sie einen auch in die allzeit offnen Zeiten des Faustrechts verweisen. Aber schwerlich wird ihre Antwort so beschaf- fen seyn, daß sich eine Dame von ihrer Wißbegierde, Hoch- zuehrende Polyxena, damit befriedigen wird. Ich will also sehen, ob ich Ihnen die Sache ein wenig deutlicher machen kann.
Die erste bekannte gemeine Kasse, wovon ich mit Ge- wißheit reden kann, war die Zehntkasse, welche Carl der Grosse in seinem ganzen Reiche einführte, und die gerade so war, wie sie der Ritter Vauban in den neuern Zeiten vorgeschlagen hat. Schlechter konnte man sie auch von einem so grossen Geine, als Carl der Grosse war, nicht erwarten. Insgemein glaubt man, der Carolingische Zehnte sey keine gemeine Steuer, sondern nur ein geistli- ches Opfer gewesen. Wenn ich aber zeigen werde, daß alle damaligen öffentlichen Ausgaben eines Staats daraus bestritten wurden: so muß dieser Zweifel, so früh sich auch die Wahrheit verdunkelt hat, von selbst wegfallen.
Ein Viertel des Zehntens erhielt der Bischof; ein Vier- tel jedes Orts der Pfarrer; und die übrigen beyden Vier- theile die Kirche, zu allerhand Ausgaben, oder für Arme, Reisende, und andere Bedürfnisse.
Diese Kasse mag nun die Bischöfliche, oder die geist- liche Kasse, oder auch die Gottes- und Kirchenkasse geheis- sen haben, daran liegt nichts; genug es war die wahre Stifts- oder Sprengelskasse, so bald ich zeige, daß diese eben dazu diente, wozu jetzt eine Landeskasse dienet. Es liegt auch nichts daran, ob diese Kasse in jedem Kirchspiele oder in der Hauptstadt war. Denn wir könnten auch jetzt eine Hauptsteuerkasse entbehren, wenn der Obersteuerein- nehmer jedem Empfänger seine Hebung in Händen liesse, und sich begnügte Anweisungen darauf zu ertheilen, und
die
Mös. patr. Phant.III.Th. G
Die erſte Landeskaſſe.
ſie einen auch in die allzeit offnen Zeiten des Fauſtrechts verweiſen. Aber ſchwerlich wird ihre Antwort ſo beſchaf- fen ſeyn, daß ſich eine Dame von ihrer Wißbegierde, Hoch- zuehrende Polyxena, damit befriedigen wird. Ich will alſo ſehen, ob ich Ihnen die Sache ein wenig deutlicher machen kann.
Die erſte bekannte gemeine Kaſſe, wovon ich mit Ge- wißheit reden kann, war die Zehntkaſſe, welche Carl der Groſſe in ſeinem ganzen Reiche einfuͤhrte, und die gerade ſo war, wie ſie der Ritter Vauban in den neuern Zeiten vorgeſchlagen hat. Schlechter konnte man ſie auch von einem ſo groſſen Geine, als Carl der Groſſe war, nicht erwarten. Insgemein glaubt man, der Carolingiſche Zehnte ſey keine gemeine Steuer, ſondern nur ein geiſtli- ches Opfer geweſen. Wenn ich aber zeigen werde, daß alle damaligen oͤffentlichen Ausgaben eines Staats daraus beſtritten wurden: ſo muß dieſer Zweifel, ſo fruͤh ſich auch die Wahrheit verdunkelt hat, von ſelbſt wegfallen.
Ein Viertel des Zehntens erhielt der Biſchof; ein Vier- tel jedes Orts der Pfarrer; und die uͤbrigen beyden Vier- theile die Kirche, zu allerhand Ausgaben, oder fuͤr Arme, Reiſende, und andere Beduͤrfniſſe.
Dieſe Kaſſe mag nun die Biſchoͤfliche, oder die geiſt- liche Kaſſe, oder auch die Gottes- und Kirchenkaſſe geheiſ- ſen haben, daran liegt nichts; genug es war die wahre Stifts- oder Sprengelskaſſe, ſo bald ich zeige, daß dieſe eben dazu diente, wozu jetzt eine Landeskaſſe dienet. Es liegt auch nichts daran, ob dieſe Kaſſe in jedem Kirchſpiele oder in der Hauptſtadt war. Denn wir koͤnnten auch jetzt eine Hauptſteuerkaſſe entbehren, wenn der Oberſteuerein- nehmer jedem Empfaͤnger ſeine Hebung in Haͤnden lieſſe, und ſich begnuͤgte Anweiſungen darauf zu ertheilen, und
die
Moͤſ. patr. Phant.III.Th. G
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Die erſte Landeskaſſe.
ſie einen auch in die allzeit offnen Zeiten des Fauſtrechts
verweiſen. Aber ſchwerlich wird ihre Antwort ſo beſchaf-
fen ſeyn, daß ſich eine Dame von ihrer Wißbegierde, Hoch-
zuehrende Polyxena, damit befriedigen wird. Ich will
alſo ſehen, ob ich Ihnen die Sache ein wenig deutlicher
machen kann.
Die erſte bekannte gemeine Kaſſe, wovon ich mit Ge-
wißheit reden kann, war die Zehntkaſſe, welche Carl der
Groſſe in ſeinem ganzen Reiche einfuͤhrte, und die gerade
ſo war, wie ſie der Ritter Vauban in den neuern Zeiten
vorgeſchlagen hat. Schlechter konnte man ſie auch von
einem ſo groſſen Geine, als Carl der Groſſe war, nicht
erwarten. Insgemein glaubt man, der Carolingiſche
Zehnte ſey keine gemeine Steuer, ſondern nur ein geiſtli-
ches Opfer geweſen. Wenn ich aber zeigen werde, daß
alle damaligen oͤffentlichen Ausgaben eines Staats daraus
beſtritten wurden: ſo muß dieſer Zweifel, ſo fruͤh ſich auch
die Wahrheit verdunkelt hat, von ſelbſt wegfallen.
Ein Viertel des Zehntens erhielt der Biſchof; ein Vier-
tel jedes Orts der Pfarrer; und die uͤbrigen beyden Vier-
theile die Kirche, zu allerhand Ausgaben, oder fuͤr Arme,
Reiſende, und andere Beduͤrfniſſe.
Dieſe Kaſſe mag nun die Biſchoͤfliche, oder die geiſt-
liche Kaſſe, oder auch die Gottes- und Kirchenkaſſe geheiſ-
ſen haben, daran liegt nichts; genug es war die wahre
Stifts- oder Sprengelskaſſe, ſo bald ich zeige, daß dieſe
eben dazu diente, wozu jetzt eine Landeskaſſe dienet. Es
liegt auch nichts daran, ob dieſe Kaſſe in jedem Kirchſpiele
oder in der Hauptſtadt war. Denn wir koͤnnten auch jetzt
eine Hauptſteuerkaſſe entbehren, wenn der Oberſteuerein-
nehmer jedem Empfaͤnger ſeine Hebung in Haͤnden lieſſe,
und ſich begnuͤgte Anweiſungen darauf zu ertheilen, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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