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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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wie es viele giebt.
ständig seine ganze Aufmerksamkeit auf den Zweck richtet,
alles was nicht zu demselben würket, vorbey läßt, dasje-
nige aber, was dazu dienet, wohl ordnet, den Hauptzü-
gen mehreres Licht, als den Nebenzügen giebt, und zuletzt
die Begierde des Zuhörers mit einer wichtigen Wahrheit,
oder welches einerley ist, mit einer vernünftigen Freude,
so wie sie von einer solchen kleinen Erzählung zu erwarten
ist, sättiget. Der gewöhnliche Lauf unsrer Erzählungen
ist insgemein wie in der folgenden, welche ich neulich mit
eigenen Ohren habe anhören müssen.

"Hiebey fällt mir ein, fieng jemand an, was mir
"einmal unterwegens begegnete, wie ich nach Münster
"fuhr. Ja ich glaube es war nach Münster, denn meine
"Frau war damals mit ihrem ersten Kinde schwanger, und
"sie wollte noch gern vor ihrer Niederkunft das dortige
"neue Schloß besehen. Wir waren auf der ersten Sta-
"tion von hier, ich meyne zu Lengerich, oder zu Latbergen,
"das kann ich eben so genau nicht sagen, es liegt auch so
"viel nicht daran; und die Frühjahrszeit war so angenehm,
"denn es war in der Woche nach Ostern, und wir hatten
"Ostern damals etwas spät gehabt, so daß es beynahe zu
"Ende des Aprils eingefallen war, daß wir beyde, ich und
"meine Frau, welche damals noch nicht daran dachte, daß
"ihr der Tod das Kind, womit sie zum erstenmal geseg-
"net war, so früh wieder rauben würde, vor der Thür
"stunden, und sahen, wie die Leute im Mondenschein spa-
"tzieren giengen. Denn, wo ich nicht irre, so war es ein
"Festtag, und wohl gar der erste May, der wo mir recht
"ist, noch dazu auf einen Sonntag fiel, so daß man es
"wohl für einen doppelten Festtag halten konnte. Auf ein-
"mal entstand ein Geschrey ganz aus der Ferne (das Haus,
"worin wir waren, lag nach dem Felde zu, und nicht weit

"da-

wie es viele giebt.
ſtaͤndig ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf den Zweck richtet,
alles was nicht zu demſelben wuͤrket, vorbey laͤßt, dasje-
nige aber, was dazu dienet, wohl ordnet, den Hauptzuͤ-
gen mehreres Licht, als den Nebenzuͤgen giebt, und zuletzt
die Begierde des Zuhoͤrers mit einer wichtigen Wahrheit,
oder welches einerley iſt, mit einer vernuͤnftigen Freude,
ſo wie ſie von einer ſolchen kleinen Erzaͤhlung zu erwarten
iſt, ſaͤttiget. Der gewoͤhnliche Lauf unſrer Erzaͤhlungen
iſt insgemein wie in der folgenden, welche ich neulich mit
eigenen Ohren habe anhoͤren muͤſſen.

„Hiebey faͤllt mir ein, fieng jemand an, was mir
„einmal unterwegens begegnete, wie ich nach Muͤnſter
„fuhr. Ja ich glaube es war nach Muͤnſter, denn meine
„Frau war damals mit ihrem erſten Kinde ſchwanger, und
„ſie wollte noch gern vor ihrer Niederkunft das dortige
„neue Schloß beſehen. Wir waren auf der erſten Sta-
„tion von hier, ich meyne zu Lengerich, oder zu Latbergen,
„das kann ich eben ſo genau nicht ſagen, es liegt auch ſo
„viel nicht daran; und die Fruͤhjahrszeit war ſo angenehm,
„denn es war in der Woche nach Oſtern, und wir hatten
„Oſtern damals etwas ſpaͤt gehabt, ſo daß es beynahe zu
„Ende des Aprils eingefallen war, daß wir beyde, ich und
„meine Frau, welche damals noch nicht daran dachte, daß
„ihr der Tod das Kind, womit ſie zum erſtenmal geſeg-
„net war, ſo fruͤh wieder rauben wuͤrde, vor der Thuͤr
„ſtunden, und ſahen, wie die Leute im Mondenſchein ſpa-
„tzieren giengen. Denn, wo ich nicht irre, ſo war es ein
„Feſttag, und wohl gar der erſte May, der wo mir recht
„iſt, noch dazu auf einen Sonntag fiel, ſo daß man es
„wohl fuͤr einen doppelten Feſttag halten konnte. Auf ein-
„mal entſtand ein Geſchrey ganz aus der Ferne (das Haus,
„worin wir waren, lag nach dem Felde zu, und nicht weit

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[155/0169] wie es viele giebt. ſtaͤndig ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf den Zweck richtet, alles was nicht zu demſelben wuͤrket, vorbey laͤßt, dasje- nige aber, was dazu dienet, wohl ordnet, den Hauptzuͤ- gen mehreres Licht, als den Nebenzuͤgen giebt, und zuletzt die Begierde des Zuhoͤrers mit einer wichtigen Wahrheit, oder welches einerley iſt, mit einer vernuͤnftigen Freude, ſo wie ſie von einer ſolchen kleinen Erzaͤhlung zu erwarten iſt, ſaͤttiget. Der gewoͤhnliche Lauf unſrer Erzaͤhlungen iſt insgemein wie in der folgenden, welche ich neulich mit eigenen Ohren habe anhoͤren muͤſſen. „Hiebey faͤllt mir ein, fieng jemand an, was mir „einmal unterwegens begegnete, wie ich nach Muͤnſter „fuhr. Ja ich glaube es war nach Muͤnſter, denn meine „Frau war damals mit ihrem erſten Kinde ſchwanger, und „ſie wollte noch gern vor ihrer Niederkunft das dortige „neue Schloß beſehen. Wir waren auf der erſten Sta- „tion von hier, ich meyne zu Lengerich, oder zu Latbergen, „das kann ich eben ſo genau nicht ſagen, es liegt auch ſo „viel nicht daran; und die Fruͤhjahrszeit war ſo angenehm, „denn es war in der Woche nach Oſtern, und wir hatten „Oſtern damals etwas ſpaͤt gehabt, ſo daß es beynahe zu „Ende des Aprils eingefallen war, daß wir beyde, ich und „meine Frau, welche damals noch nicht daran dachte, daß „ihr der Tod das Kind, womit ſie zum erſtenmal geſeg- „net war, ſo fruͤh wieder rauben wuͤrde, vor der Thuͤr „ſtunden, und ſahen, wie die Leute im Mondenſchein ſpa- „tzieren giengen. Denn, wo ich nicht irre, ſo war es ein „Feſttag, und wohl gar der erſte May, der wo mir recht „iſt, noch dazu auf einen Sonntag fiel, ſo daß man es „wohl fuͤr einen doppelten Feſttag halten konnte. Auf ein- „mal entſtand ein Geſchrey ganz aus der Ferne (das Haus, „worin wir waren, lag nach dem Felde zu, und nicht weit „da-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/169>, abgerufen am 21.11.2024.