Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Hüten der Schweine.

An einigen Orten dürfen auch nach besondern Verord-
nungen die Schweine nicht anders als gekrampet auf die ge-
meine Weide kommen, und ist die Krampe ein Drat der
ihnen durch den Rüssel gezogen wird, und einen Schmerz
erregt, wenn sie wühlen wollen Es ist dieses vermuthlich
ein sehr alter Gebrauch, weil die Römer sich dieser Krampe
unter dem Namen Fibula, wiewohl so viel man lieset, nicht
bey den Schweinen, bedienten Hiebey entsteht oft die
Frage, ob die Weidegenossen sich dahin vereinigen mögen,
ihre Schweine ungekrampt herum laufen zu lassen? So viel
ich weiß, ist solches allemal ungestraft geschehen, wenn
alle Interessenten der Weide darinn einig gewesen, und ihr
Bruch oder ihre Weide zum Schaden ihres übrigen Viehes
zerwühlen lassen wollen. Da jedoch die hiesigen Brücher
so liegen, daß das Vieh mehrer Bauerschaften den gegen-
seitigen Weidegang haben: so mag eine Bauerschaft allein
ihre Weide damit nicht verderben, und solchergestalt ihr
Hornvieh nöthigen, den übrigen Weiden desto beschwerli-
cher zu fallen; oder den von andern Bauerschaften zu ihnen
herüber weidenden Vieh das reciprocum zu entziehen. Wo
jedoch eine Bauerschaft ihre Weide gegen eine andre mit der
Pfandung vertheidigen mag, sollte es auch jährlich nur
einmal zur Urkunde geschehen, da kann ihr das Recht zu
einem solchen Verein, nach welchem sie ihre Schweine un-
gekrampet gehen lassen wollen, nicht abgesagt werden.

Im Jahr 1732. den 25 May erliessen weiland Ihro
Churfürstl. Durchlaucht von Cölln folgendes Rescriptum
an sämtliche Beamte:

Auch sollen die Schweine das ganze Jahr hindurch
vor den Hirten getrieben werden, mithin den Einge-
sessenen dasigen Amts erlaubt seyn, ihr Vieh zwischen
dem Korn hüten zu lassen: falls aber dadurch einem
oder
Vom Huͤten der Schweine.

An einigen Orten duͤrfen auch nach beſondern Verord-
nungen die Schweine nicht anders als gekrampet auf die ge-
meine Weide kommen, und iſt die Krampe ein Drat der
ihnen durch den Ruͤſſel gezogen wird, und einen Schmerz
erregt, wenn ſie wuͤhlen wollen Es iſt dieſes vermuthlich
ein ſehr alter Gebrauch, weil die Roͤmer ſich dieſer Krampe
unter dem Namen Fibula, wiewohl ſo viel man lieſet, nicht
bey den Schweinen, bedienten Hiebey entſteht oft die
Frage, ob die Weidegenoſſen ſich dahin vereinigen moͤgen,
ihre Schweine ungekrampt herum laufen zu laſſen? So viel
ich weiß, iſt ſolches allemal ungeſtraft geſchehen, wenn
alle Intereſſenten der Weide darinn einig geweſen, und ihr
Bruch oder ihre Weide zum Schaden ihres uͤbrigen Viehes
zerwuͤhlen laſſen wollen. Da jedoch die hieſigen Bruͤcher
ſo liegen, daß das Vieh mehrer Bauerſchaften den gegen-
ſeitigen Weidegang haben: ſo mag eine Bauerſchaft allein
ihre Weide damit nicht verderben, und ſolchergeſtalt ihr
Hornvieh noͤthigen, den uͤbrigen Weiden deſto beſchwerli-
cher zu fallen; oder den von andern Bauerſchaften zu ihnen
heruͤber weidenden Vieh das reciprocum zu entziehen. Wo
jedoch eine Bauerſchaft ihre Weide gegen eine andre mit der
Pfandung vertheidigen mag, ſollte es auch jaͤhrlich nur
einmal zur Urkunde geſchehen, da kann ihr das Recht zu
einem ſolchen Verein, nach welchem ſie ihre Schweine un-
gekrampet gehen laſſen wollen, nicht abgeſagt werden.

Im Jahr 1732. den 25 May erlieſſen weiland Ihro
Churfuͤrſtl. Durchlaucht von Coͤlln folgendes Reſcriptum
an ſaͤmtliche Beamte:

Auch ſollen die Schweine das ganze Jahr hindurch
vor den Hirten getrieben werden, mithin den Einge-
ſeſſenen daſigen Amts erlaubt ſeyn, ihr Vieh zwiſchen
dem Korn huͤten zu laſſen: falls aber dadurch einem
oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0233" n="219"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Hu&#x0364;ten der Schweine.</hi> </fw><lb/>
        <p>An einigen Orten du&#x0364;rfen auch nach be&#x017F;ondern Verord-<lb/>
nungen die Schweine nicht anders als gekrampet auf die ge-<lb/>
meine Weide kommen, und i&#x017F;t die Krampe ein Drat der<lb/>
ihnen durch den Ru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el gezogen wird, und einen Schmerz<lb/>
erregt, wenn &#x017F;ie wu&#x0364;hlen wollen Es i&#x017F;t die&#x017F;es vermuthlich<lb/>
ein &#x017F;ehr alter Gebrauch, weil die Ro&#x0364;mer &#x017F;ich die&#x017F;er Krampe<lb/>
unter dem Namen <hi rendition="#aq">Fibula,</hi> wiewohl &#x017F;o viel man lie&#x017F;et, nicht<lb/>
bey den Schweinen, bedienten Hiebey ent&#x017F;teht oft die<lb/>
Frage, ob die Weidegeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich dahin vereinigen mo&#x0364;gen,<lb/>
ihre Schweine ungekrampt herum laufen zu la&#x017F;&#x017F;en? So viel<lb/>
ich weiß, i&#x017F;t &#x017F;olches allemal unge&#x017F;traft ge&#x017F;chehen, wenn<lb/>
alle Intere&#x017F;&#x017F;enten der Weide darinn einig gewe&#x017F;en, und ihr<lb/>
Bruch oder ihre Weide zum Schaden ihres u&#x0364;brigen Viehes<lb/>
zerwu&#x0364;hlen la&#x017F;&#x017F;en wollen. Da jedoch die hie&#x017F;igen Bru&#x0364;cher<lb/>
&#x017F;o liegen, daß das Vieh mehrer Bauer&#x017F;chaften den gegen-<lb/>
&#x017F;eitigen Weidegang haben: &#x017F;o mag eine Bauer&#x017F;chaft allein<lb/>
ihre Weide damit nicht verderben, und &#x017F;olcherge&#x017F;talt ihr<lb/>
Hornvieh no&#x0364;thigen, den u&#x0364;brigen Weiden de&#x017F;to be&#x017F;chwerli-<lb/>
cher zu fallen; oder den von andern Bauer&#x017F;chaften zu ihnen<lb/>
heru&#x0364;ber weidenden Vieh das <hi rendition="#aq">reciprocum</hi> zu entziehen. Wo<lb/>
jedoch eine Bauer&#x017F;chaft ihre Weide gegen eine andre mit der<lb/>
Pfandung vertheidigen mag, &#x017F;ollte es auch ja&#x0364;hrlich nur<lb/>
einmal zur Urkunde ge&#x017F;chehen, da kann ihr das Recht zu<lb/>
einem &#x017F;olchen Verein, nach welchem &#x017F;ie ihre Schweine un-<lb/>
gekrampet gehen la&#x017F;&#x017F;en wollen, nicht abge&#x017F;agt werden.</p><lb/>
        <p>Im Jahr 1732. den 25 May erlie&#x017F;&#x017F;en weiland Ihro<lb/>
Churfu&#x0364;r&#x017F;tl. Durchlaucht von Co&#x0364;lln folgendes <hi rendition="#aq">Re&#x017F;criptum</hi><lb/>
an &#x017F;a&#x0364;mtliche Beamte:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Auch &#x017F;ollen die Schweine <hi rendition="#fr">das ganze Jahr hindurch</hi><lb/>
vor den Hirten getrieben werden, mithin den Einge-<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen da&#x017F;igen Amts erlaubt &#x017F;eyn, ihr Vieh zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Korn hu&#x0364;ten zu la&#x017F;&#x017F;en: falls aber dadurch einem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0233] Vom Huͤten der Schweine. An einigen Orten duͤrfen auch nach beſondern Verord- nungen die Schweine nicht anders als gekrampet auf die ge- meine Weide kommen, und iſt die Krampe ein Drat der ihnen durch den Ruͤſſel gezogen wird, und einen Schmerz erregt, wenn ſie wuͤhlen wollen Es iſt dieſes vermuthlich ein ſehr alter Gebrauch, weil die Roͤmer ſich dieſer Krampe unter dem Namen Fibula, wiewohl ſo viel man lieſet, nicht bey den Schweinen, bedienten Hiebey entſteht oft die Frage, ob die Weidegenoſſen ſich dahin vereinigen moͤgen, ihre Schweine ungekrampt herum laufen zu laſſen? So viel ich weiß, iſt ſolches allemal ungeſtraft geſchehen, wenn alle Intereſſenten der Weide darinn einig geweſen, und ihr Bruch oder ihre Weide zum Schaden ihres uͤbrigen Viehes zerwuͤhlen laſſen wollen. Da jedoch die hieſigen Bruͤcher ſo liegen, daß das Vieh mehrer Bauerſchaften den gegen- ſeitigen Weidegang haben: ſo mag eine Bauerſchaft allein ihre Weide damit nicht verderben, und ſolchergeſtalt ihr Hornvieh noͤthigen, den uͤbrigen Weiden deſto beſchwerli- cher zu fallen; oder den von andern Bauerſchaften zu ihnen heruͤber weidenden Vieh das reciprocum zu entziehen. Wo jedoch eine Bauerſchaft ihre Weide gegen eine andre mit der Pfandung vertheidigen mag, ſollte es auch jaͤhrlich nur einmal zur Urkunde geſchehen, da kann ihr das Recht zu einem ſolchen Verein, nach welchem ſie ihre Schweine un- gekrampet gehen laſſen wollen, nicht abgeſagt werden. Im Jahr 1732. den 25 May erlieſſen weiland Ihro Churfuͤrſtl. Durchlaucht von Coͤlln folgendes Reſcriptum an ſaͤmtliche Beamte: Auch ſollen die Schweine das ganze Jahr hindurch vor den Hirten getrieben werden, mithin den Einge- ſeſſenen daſigen Amts erlaubt ſeyn, ihr Vieh zwiſchen dem Korn huͤten zu laſſen: falls aber dadurch einem oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/233
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/233>, abgerufen am 27.11.2024.