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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Vom Hüten der Schweine.
schlossene Zeit nach dem Calender zu Ende war, ins Feld,
und setzte alle diejenigen, welche ihr Vieh auf ihren eignen
abgeerndteten Feldern hüten liessen, zur Klage, so lange
noch ein einziger Acker mit Früchten in der Flur war. Alle
Theilhaber waren darüber eins, daß sie sich die Stoppel-
weide einander gönnen, und das Vieh vor dem noch un-
abgeerndteten oder mit Rüben und Klaver bestelleten Fel-
dern hüten wollten. Es half aber nicht; der Fiscus gieng
seinen Gang. Der Fehler rührte unstreitig daher, daß
man die Eröfnung des Feldes nach dem Calender rechnete,
und nicht vor den Beamten zusammen trat, um durch die
Mehrheit die Eröfnung nach der Witterung entweder frü-
her oder später eintreten zu lassen. Der Fiscus hielt das
Feld für geschlossen, so lange noch Korn darinn war; und
jeder Eigner hielt es zur Hütung nicht aber zum ungehüte-
ten Betreiben, für eröfnet, so bald Bartholomäi Tag vor-
bey und sein Feld ledig war. Endlich befahl die Landes-
obrigkeit, nachdem sich alle Genossen vereiniget hatten, der
Fiscus solle sein Amt ruhen lassen; und wer den vernünfti-
gen Geitz der Leute nach der Stoppelweide kennt, wird die-
ses um so mehr der allgemeinen Wohlfart gemäs finden,
je weniger die in solchen Fällen eintretende Strafen ihren
Zweck erreichten, weil solche weiter nichts würkten, als daß
die Genossen die ihnen unentbehrliche Stoppelweide mit ei-
nem Brüchten erkaufen müßten.

In solchen Fällen also kann dem Fiscus eine Aufkündi-
gung des alten Contrakts, welchen der Zeitlauf vermuthen
läßt, mit allgemeiner Einstimmung geschehen, und die
Obrigkeit thut wohl selbige zuzulassen; wo aber das größte
Beste em anders erfordert, wie beym Hüten im Felde zur
beschlossenen Zeit, kann man dem epidemischen Willen der
Genossen nicht immer nachgeben.

An

Vom Huͤten der Schweine.
ſchloſſene Zeit nach dem Calender zu Ende war, ins Feld,
und ſetzte alle diejenigen, welche ihr Vieh auf ihren eignen
abgeerndteten Feldern huͤten lieſſen, zur Klage, ſo lange
noch ein einziger Acker mit Fruͤchten in der Flur war. Alle
Theilhaber waren daruͤber eins, daß ſie ſich die Stoppel-
weide einander goͤnnen, und das Vieh vor dem noch un-
abgeerndteten oder mit Ruͤben und Klaver beſtelleten Fel-
dern huͤten wollten. Es half aber nicht; der Fiſcus gieng
ſeinen Gang. Der Fehler ruͤhrte unſtreitig daher, daß
man die Eroͤfnung des Feldes nach dem Calender rechnete,
und nicht vor den Beamten zuſammen trat, um durch die
Mehrheit die Eroͤfnung nach der Witterung entweder fruͤ-
her oder ſpaͤter eintreten zu laſſen. Der Fiſcus hielt das
Feld fuͤr geſchloſſen, ſo lange noch Korn darinn war; und
jeder Eigner hielt es zur Huͤtung nicht aber zum ungehuͤte-
ten Betreiben, fuͤr eroͤfnet, ſo bald Bartholomaͤi Tag vor-
bey und ſein Feld ledig war. Endlich befahl die Landes-
obrigkeit, nachdem ſich alle Genoſſen vereiniget hatten, der
Fiſcus ſolle ſein Amt ruhen laſſen; und wer den vernuͤnfti-
gen Geitz der Leute nach der Stoppelweide kennt, wird die-
ſes um ſo mehr der allgemeinen Wohlfart gemaͤs finden,
je weniger die in ſolchen Faͤllen eintretende Strafen ihren
Zweck erreichten, weil ſolche weiter nichts wuͤrkten, als daß
die Genoſſen die ihnen unentbehrliche Stoppelweide mit ei-
nem Bruͤchten erkaufen muͤßten.

In ſolchen Faͤllen alſo kann dem Fiſcus eine Aufkuͤndi-
gung des alten Contrakts, welchen der Zeitlauf vermuthen
laͤßt, mit allgemeiner Einſtimmung geſchehen, und die
Obrigkeit thut wohl ſelbige zuzulaſſen; wo aber das groͤßte
Beſte em anders erfordert, wie beym Huͤten im Felde zur
beſchloſſenen Zeit, kann man dem epidemiſchen Willen der
Genoſſen nicht immer nachgeben.

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[218/0232] Vom Huͤten der Schweine. ſchloſſene Zeit nach dem Calender zu Ende war, ins Feld, und ſetzte alle diejenigen, welche ihr Vieh auf ihren eignen abgeerndteten Feldern huͤten lieſſen, zur Klage, ſo lange noch ein einziger Acker mit Fruͤchten in der Flur war. Alle Theilhaber waren daruͤber eins, daß ſie ſich die Stoppel- weide einander goͤnnen, und das Vieh vor dem noch un- abgeerndteten oder mit Ruͤben und Klaver beſtelleten Fel- dern huͤten wollten. Es half aber nicht; der Fiſcus gieng ſeinen Gang. Der Fehler ruͤhrte unſtreitig daher, daß man die Eroͤfnung des Feldes nach dem Calender rechnete, und nicht vor den Beamten zuſammen trat, um durch die Mehrheit die Eroͤfnung nach der Witterung entweder fruͤ- her oder ſpaͤter eintreten zu laſſen. Der Fiſcus hielt das Feld fuͤr geſchloſſen, ſo lange noch Korn darinn war; und jeder Eigner hielt es zur Huͤtung nicht aber zum ungehuͤte- ten Betreiben, fuͤr eroͤfnet, ſo bald Bartholomaͤi Tag vor- bey und ſein Feld ledig war. Endlich befahl die Landes- obrigkeit, nachdem ſich alle Genoſſen vereiniget hatten, der Fiſcus ſolle ſein Amt ruhen laſſen; und wer den vernuͤnfti- gen Geitz der Leute nach der Stoppelweide kennt, wird die- ſes um ſo mehr der allgemeinen Wohlfart gemaͤs finden, je weniger die in ſolchen Faͤllen eintretende Strafen ihren Zweck erreichten, weil ſolche weiter nichts wuͤrkten, als daß die Genoſſen die ihnen unentbehrliche Stoppelweide mit ei- nem Bruͤchten erkaufen muͤßten. In ſolchen Faͤllen alſo kann dem Fiſcus eine Aufkuͤndi- gung des alten Contrakts, welchen der Zeitlauf vermuthen laͤßt, mit allgemeiner Einſtimmung geſchehen, und die Obrigkeit thut wohl ſelbige zuzulaſſen; wo aber das groͤßte Beſte em anders erfordert, wie beym Huͤten im Felde zur beſchloſſenen Zeit, kann man dem epidemiſchen Willen der Genoſſen nicht immer nachgeben. An

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/232>, abgerufen am 27.11.2024.