Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Wäre nicht auch ein Institut für etc. nicht im Stande, einen Spruch aus der Predigt wieder zuerzählen; unser Stadtmusicant schreibt zu Hause ein gan- zes Concert auf, was er nur einmal gehöret hat, und kann doch das beste Gedicht lesen, ohne den Inhalt davon ange- ben zu können; ich selbst kann die schwersten Brüche im Kopfe ausrechnen, und bin doch nicht im Stande meine Gedanken ordentlich vorzutragen. Es muß also doch eine eigne Beschaffenheit um die Fertigkeiten des Geistes haben, und sie müssen durch die beständige Uebung und Anstren- gung eben so gewandt und gewöhnet werden können, als die körperlichen Fähigkeiten. Sollte dieses aber mit jenen leichter und spielender geschehen können als mit diesen? oder ist es unnöthig, den Fertigkeiten des Geistes einen so ho- hen Grad zu geben? Mich dünkt, alle diejenigen, die solche einzelne Fertig- Hierüber bitte ich mir Ihre Meynung aus, und bin etc. Ein
Waͤre nicht auch ein Inſtitut fuͤr ꝛc. nicht im Stande, einen Spruch aus der Predigt wieder zuerzaͤhlen; unſer Stadtmuſicant ſchreibt zu Hauſe ein gan- zes Concert auf, was er nur einmal gehoͤret hat, und kann doch das beſte Gedicht leſen, ohne den Inhalt davon ange- ben zu koͤnnen; ich ſelbſt kann die ſchwerſten Bruͤche im Kopfe ausrechnen, und bin doch nicht im Stande meine Gedanken ordentlich vorzutragen. Es muß alſo doch eine eigne Beſchaffenheit um die Fertigkeiten des Geiſtes haben, und ſie muͤſſen durch die beſtaͤndige Uebung und Anſtren- gung eben ſo gewandt und gewoͤhnet werden koͤnnen, als die koͤrperlichen Faͤhigkeiten. Sollte dieſes aber mit jenen leichter und ſpielender geſchehen koͤnnen als mit dieſen? oder iſt es unnoͤthig, den Fertigkeiten des Geiſtes einen ſo ho- hen Grad zu geben? Mich duͤnkt, alle diejenigen, die ſolche einzelne Fertig- Hieruͤber bitte ich mir Ihre Meynung aus, und bin ꝛc. Ein
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Waͤre nicht auch ein Inſtitut fuͤr ꝛc.
nicht im Stande, einen Spruch aus der Predigt wieder zu
erzaͤhlen; unſer Stadtmuſicant ſchreibt zu Hauſe ein gan-
zes Concert auf, was er nur einmal gehoͤret hat, und kann
doch das beſte Gedicht leſen, ohne den Inhalt davon ange-
ben zu koͤnnen; ich ſelbſt kann die ſchwerſten Bruͤche im
Kopfe ausrechnen, und bin doch nicht im Stande meine
Gedanken ordentlich vorzutragen. Es muß alſo doch eine
eigne Beſchaffenheit um die Fertigkeiten des Geiſtes haben,
und ſie muͤſſen durch die beſtaͤndige Uebung und Anſtren-
gung eben ſo gewandt und gewoͤhnet werden koͤnnen, als
die koͤrperlichen Faͤhigkeiten. Sollte dieſes aber mit jenen
leichter und ſpielender geſchehen koͤnnen als mit dieſen? oder
iſt es unnoͤthig, den Fertigkeiten des Geiſtes einen ſo ho-
hen Grad zu geben?
Mich duͤnkt, alle diejenigen, die ſolche einzelne Fertig-
keiten in einen hohen Grad beſitzen, haben keine voͤllig ge-
ſunde Seele; eine Menge ihrer natuͤrlichen Faͤhigkeiten iſt
gelaͤhmt und wohl gar weggeſchnitten; und dieſe Laͤhmung,
dieſe Beſchneidung muß fruͤh geſchehen, wenn ſie der Ab-
ſicht entſprechen ſoll. Aber wenn jetzt die groͤſten Maͤn-
ner das Gegentheil richtiger finden: ſo muß ich ſchweigen,
und nur fragen, ob nicht ein Mittel ſey, die Handwerker
eben ſo geſund zu erziehen? und ob nicht der Staat, wenn
er die Gelehrten von der Aufopferung ihrer Geſundheit frey
ſpricht, ein gleiches fuͤr uns thun koͤnne? die Kleider brauch-
ten ja nicht ſo kuͤnſtlich gemacht zu werden, und was ha-
ben wir noͤthig, ſo manchen Schuſter um ſeine Geſundheit
zu bringen, da wir in Holzſchuhen gehen koͤnnen?
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