Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Unterschied zwischen der gerichtlichen
eignen Kräfte gebraucht; und dann würde vermuthlich der-
jenige, der sich anfänglich für den Stärksten gehalten, eben
den Schutz nöthig finden und anflehen, dessen seiner Mei-
nung nach die einzelnen Schwächern nicht geniessen sollen.
Es ist also auch der wahre Vortheil des einzelnen Stärkern,
daß ein ordentlicher Schutz vorhanden ist, ohne dessen Be-
willigung und Anführung die vielen Schwächern sich nicht
zusammen rotten, und ihm ihre Rache empfinden lassen
dürfen.

Dem ungeachtet höret man diesen nicht selten klagen,
daß ein solcher Schutzherr oder Schutzvogt, ob er gleich
nicht mit der geringsten richterlichen Befugniß über ihn ver-
sehen wäre, ihm etwas absprechen wolle. Allerdings
spricht er ihm etwas ab, wann er aus Gefälligkeit zuerst
den Mund anstatt der Hand gebraucht. Aber er sagt doch
nichts weiter, als was jeder Privatmann, wenn er zu sei-
ner Vertheidigung stark genug wäre, sagen könnte: er sagt
nemlich blos: Ich leide es nicht, und dieser Ausspruch,
er mag aus dem Munde eines Fürsten, oder eines Privat-
mannes kommen, ist kein Urtheil, sondern eine blosse
eigne natürliche aussergerichtliche Vertheidigung.

Oft könnte ein solcher den Schutzherrn oder Schutz-
vogt sofort überzeugen, daß er sich des Schwächern mit
Unrecht annehme, und einem Menschen Beystand leiste, der
es keinesweges verdiene. Allein, weil er sich den Begriff
macht, daß diese Nachricht, welche ein Nachbar dem an-
dern unbedenklich geben würde, einer gerichtlichen Einlas-
sung gleich gelte: so irret er gleich zum Richter, oder macht
es wie der Geistliche, der einen Layen prügelte, und so oft
dieser sich wehren wollte, ihm zurief: er stünde nicht unter
dem weltlichen Arm.

Nicht

Der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen
eignen Kraͤfte gebraucht; und dann wuͤrde vermuthlich der-
jenige, der ſich anfaͤnglich fuͤr den Staͤrkſten gehalten, eben
den Schutz noͤthig finden und anflehen, deſſen ſeiner Mei-
nung nach die einzelnen Schwaͤchern nicht genieſſen ſollen.
Es iſt alſo auch der wahre Vortheil des einzelnen Staͤrkern,
daß ein ordentlicher Schutz vorhanden iſt, ohne deſſen Be-
willigung und Anfuͤhrung die vielen Schwaͤchern ſich nicht
zuſammen rotten, und ihm ihre Rache empfinden laſſen
duͤrfen.

Dem ungeachtet hoͤret man dieſen nicht ſelten klagen,
daß ein ſolcher Schutzherr oder Schutzvogt, ob er gleich
nicht mit der geringſten richterlichen Befugniß uͤber ihn ver-
ſehen waͤre, ihm etwas abſprechen wolle. Allerdings
ſpricht er ihm etwas ab, wann er aus Gefaͤlligkeit zuerſt
den Mund anſtatt der Hand gebraucht. Aber er ſagt doch
nichts weiter, als was jeder Privatmann, wenn er zu ſei-
ner Vertheidigung ſtark genug waͤre, ſagen koͤnnte: er ſagt
nemlich blos: Ich leide es nicht, und dieſer Ausſpruch,
er mag aus dem Munde eines Fuͤrſten, oder eines Privat-
mannes kommen, iſt kein Urtheil, ſondern eine bloſſe
eigne natuͤrliche auſſergerichtliche Vertheidigung.

Oft koͤnnte ein ſolcher den Schutzherrn oder Schutz-
vogt ſofort uͤberzeugen, daß er ſich des Schwaͤchern mit
Unrecht annehme, und einem Menſchen Beyſtand leiſte, der
es keinesweges verdiene. Allein, weil er ſich den Begriff
macht, daß dieſe Nachricht, welche ein Nachbar dem an-
dern unbedenklich geben wuͤrde, einer gerichtlichen Einlaſ-
ſung gleich gelte: ſo irret er gleich zum Richter, oder macht
es wie der Geiſtliche, der einen Layen pruͤgelte, und ſo oft
dieſer ſich wehren wollte, ihm zurief: er ſtuͤnde nicht unter
dem weltlichen Arm.

Nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="112"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen der gerichtlichen</hi></fw><lb/>
eignen Kra&#x0364;fte gebraucht; und dann wu&#x0364;rde vermuthlich der-<lb/>
jenige, der &#x017F;ich anfa&#x0364;nglich fu&#x0364;r den Sta&#x0364;rk&#x017F;ten gehalten, eben<lb/>
den Schutz no&#x0364;thig finden und anflehen, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einer Mei-<lb/>
nung nach die einzelnen Schwa&#x0364;chern nicht genie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen.<lb/>
Es i&#x017F;t al&#x017F;o auch der wahre Vortheil des einzelnen Sta&#x0364;rkern,<lb/>
daß ein ordentlicher Schutz vorhanden i&#x017F;t, ohne de&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
willigung und Anfu&#x0364;hrung die vielen Schwa&#x0364;chern &#x017F;ich nicht<lb/>
zu&#x017F;ammen rotten, und ihm ihre Rache empfinden la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
du&#x0364;rfen.</p><lb/>
        <p>Dem ungeachtet ho&#x0364;ret man die&#x017F;en nicht &#x017F;elten klagen,<lb/>
daß ein &#x017F;olcher Schutzherr oder Schutzvogt, ob er gleich<lb/>
nicht mit der gering&#x017F;ten richterlichen Befugniß u&#x0364;ber ihn ver-<lb/>
&#x017F;ehen wa&#x0364;re, ihm etwas <hi rendition="#fr">ab&#x017F;prechen</hi> wolle. Allerdings<lb/>
&#x017F;pricht er ihm etwas ab, wann er aus Gefa&#x0364;lligkeit zuer&#x017F;t<lb/>
den Mund an&#x017F;tatt der Hand gebraucht. Aber er &#x017F;agt doch<lb/>
nichts weiter, als was jeder Privatmann, wenn er zu &#x017F;ei-<lb/>
ner Vertheidigung &#x017F;tark genug wa&#x0364;re, &#x017F;agen ko&#x0364;nnte: er &#x017F;agt<lb/>
nemlich blos: <hi rendition="#fr">Ich leide es nicht,</hi> und die&#x017F;er Aus&#x017F;pruch,<lb/>
er mag aus dem Munde eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten, oder eines Privat-<lb/>
mannes kommen, i&#x017F;t kein Urtheil, &#x017F;ondern eine blo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
eigne natu&#x0364;rliche au&#x017F;&#x017F;ergerichtliche Vertheidigung.</p><lb/>
        <p>Oft ko&#x0364;nnte ein &#x017F;olcher den Schutzherrn oder Schutz-<lb/>
vogt &#x017F;ofort u&#x0364;berzeugen, daß er &#x017F;ich des Schwa&#x0364;chern mit<lb/>
Unrecht annehme, und einem Men&#x017F;chen Bey&#x017F;tand lei&#x017F;te, der<lb/>
es keinesweges verdiene. Allein, weil er &#x017F;ich den Begriff<lb/>
macht, daß die&#x017F;e Nachricht, welche ein Nachbar dem an-<lb/>
dern unbedenklich geben wu&#x0364;rde, einer gerichtlichen Einla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung gleich gelte: &#x017F;o irret er gleich zum Richter, oder macht<lb/>
es wie der Gei&#x017F;tliche, der einen Layen pru&#x0364;gelte, und &#x017F;o oft<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;ich wehren wollte, ihm zurief: er &#x017F;tu&#x0364;nde nicht unter<lb/>
dem weltlichen Arm.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Nicht</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0126] Der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen eignen Kraͤfte gebraucht; und dann wuͤrde vermuthlich der- jenige, der ſich anfaͤnglich fuͤr den Staͤrkſten gehalten, eben den Schutz noͤthig finden und anflehen, deſſen ſeiner Mei- nung nach die einzelnen Schwaͤchern nicht genieſſen ſollen. Es iſt alſo auch der wahre Vortheil des einzelnen Staͤrkern, daß ein ordentlicher Schutz vorhanden iſt, ohne deſſen Be- willigung und Anfuͤhrung die vielen Schwaͤchern ſich nicht zuſammen rotten, und ihm ihre Rache empfinden laſſen duͤrfen. Dem ungeachtet hoͤret man dieſen nicht ſelten klagen, daß ein ſolcher Schutzherr oder Schutzvogt, ob er gleich nicht mit der geringſten richterlichen Befugniß uͤber ihn ver- ſehen waͤre, ihm etwas abſprechen wolle. Allerdings ſpricht er ihm etwas ab, wann er aus Gefaͤlligkeit zuerſt den Mund anſtatt der Hand gebraucht. Aber er ſagt doch nichts weiter, als was jeder Privatmann, wenn er zu ſei- ner Vertheidigung ſtark genug waͤre, ſagen koͤnnte: er ſagt nemlich blos: Ich leide es nicht, und dieſer Ausſpruch, er mag aus dem Munde eines Fuͤrſten, oder eines Privat- mannes kommen, iſt kein Urtheil, ſondern eine bloſſe eigne natuͤrliche auſſergerichtliche Vertheidigung. Oft koͤnnte ein ſolcher den Schutzherrn oder Schutz- vogt ſofort uͤberzeugen, daß er ſich des Schwaͤchern mit Unrecht annehme, und einem Menſchen Beyſtand leiſte, der es keinesweges verdiene. Allein, weil er ſich den Begriff macht, daß dieſe Nachricht, welche ein Nachbar dem an- dern unbedenklich geben wuͤrde, einer gerichtlichen Einlaſ- ſung gleich gelte: ſo irret er gleich zum Richter, oder macht es wie der Geiſtliche, der einen Layen pruͤgelte, und ſo oft dieſer ſich wehren wollte, ihm zurief: er ſtuͤnde nicht unter dem weltlichen Arm. Nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/126
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/126>, abgerufen am 24.11.2024.