk. eine lehrreiche Geſchichte.
weder der Beſitz noch der Eid gegen die oͤffentlich bekannten
Hofesrechte zugelaſſen wurde. Ein anders waͤre, wenn unſre
gnaͤdige Herrſchaf die Pflichten, welche aus jedem Hofe gehen,
von neuen oͤffentlich beſchreiben, und auf ſteinernen Tafeln
in der Kirche wieder aufhaͤngen laſſen wollte. Alsdenn moͤch-
ten ſie ſo viel Kuͤſſe, ſo viel Huͤner und Eyer verlangen als
ſie nur wollten. Mit Freuden ſollten unſre Toͤchter ſie hin-
bringen; wir wollten ihnen dienen, ſo oft ſie es noͤthig haͤt-
ten, und ſie wuͤrden ſich auch ihrer Seits gegen uns mitlei-
dig beweiſen, wenn wir einmal nicht im Stande waͤren unſre
Pflicht zu leiſten.
Kaum hatte die verſamlete Menge dem Redemeyer ihrem
Beyfall gegeben: ſo gieng der Vater der Sylika nach Hauſe,
um ſeiner Frauen die Meynung des Hofes bekannt zu machen;
und dieſe brachte es durch ihre ſchoͤne Tochter dahin, daß das
Herkommen ganz abgeſchaffet, und die Tafel in der Kirche
wieder auſgehangen wurde.
Seitdem hat man zwar in dieſer Gegend oft im Finſtern
einen Kuß gehoͤrt; aber niemals geglaubt, daß es eine Spu-
kerey der Sylika ſey; und ihre Nachkommen wiſſen es ihr
noch jetzt Dank, daß keine Mutter uͤber die Hecke rufen koͤnne:
Thue es nicht, es wird eine Pflicht daraus.
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Ende des zweyten Theils.
a) auch ein gefaͤhrliches Mittel, beſonders wo der Eid ein-
zelnen Leuten angetragen werden kan. Dieſes iſt wieder-
um ein unverzeihlicher Fehler unſrer Praxis. Einem ein-
zelen Manne, der zu einer Gilde oder einem Hofe gehoͤrt,
muß nie uͤber Gilde- oder Hofesgerechtſame der Eid an-
getragen werden koͤnnen; ſondern er muß der ganzen Gilde
deferirt werden, die ſich per Syndicum vertheidigt, und
die Maͤnner ſelbſt ſtellet, deren Eid hiernaͤchſt fuͤr alle ver-
bindlich ſeyn ſoll.
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